Leitsatz (amtlich)

1. Die maschinell erstellte Überschrift "Testament" führt nicht zur Nichtigkeit des handschriftlich geschriebenen Testaments, wenn der eigenhändig geschriebene Teil als selbständige Verfügung für sich einen abgeschlossenen Sinn ergibt.

2. Bei Auslegung des Begriffs der Testierunfähigkeit kann das Vorhandensein einzelner rudimentär vorhandener intellektueller Fähigkeiten zurücktreten ggü. der als vorrangig anzusehenden Befähigung des Erblassers, sich über die für und gegen die sittliche Berechtigung einer letztwilligen Verfügung sprechenden Gründe ein klares Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln.

 

Normenkette

BGB §§ 2085, 2247, 2229 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Beschluss vom 12.10.2004; Aktenzeichen 4 T 2411/02)

AG Memmingen (Aktenzeichen VI 1258/01)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des LG Memmingen vom 12.10.2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 46.144 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die im Alter von 82 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet. Die Beteiligten zu 1) bis 4) sind ihre ehelichen Kinder.

Die Erblasserin hat am 1.10.2000 eine eigenhändig ge- und unterschriebene letztwillige Verfügung unter der maschinenschriftlich gefertigten Überschrift "Testament" verfasst mit folgendem Wortlaut:

"Zum alleinigen Erben meines gesamten Vermögens bestimme ich meinen Sohn (= Beteiligter zu 1))."

Diese Verfügung wurde auf vorgezogenen Linien geschrieben, die Schriftführung ist ungelenk und ungleichmäßig.

Der Nachlass besteht aus dem hälftigen Anteil einer Immobilie sowie beweglicher Habe im Gesamtwert von 123.050 EUR.

Der Beteiligte zu 1) hat, gestützt auf das Testament vom 1.10.2000, die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerbe ausweist. Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind diesem Antrag entgegengetreten und haben ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins auf Grund gesetzlicher Erbfolge beantragt. Nach ihrer Auffassung war die Erblasserin zum Zeitpunkt der Abfassung des Testaments wegen der Folgen eines 1998 erlittenen Schlaganfalls nicht mehr testierfähig. Der Beteiligte zu 1), der seit Jahrzehnten mit der Erblasserin zusammen gewohnt und sie in ihren letzten Jahren versorgt und betreut hat - von 1999 bis Oktober 2001 als ihr bestellter Betreuer -, behauptet, der Gesundheitszustand der Erblasserin habe sich zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung deutlich gebessert. Er habe der Erblasserin bei Abfassung des Testaments geringfügige Schreib- und Formulierungshilfe gegeben und als logischen Inhalt ihrer geäußerten Befürchtungen, "was wird aus Dir? Was wird aus dem Hund? Werdet ihr da bleiben können?", bei der Formulierung des endgültigen Testamentstextes geholfen. Dieser sei von ihr inhaltlich verstanden worden.

Das Nachlassgericht hat zur Frage der Testierfähigkeit zahlreiche schriftliche Stellungnahmen erholt: von den behandelnden Ärzten, sowie von den mit dem Betreuungsverfahren befassten Personen. Ferner hat das Nachlassgericht ein psychiatrisches Gutachten eingeholt.

Mit Beschl. v. 28.11.2002 hat das AG einen Vorbescheid erlassen, in dem es die Bewilligung eines Erbscheins mit einer Erbquote von jeweils ¼ für jeden der vier Beteiligten angekündigt hat. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt, woraufhin das AG wieder in die Beweisaufnahme eingetreten ist und drei Zeugen vernommen sowie eine mündliche Erörterung des Sachverständigengutachtens durchgeführt hat. Mit Beschl. v. 19.3.2003 hat das AG der Beschwerde des Beteiligten zu 1) nicht abgeholfen. Das LG hat mit Beschl. v. 12.10.2004 die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er seinen Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins weiterverfolgt.

Das AG hat am 15.11.2004 einen Erbschein entsprechend dem Vorbescheid erteilt.

II. Die weitere Beschwerde ist mit dem Ziel der Einziehung des erteilten und der Erteilung eines neuen Erbscheins zulässig (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 und 4, § 20 FGG; BayObLG v. 2.6.1982 - BReg. 1 Z 45/81, BayObLGZ 1982, 236 [239]), jedoch nicht begründet.

1. Das LG hat ausgeführt, der Vorbescheid des AG sei nicht zu beanstanden; zur Begründung werde vollinhaltlich auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie des Nichtabhilfebeschlusses verwiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass die mittels Computer geschriebene Überschrift des Testaments nicht zu dessen Nichtigkeit führe, da davon auszugehen sei, dass die Erblasserin den übrigen Teil auch ohne diesen unwirksamen Verfügungsteil geschrieben hätte. Es beständen ferner keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen sei. Bei der Beurteilung dieser Frage sei von den vom Nachlassgericht erholten schriftlichen Stellungnahmen sowohl der behandelnden Ärzte, als auch der im Rahmen des Betreuungsverfahrens tätig gewesenen Personen a...

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