Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Auslegung eines Testaments ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Dabei geht es nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Bei einem gemeinschaftlichen Testament kommt es nicht nur auf den Willlen des Erblassers an, um dessen Verfügung es geht. Vielmehr ist zu prüfen, ob ein nach dem Verhalten des einen Ehegatten möglichst Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen Teils entsprochen hat.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Beschluss vom 21.06.1995; Aktenzeichen 1 T 1844/94)

AG Ingolstadt (Aktenzeichen VI 841/88)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Ingolstadt vom 21. Juni 1995 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat den Beteiligten zu 5 und 6 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 10 000 DM festgesetzt. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird ebenfalls auf 10 000 DM festgesetzt und der Beschluß des Landgerichts in Nr.III insoweit abgeändert.

 

Tatbestand

I.

Der im Alter von 86 Jahren verstorbene Erblasser war verwitwet und kinderlos. Seine Ehefrau ist im Jahr 1975 vorverstorben. Die Beteiligte zu 1 ist ihre Schwester. Die Beteiligten zu 2 bis 4 sind Kinder, die Beteiligten zu 5 und 6 Enkel einer weiteren Schwester M. der Ehefrau.

Der Erblasser hat zusammen mit seiner Ehefrau zwei gemeinschaftliche Testamente errichtet, die jeweils das Datum des 4.11.1961 tragen und vom Erblasser eigenhändig geschrieben sowie von beiden Ehegatten unterzeichnet worden sind. Die beiden Schriftstücke sind im wesentlichen inhaltsgleich und weisen nur hinsichtlich der Anordnungen zur Testamentsvollstreckung Unterschiede auf. Die Erbfolgeregelung lautet jeweils:

„Wir … haben mit Ehe- und Erbvertrag … uns gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Diese letztwillige Verfügung bleibt aufrecht erhalten. Darüber hinaus bestimmen wir jedoch, daß nach dem Tod des überlebenden Teils … unser Vermögen wie folgt vererbt wird:

  1. Das Anwesen … erhält zusammen mit dem Geschäft unsere Schwägerin bzw. Schwester T. (Beteiligte zu 1) in Anbetracht ihrer jahrelangen, treuen Mitarbeit. Zum Geschäft gehören alle Vorräte, die Einrichtung, der Kraftwagen sowie die Geschäftskonten … mit seinerzeitigem Stand.
  2. Unsere persönliche Habe wie Wohnungseinrichtung, Wäsche und Kleidung erhält ebenfalls unsere Schwägerin bzw. Schwester T. Die Bettwäsche erhält unsere Nichte … (Beteiligte zu 4).
  3. Unsere Schwägerin bzw. Schwester T. ist verpflichtet a) für unsere standesgem. Beerdigung und für Grabmal aufzukommen und letzteres zu unterhalten. b) die Dauer von 30 Jahren jährlich an unserem Namenstag und an unserem Sterbetag eine hl. Messe lesen zu lassen, c) ev. vorhandene Verpflichtungen unsererseits zu tragen.
  4. Als Erben nach dem Tode unserer Schwägerin bzw. Schwester T. setzen wir die Kinder unserer Schwester M. … ein. Die Nacherben haben etwa bestehende Verpflichtungen aus diesem Testament zu erfüllen. Die Vorerbin ist hinsichtlich des beweglichen Vermögens von allen Beschränkungen der Vorerbschaft befreit.

…”

Auf Antrag der Beteiligten zu 1, die sich auf das Testament vom 4.11.1961 stützte, erteilte das Nachlaßgericht am 11.1.1989 einen Erbschein des Inhalts, daß der Erblasser von der Beteiligten zu 1 allein beerbt worden sei. Nacherbfolge sei angeordnet und trete beim Tod der Vorerbin ein. Nacherben seien die Abkömmlinge der M., das seien derzeit K. und die Beteiligten zu 2, 3 und 4. Die Vorerbin sei zur freien Verfügung über das bewegliche Vermögen berechtigt.

K. ist am 28.6.1992 verstorben und von seinen beiden Kindern, den Beteiligten zu 5 und 6, je zur Hälfte beerbt worden. Im Hinblick darauf zog das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 2.2.1994 den Erbschein vom 11.1.1989 als unrichtig ein. Nunmehr beantragte die Beteiligte zu 1 einen Erbschein, der die drei noch lebenden Kinder der M., die Beteiligten zu 2 bis 4, als Nacherben bezeichnen sollte. Dem traten die Beteiligten zu 5 und 6 entgegen und machten geltend, das Anwartschaftsrecht des Nacherben sei vererblich. Das Nachlaßgericht lehnte den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 mit Beschluß vom 18.10.1994 ab. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wies das Landgericht mit Beschluß vom 21.6.1995 zurück. Hiergegen richtet sich ihre weitere Beschwerde, der die Beteiligten zu 5 und 6 entgegentreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Nachlaßgericht habe den von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein zu Recht nicht erteilt, denn es seien sämtliche Nacherben anzugeben und nach dem Tod des Nacherben K. sei dessen Nacherbrecht nicht den Beteiligten zu 2 bis 4 angewachsen, sondern auf die Beteil...

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