Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsvollstreckung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein wichtiger Grund gemäß § 2227 Abs. 1 BGB ist nicht nur bei den im Gesetz besonders genannten Beispielsfällen der groben Pflichtverletzung oder der Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung gegeben. Er liegt vielmehr ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Testamentsvollstreckers auch dann vor, wenn dieser, sei es durch die bei ihm bestehenden Verhältnisse, sei es durch sein persönliches Verhalten, begründeten Anlaß zu der Annahme gibt, daß ein längeres Verbleiben im Amt der Ausführung des letzten Willens des Erblassers hinderlich sei oder daß sich dadurch eine Schädigung oder erhebliche Gefährdung der Interessen der an der Ausführung oder am Nachlaß Beteiligten ergeben würde.

2. Des weiteren kann ein auf Tatsachen beruhendes Mißtrauen eines Beteiligten einen wichtigen Grund für die Entlassung bilden. Zu beachten ist weiter, daß eine gedeihliche Führung des Amtes vor allem Unbefangenheit des Testamentsvollstreckers voraussetzt. Schließlich kann auch ein erheblicher Interessengegensatz zwischen Testamentsvollstrecker und Erben ein wichtiger Grund für die Entlassung sein. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, ob Umstände vorliegen, die den Erblasser, wenn er noch lebte, vermutlich zum Widerruf der Ernennung des gewählten Testamentsvollstreckers veranlaßt hätten und die auch objektiv betrachtet diesen Widerruf so erscheinen lassen, daß er im Interesse der Erben oder sonstiger Beteiligter liegt.

3. Anordnungen gemäß § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB können in einem Erbvertrag nicht vertragsmäßig getroffen werden (§ 2278 Abs. 2 BGB). Daher gelten für die Auslegung insoweit die allgemeinen Grundsätze der Testamentsauslegung, so daß es auf den Willen des Erblassers, nicht auf den übereinstimmenden Willen beider Vertragspartner ankommt.

 

Normenkette

BGB § 2227 Abs. 1, § 2278 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 30.03.1995; Aktenzeichen 4 T 1410/93)

AG Rosenheim (Aktenzeichen VI 924/77)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5 gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 30. März 1995 wird zurückgewiesen, soweit die Entscheidung die Entlassung des Beteiligten zu 8 als Testamentsvollstrecker betrifft.

II. Der Beteiligte zu 5 trägt die Gerichtskosten aller Rechtszüge. Er hat den Beteiligten zu 6, 7 und 8 die im Beschwerdeverfahren und im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird insgesamt auf 200.000 DM und, soweit das Verfahren die Entlassung des Beteiligten zu 8 als Testamentsvollstrecker betrifft, auf 100.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

A.

1. Der im Jahr 1977 verstorbene Erblasser war mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Aus dieser Ehe stammen drei Söhne (Beteiligte zu 4 bis 6) sowie die drei Töchter A (Beteiligte zu 2), B und C. Die Tochter B ist unter Hinterlassung von zwei Kindern, den Beteiligten zu 3 a und b, vorverstorben. Für die Beteiligte zu 1 ist seit mehreren Jahren Betreuung angeordnet.

Der Erblasser war Inhaber eines großen von ihm aufgebauten Unternehmens, das in Form einer GmbH geführt wird. Er hielt im Zeitpunkt seines Todes Anteile über 290.000 DM des Stammkapitals, die restlichen Anteile in Höhe von 10.000 DM befanden sich in der Hand seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 1. Der Beteiligte zu 4, der Beteiligte zu 6 und der Ehemann der Tochter C waren in dem Unternehmen tätig. Der Beteiligte zu 5 hatte im Jahr 1974 ein Beschäftigungsverhältnis bei der Gesellschaft beendet. Außer den erwähnten Geschäftsanteilen bestand der Nachlaß im wesentlichen aus einem von dem Ehepaar bewohnten Anwesen, dem langfristig an die Gesellschaft verpachteten Betriebsgrundstück sowie Geld und Wertpapiervermögen in Höhe von ca. 1 Million DM.

Am 15.7.1977 haben die Eheleute einen notariellen Erbvertrag geschlossen. Darin haben sie sich gegenseitig zu alleinigen Vollerben eingesetzt und ihre gemeinsamen Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Anteilen und gesetzlicher Erbregel zu Schlußerben berufen. Desweiteren haben sie folgendes bestimmt:

IV.

Wir ordnen Testamentsvollstreckung an, welche mit dem Ableben von mir, … (Erblasser), beginnt. Im Fall des Vorablebens der Ehefrau beginnt die Testamentsvollstrek-kung erst mit dem Ableben des Ehemannes, so daß dieser zu Lebzeiten über den Nachlaß der Ehefrau frei verfügen kann.

Zu Testamentsvollstreckern bestimmen wir …

Die Testamentsvollstrecker üben das Amt gemeinsam aus. Aufgabe der Testamentsvollstrecker ist die Verteilung des Nachlasses unter Berücksichtigung der nachstehenden Teilungsanordnung. Das Testamentsvollstreckeramt endet mit der restlosen Verteilung unseres Nachlasses unter unseren Erben.

Die Testamentsvollstrecker sind insbesondere ermächtigt, die Satzung der GmbH neu zu fassen unter Berücksichtigung der Tatsache, daß aufgrund der nachfolgenden Bestimmungen familienfremde Personen berechtigt sind, in die Gesellschaft einzutreten, jedoch verpflichtet sein sollen,...

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