Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die ergänzende Auslegung letztwilliger Verfügungen erfordert, daß in der Urkunde selbst ein wenn auch noch so geringer oder unvollkommener Anhalt für die behauptete Willensrichtung des Erblassers zu finden ist, auch wenn dessen Wille erst unter Heranziehung außerhalb liegender Umstände oder der allgemeinen Lebenserfahrung endgültig festgestellt werden kann.

 

Normenkette

BGB § 2084

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 06.02.1995; Aktenzeichen 4 T 3058/94)

AG Altötting (Beschluss vom 18.07.1994; Aktenzeichen VI 124/94)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 werden die Beschlüsse des Landgerichts Traunstein vom 6. Februar 1995 und des Amtsgerichts Altötting – Zweigstelle Burghausen – vom 18. Juli 1994 aufgehoben.

II. Das Amtsgericht Altötting – Zweigstelle Burghausen – wird angewiesen, dem Beteiligten zu 2 folgenden Erbschein zu erteilen:

„Der am 13. Mai 1994 verstorbene … ist aufgrund notariellen Testaments vom 21. Januar 1992 von … (= Beteiligter zu 2) allein beerbt worden.”

 

Tatbestand

I.

Der am 13.5.1994 im Alter von 99 Jahren verstorbene Erblasser war in kinderloser zweiter Ehe mit der am 22.1.1992 verstorbenen Katharina B. verheiratet. Aus deren erster Ehe stammen die Beteiligten zu 1 bis 3. Die Ehegatten hatten am 2.12.1977 einen notariellen Erbvertrag geschlossen, der auszugsweise wie folgt lautet:

2. Im Wege des Erbvertrages vereinbaren wir:

2.1

Stirbt eines von uns, so soll der überlebende Ehegatte der alleinige und ausschließliche Erbe des Erstverstorbenen sein.

2.2

Zum Erben des Längerlebenden von uns beiden bestimmen wir den Sohn der Ehefrau, namens Peter N. (Beteiligter zu 1).

2.3

Vorstehende Verfügungen nehmen wir gegenseitig an. Der Längerlebende von uns beiden ist befugt, die Schlußerbfolge nur insoweit abzuändern, als er anstelle des vorgesehenen Erben Peter N. auch dessen Geschwister oder auch eines seiner Geschwister oder Abkömmlinge des Peter N. oder Abkömmlinge der Geschwister zu Erben einsetzen kann und Vermächtnisse für diese ausweisen darf.

Lediglich Dritten, die nicht mit der Ehefrau in gerader Linie verwandt sind, darf der Längerlebende von uns beiden nichts zuwenden, gleichgültig wer der Längerlebende ist.

Am 14.2.1989 errichteten beide Ehegatten in getrennten Urkunden eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testamente.

Die letztwillige Verfügung des Erblassers lautet:

Für den Fall, daß ich meine Ehefrau Käthe B. überlebe, verfüge ich, daß mein gesamtes Vermögen, sowie die Wohnung Einrichtung nach Ableben an die Kinder meiner Frau zu gleichen Teilen übergehen.

Die der Ehefrau hat folgenden Wortlaut:

Ich Käthe B. bestimme meinen Ehemann als Alleinerben für das hinterlassene Vermögen, sowie für die Wohnungseinrichtung falls er mich überlebt. Erst nach meinen Tod soll das übrig gebliebene Vermögen, sowie die Sachwerte in der Wohnung, an meine drei Kinder als Nacherben zu gleichen Teilen übergehen. Außerdem bestimme ich, daß meine Tochter Anni D., alle Gegenstände in der Wohnung gerecht verteilt.

Am 21.1.1992 – seine Ehefrau lag im Koma und verstarb am folgenden Tag – errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er seine Ehefrau als alleinige befreite Vorerbin und seinen Stiefsohn, den Beteiligten zu 2, als Nacherben einsetzte. Außerdem verfügte er wie folgt:

Sollte meine Ehefrau nicht mein Erbe werden können oder wollen, so setze ich hiermit meinen Stiefsohn zu meinem alleinigen und uneingeschränkten Erben ein.

Anschließender Ersatzerbe anstelle meines Stiefsohnes ist dessen Ehegattin ….

Die Einsetzung meines Stiefsohnes bzw. seiner Ehefrau erfolgt mit Rücksicht darauf, daß diese sich um uns rührend bemühen, während die anderen Kinder meiner Ehefrau sich nicht in der zu erwartenden Weise um uns kümmern.

Gestützt auf dieses Testament beantragte der Beteiligte zu 2 einen Alleinerbschein. Diesen Antrag wies das Nachlaßgericht am 18.7.1994 zurück. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, daß die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2 im Testament vom 21.1.1992 unwirksam sei. Der Änderungsvorbehalt im Erbvertrag vom 2.12.1977 habe dem Erblasser das Recht eingeräumt, die dort verfügte Schlußerbeneinsetzung zugunsten des Beteiligten zu 1 nach dem Tod der Ehefrau, nicht aber während des Bestehens der Ehe aufzuheben. Die vom Beteiligten zu 2 gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluß vom 6.2.1995 zurück. Mit der hiergegen eingelegten weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 2 seinen Erbscheinsantrag weiter. Der Beteiligte zu 1 beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Anweisung des Nachlaßgerichts, dem Beteiligten zu 2 den von ihm beantragten Erbschein zu erteilen.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Testament vom 21.1.1992 sei für die Erbfolge nicht maßgebend, weil die Testierfreiheit des Erblassers durch den Erbvertrag vom 2.12.1977 beschränkt gewes...

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