Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Bewertung eines in der ehemaligen DDR gelegenen Grundstücks ist auf den Zeitpunkt abzustellen, ab dem der Erbe rechtlich und wirtschaftlich die volle Verfügungsmacht über das Grundstück erhalten hat. Das ist der 3.10.1990, der Zeitpunkt, an dem die staatliche Einheit Deutschlands wiederhergestellt wurde.

2. Entsprechend § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO sind alle ausreichenden Anhaltspunkte für einen den Einheitswert übersteigenden Wert heranzuziehen, um dem Verkehrswert des Grundstücks, also dem gemeinen Wert im Sinn von § 19 Abs. 1 KostO, möglichst nahe zu kommen.

 

Normenkette

KostO § 19 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 17.01.1994; Aktenzeichen 16 T 11096/93)

AG München (Aktenzeichen 66 VI 4531/75)

 

Tenor

I. Der Beschluß des Landgerichts München I vom 17. Januar 1994 wird dahin abgeändert, daß der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 977 141 DM festgesetzt wird.

II. Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

1. Die verwitwete Erblasserin ist im Jahr 1975 verstorben. Der Beteiligte zu 1 ist der Sohn der Erblasserin; die weiteren Söhne A und B waren vorverstorben. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Kinder des vorverstorbenen Sohnes A, die Beteiligte zu 4 ist dessen Witwe. Auch der vorverstorbene Sohn B hatte zwei Kinder und eine Witwe hinterlassen.

Der Nachlaß der Erblasserin bestand zum einen aus einem Haus in Leipzig, dessen Einheitswert zum 1.1.1935 auf 84 000 RM festgestellt worden war; das Anwesen wurde im Jahr 1991 um 1 384 000 DM verkauft. Zum anderen gehörte zum Nachlaß ein von der Erblasserin geltend gemachter Anspruch auf Lastenausgleich für ein Rittergut, das von der sowjetischen Besatzungsmacht nach dem Krieg entschädigungslos enteignet worden war. Der Beteiligte zu 1 erhielt hierfür einen Lastenausgleich von 39 470 DM, der einschließlich Zinsen mit 76 713 DM an ihn ausbezahlt wurde.

Die Erblasserin hinterließ u.a. ein handschriftliches Testament vom 28.3.1969, in dem sie den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben eingesetzt hatte. Dem Beteiligten zu 1 wurde deshalb antragsgemäß am 8.9.1975 ein Erbschein erteilt, der ihn als alleinigen Erben auswies.

2. Mit Beschluß des Nachlaßgerichts vom 1.3.1993 wurde der Erbschein vom 8.9.1975 wegen Unrichtigkeit eingezogen, weil dem Testament vom 28.3.1969 ein Erbvertrag vom 12.1.1931 entgegenstehe, in dem die drei Söhne der Erblasserin zu Erben eingesetzt worden seien.

Gegen die Einziehung des Erbscheins legte der Beteiligte zu 1 Beschwerde ein, weil die Erbeinsetzung im Erbvertrag einseitig und nicht vertragsmäßig erfolgt sei. Selbst wenn man jedoch von einer vertragsmäßigen Bindung ausgehe, seien ihm die Erbteile seiner Brüder gemäß § 2094 BGB angewachsen. Die Beteiligten zu 2 bis 4 traten der Beschwerde entgegen.

3. Mit Beschluß vom 23.8.1993 hat das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 1,2 Mio DM festgesetzt. Bei der Wertfestsetzung sei von einem Gesamtnachlaßwert von 1,8 Mio DM auszugehen, von dem nur 2/3, nämlich die Anteile der beiden verstorbenen Brüder des Beteiligten zu 1), im Streit gestanden hätten.

Der Beschwerde des Beteiligten zu 1, der gemäß § 107 Abs.2 KostO den Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalles für maßgeblich ansah und einen Beschwerdewert weit unter 100 000 DM anstrebte, hat das Landgericht mit Beschluß vom 17.1.1994 teilweise abgeholfen und den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 85 657 DM festgesetzt. Das Landgericht hat dabei bezüglich des Grundstücks in Leipzig den Einheitswert 1935 in Höhe von 84 000 DM als Nachlaßwert zum Todeszeitpunkt für angemessen gehalten. Hinsichtlich des enteigneten Rittergutes stünde den Erben kein Rückübertragungsanspruch, sondern über den bereits erhaltenen Lastenausgleich von 39 470 DM hinaus nur ein Ausgleichsanspruch zu, dessen Umfang heute noch nicht kalkulierbar und daher als Wert mit 5 000 DM anzusetzen sei. Aus dem Gesamtnachlaßwert von 128 470 DM sei deshalb für das Beschwerdeverfahren ein 2/3-Wert von 85 657 DM festzusetzen.

Der Beteiligte zu 1 hat daraufhin seine weitergehende Geschäftswertbeschwerde zurückgenommen.

4. Hingegen haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 bis 4 gegen den landgerichtlichen Beschluß vom 17.1.1994 Beschwerde eingelegt, mit der sie die Wiederherstellung des im Beschluß des Landgerichts vom 23.8.1993 festgesetzten Geschäftswerts anstreben. Aufgrund des dem Gericht bei der Festsetzung des Beschwerdewerts gemäß § 30 Abs.1

KostO zustehenden Ermessens sei hinsichtlich des Hausgrundstücks in Leipzig nicht vom Wert im Zeitpunkt des Erbfalls auszugehen, sondern von dessen durch den Kaufpreis dokumentierten Verkehrswert nach der deutschen Wiedervereinigung, der das Beschwerdeinteresse ausgemacht habe. Hinsichtlich des Lastenausgleichs hätten die Beteiligten um den Gesamtbetrag von 76 713 DM einschließlich der Zinsen gestritten, der auch als Wert zugrundezuleg...

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