Leitsatz (amtlich)

Soweit durch Gemeinschaftsordnung oder Eigentümerbeschluss nichts anderes geregelt ist, kann der Leiter einer Wohnungseigentümerversammlung das tatsächliche Ergebnis einer Abstimmung grundsätzlich auch dadurch feststellen, dass er bereits nach der Abstimmung über zwei von drei - auf Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung gerichteten - Abstimmungsfragen die Zahl der noch nicht abgegebenen Stimmen als Ergebnis der dritten Abstimmungsfrage wertet. Besonderer organisatorischer Maßnahmen zur exakten Feststellung des Mehrheitswillens, also Feststellung der anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer und deren Stimmkraft sowie der genauen Zahl der abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen und der Enthaltungen, bedarf es nur dann nicht, wenn eindeutige Verhältnisse und klare Mehrheiten vorliegen.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 01.04.2004; Aktenzeichen 14 T 4892/03)

AG Nürnberg (Aktenzeichen 1 UR II 213/02)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 2) gegen Nr. 1 des Beschlusses des LG Nürnberg-Fürth v. 1.4.2004 wird zurückgewiesen.

II. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1) wird Nr. III des Beschlusses des LG aufgehoben.

III. Von den Gerichtskosten des Verfahrens beim AG haben die Antragsgegner zu 1) und 2 als Gesamtschuldner ¾ und der weitere Beteiligte zu 1) ¼ zu tragen; der weitere Beteiligte zu 1) hat dem Antragsteller ¼ der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens beim AG zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung im Verfahren beim AG nicht statt.

Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der weitere Beteiligte zu 1) zu tragen.

IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 Euro festgesetzt. Die Geschäftswertfestsetzung durch das AG und das LG wird dahin abgeändert, dass der Einzelgeschäftswert für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses zu Tagesordnungspunkt 9 jeweils auf 15.000 Euro festgesetzt wird.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die jedenfalls bis 7.6.2002 vom Beteiligten zu 1) verwaltet wurde.

In der Eigentümerversammlung v. 7.6.2002 wurde über die Jahresabrechnung 2001 (Tagesordnungspunkt = TOP 3), den Wirtschaftsplan 2001 (TOP 4), die Bestätigung der in der vorhergehenden Eigentümerversammlung zu den Jahresabrechnungen 1995 bis 2000 gefassten Eigentümerbeschlüsse (TOP 8) und die Bestellung mit sofortiger Wirkung der weiteren Beteiligten zu 2) zur Verwalterin anstelle des Weiteren Beteiligten zu 1) (TOP 9) abgestimmt. Über das Abstimmungsergebnis enthält das Protokoll hinsichtlich der Eigentümerbeschlüsse, die für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung sind, den Vermerk:

TOP 4: einstimmig angenommen

TOP 9: mehrheitlich angenommen.

Der Antragsteller hat beim AG beantragt, die genannten Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Mit Beschluss v. 6.5.2003 hat das AG die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 3 und TOP 8 für ungültig erklärt; im Übrigen hat es die Anträge abgewiesen. Gegen diesen Beschluss haben der Antragsteller und die Antragsgegner zu 1) sofortige Beschwerde eingelegt und zunächst beantragt, die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 4 und TOP 9 für ungültig zu erklären und die Verfahrenskosten dem Beteiligten zu 1) aufzuerlegen. In der mündlichen Verhandlung v. 23.3.2004 erklärten die Beteiligten im Hinblick auf die zwischenzeitlich beschlossene Jahresabrechnung für 2002 den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 4 übereinstimmend für erledigt. Das LG hat am 1.4.2004 den Beschluss des AG dahingehend abgeändert, dass auch der Eigentümerbeschluss zu TOP 9 für ungültig erklärt wurde. Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat es 45 % dem Antragsteller und 55 % den Antragsgegnern zu 2) auferlegt; von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es abgesehen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1), mit der sie beantragen, dem weiteren Beteiligten zu 1) die Gerichtskosten und ihre außergerichtlichen Verfahrenskosten aufzuerlegen. Auch die Antragsgegner zu 2) haben sofortige weitere Beschwerde eingelegt; sie beantragen, den Beschluss des LG dahin abzuändern, dass der Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 9 abgewiesen wird. Der Antragsteller beantragt, die gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahrenskosten der weiteren Beteiligten zu 2) aufzuerlegen.

II. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 2) ist unbegründet; in dem Kostenausspruch ist die Entscheidung des LG aber abzuändern.

1. Das LG hat ausgeführt:

a) Der Eigentümerbeschluss zu TOP 9 sei für ungültig zu erklären, weil das Abstimmungsergebnis zu diesem Tagesordnungspunkt vom Versammlungsleiter nicht fehlerfrei ermittelt worden sei. Das AG habe über den Abstimmungsvorgang mehrere Zeugen vernommen; deren Aussagen über die Mehrheitsverhältnisse bei der Abstimmung widersprächen sich zum Teil erh...

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