Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage, ob aus einem landwirtschaftlichen Betrieb ein erheblicher Teil eines Familieneinkommens erwirtschaftet werden kann, ist nicht auf den Lebensbedarf des konkreten Inhabers, sondern auf den Bedarf einer bäuerlichen Durchschnittsfamilie abzustellen.

2. Zu den Anforderungen an den Nachweis der Leistungsfähigkeit des Betriebes und zur Feststellungslast in diesem Fall.

 

Normenkette

KostO § 19 Abs. 4, § 156; FGG §§ 12, 15

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 4 T 8764/99)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 11.9.2002 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Der beteiligte Notar beurkundete am 30.4.1999 die Übergabe mehrerer Grundstücke von insgesamt 4,5459 ha Fläche, beschrieben als Wohnhaus, Wirtschaftsgebäude, Gebäude- und Freifläche, Grünland und Acker-Grünland, von den Eltern des Beteiligten an diesen. In der Urkunde wurde die Auflassung der Grundstücke an den Beteiligten und die Bestellung eines Leibgedings für die Eltern des Beteiligten erklärt, dessen wesentlicher Inhalt in einem Wohnungsrecht, der Gewährung täglicher Kost und jederzeitiger Wart und Pflege, jeweils lebenslang, besteht.

In der Kostenrechnung, die der beteiligte Notar dem Beteiligten am 3.5.1999 übersandte, wurde, ausgehend vom Verkehrswert der Grundstücke, ein Geschäftswert von 667.000 DM angenommen.

Mit seiner Beschwerde hiergegen begehrte der Beteiligte die Anwendung des Landwirtschaftsprivilegs und damit die Heranziehung des vierfachen Einheitswertes der Grundstücke.

Das LG hob mit Beschluss vom 12.3.2001 die Kostenrechnung des beteiligten Notars auf, wies den Notar an, unter Anwendung der Bewertungsvorschrift des § 19 Abs. 4 KostO eine neue Kostenrechnung zu erstellen und ließ die weitere Beschwerde zu.

Auf die weitere Beschwerde des beteiligten Notars hiergegen hob der Senat am 16.5.2001 die Entscheidung des LG auf und verwies die Sache an das LG zurück.

Das LG hat mit Beschluss vom 11.9.2002 erneut so entschieden, wie bereits mit Beschluss vom 12.3.201.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des beteiligten Notars vom 8.10.202.

II. Die vom LG zugelassene weitere Beschwerde ist statthaft und auch i.Ü. zulässig (§ 156 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 4 S. 1 KostO). Sie ist in der Sache begründet.

1. Das LG stützt die Anwendung des Landwirtschaftsprivilegs (§ 19 Abs. 4 KostO) darauf, dass im Zeitpunkt der Hofübergabe mit dem Betrieb nachhaltig und dauerhaft ein Gewinn von mindestens 1.000 DM pro Monat zu erzielen sei. Die entsprechende Feststellung trifft es aufgrund der Angaben des Beteiligten.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 156 Abs. 2 S. 3 KostO, § 546 ZPO).

a) In materiellrechtlicher Hinsicht ist das LG allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die von ihm zugrunde gelegten Tatsachen die Anwendung des Landwirtschaftsprivilegs (§ 19 Abs. 4 KostO) rechtfertigen würden.

Nach der Rechtsprechung des Senats fallen unter dieses Privileg nur solche land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe, die den Unterhalt einer bäuerlichen Familie ganz oder teilweise sichern können (vgl. BayObLG v. 9.7.1992 – 3Z BR 33/92, BayObLGZ 1992, 231 [233] = BayObLGReport 1993, 5 und zu den Einzelheiten den im vorliegenden Verfahren ergangenen, den Beteiligten bekannten Beschluss des BayObLG v. 16.5.2001 – 3 Z BR 131/01, NJW-RR 2001, 1366). Dabei ist, da § 19 Abs. 4 KostO auf die Leistungsfähigkeit des Betriebes als solchen abstellt und dessen Fortbestand sichern will, ein objektiver Maßstab anzulegen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Betrieb zum konkreten je nach den persönlichen Umständen unterschiedlichen Lebensbedarf seines derzeitigen Inhabers wesentlich beiträgt. Maßgebend ist vielmehr, ob der Betrieb geeignet ist, einen wesentlichen Beitrag zum Unterhalt einer bäuerlichen Durchschnittsfamilie zu leisten. Dem entspricht es, dass die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang auf die objektiven Abgrenzungskriterien in landwirtschaftlichen Gesetzen gleicher Zielsetzung wie das Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft – LaFG – und das Gesetz über die Altershilfe für Landwirte – GAL – zurückgreift (vgl. die Nachweise im erwähnten Beschluss des BayObLG v. 16.5.2001 – 3 Z BR 131/01, NJW-RR 2001, 1366).

Da nach dem Willen des Gesetzgebers ggf. auch die nebenberufliche Führung des Betriebes genügen soll (vgl. BT-Drucks. 11/2343, 7), kann hinsichtlich der Höhe dieses Beitrags nicht auf den vollen Unterhaltsbedarf einer bäuerlichen Durchschnittsfamilie abgestellt werden. Der Senat hat es in einer früheren Entscheidung (BayObLG FamRZ 1997, 831) genügen lassen, dass aus dem Betrieb ein jährlicher Überschuss von ca. 8.600 DM erwirtschaftet wird, zu dem Fördermittel i.H.v. 4.000 bis 4.500 DM im Jahr hinzutreten. Die Auffassung des LG, die nachhaltige und dauerhafte Erzielung eines Gewinns von mindestens 1.000 DM im Monat reiche unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit des Betriebes zur Gewährung des...

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