Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentserrichtung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wie sich aus § 2249 Abs. 1 Satz 1 BGB, aber auch § 2249 Abs. 1 Satz 4 BGB i.V.m. § 8 BeurkG ergibt, setzt auch das durch mündliche Erklärung gegenüber dem Bürgermeister als Urkundsperson errichtete Nottestament für seine Gültigkeit zwingend eine Niederschrift voraus.

2. Die Aufnahme des Inhalts der Niederschrift auf Band als Diktat zu Lebzeiten des Erblassers genügt daher, nicht, wenn die Niederschrift selbst erst nach dem Tod des Erblassers hergestellt und von den noch lebenden Beteiligten unterzeichnet wird.

 

Normenkette

BGB § 2249 Abs. 1 S. 4; BeurkG § 8

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 12.05.1995; Aktenzeichen 2 T 4924/93)

AG Wolfratshausen (Aktenzeichen VI 608/92)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 12. Mai 1995 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß die Sache an das Amtsgericht Wolfratshausen zurückverwiesen wird.

II. Die Beteiligte zu 4 hat den Beteiligten zu 1 bis 3 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Die Erblasserin ist im Jahr 1992 in einem Krankenhaus verstorben. Sie war verwitwet und hinterließ einen ehelichen Sohn, der im Jahr 1993 verstorben und von der Beteiligten zu 4 allein beerbt worden ist. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Eltern der Erblasserin.

Die Erblasserin hat am Tag vor ihrem Tod im Krankenhaus vor dem Bürgermeister in Gegenwart von zwei Zeugen ein Nottestament errichtet. Über die Errichtung liegt eine auf den 2.9.1992 datierte Niederschrift vor, die während des Errichtungsaktes vom Bürgermeister auf Band gesprochen, nach dem Tod der Erblasserin schriftlich niedergelegt und vom Bürgermeister sowie von den beiden Zeugen unterschrieben worden ist. Ausweislich dieser Niederschrift hat die Erblasserin zunächst mündlich ihren letzten Willen erklärt und dem Bürgermeister sodann ein als Testament bezeichnetes, maschinengeschriebenes offenes Schriftstück übergeben, in dem dieser Wille festgehalten ist. Dieses Schriftstück ist der Erblasserin vorgelesen und von ihr unterzeichnet worden. Danach hat es der Bürgermeister mit Orts- und Datumsangabe versehen und unterschrieben, auch die beiden Zeugen haben unterzeichnet. Nach dem Inhalt des Schriftstücks hat die Erblasserin ihren Sohn zum Alleinerben eingesetzt. Den Beteiligten zu 2 und 3 hat sie vermächtnisweise ein Wohnrecht an einem Haus in Italien zugewandt. Dieses Haus bezeichnet die Erblasserin in dem Schriftstück als ihr ausschließliches Vermögen. Ferner hat sie Testamentsvollstreckung bis zur dinglichen Sicherung des Wohnrechts angeordnet, den Beteiligten zu 1 zum Testamentsvollstrecker ernannt und die Beteiligten zu 2 und 3 als „Nach- bzw. Ersatzerben” bezeichnet.

Der Beteiligte zu 1 hat beantragt, ihm ein Zeugnis über seine Ernennung zum Testamentsvollstrecker zu erteilen. Der Sohn der Erblasserin hat die Auffassung vertreten, daß das Testament formungültig sei, und einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben kraft Gesetzes ausweisen soll. Der Nachlaßrichter hat mit Beschluß vom 5.7.1993 den Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses abgelehnt und in Nr. 2 des Entscheidungssatzes bestimmt:

„Es wird festgestellt, daß …(Sohn der Erblasserin) auf Grund Gesetzes alleiniger Erbe geworden ist. Die Erteilung des Erbscheins soll durch den Rechtspfleger erfolgen. Insoweit verbleibt es bei der mit Beschluß vom 15.01.1993 gemäß § 16 Abs. 2 Rechtspflegergesetz erfolgten Übertragung.”

Die Beteiligten zu 1 bis 3 haben hiergegen Beschwerde eingelegt, und zwar der Beteiligte zu 1, soweit die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses abgelehnt worden war, die Beteiligten zu 2 und 3, soweit die Feststellung unterblieben ist, daß sie zu gleichen Teilen als Nacherben des Sohnes eingesetzt seien. Das Landgericht hat, nach Klärung der Erbfolge nach dem zwischenzeitlich verstorbenen Sohn, mit Beschluß vom 12.5.1995 die Entscheidung des Nachlaßgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts zurückgegeben. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4 ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Erblasserin habe ein wirksames Nottestament errichtet. Daher seien die darin getroffenen Verfügungen wirksam, es sei nicht gesetzliche Erbfolge eingetreten. Die Niederschrift vom 2.9.1992 sei zwar erst nach dem Tod der Erblasserin erstellt worden. Jedoch sei die gemäß § 2249 BGB erforderliche Niederschrift in der maschinenschriftlichen, mit „Testament” überschriebenen Urkunde zu sehen. Diese Urkunde sei der Erblasserin vorgelesen und von ihr, dem Bürgermeister und den Zeugen unterzeichnet worden. Damit habe die Erblasserin anerkannt, daß ihre vorangegangenen mündlichen Erkläru...

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