Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung einer syrischen Ehescheidung. Konkludente Rechtswahl in einem nach syrischem Recht geschlossenen Ehevertrag. Formerfordernisse für die Rechtswahlerklärung durch einen vor einem Sharia-Gericht beurkundeten Ehevertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur konkludenten Rechtswahl des Ehewirkungsstatuts in einem in Syrien nach syrischem Recht geschlossenen Ehevertrag.

2. Der vor einem Scharia-Gericht beurkundete Ehevertrag, der eine Vereinbarung über den gemeinsamen Wohnort, über die Morgengabe und das anzuwendende Recht enthält, genügt der für die Rechtswahlerklärung vorgeschriebenen Form des Art. 14 Abs. 4 Satz 2 EGBGB.

 

Normenkette

EGBGB Art. 5 Abs. 1 S. 2, Art. 14, 17; FamRÄndG Art. 7 § 1; FamRÄndG § 2

 

Verfahrensgang

Bayerisches Staatsministerium der Justiz München (Entscheidung vom 27.09.1996; Aktenzeichen 3465 E-I-786/95)

 

Tenor

I. Die Entscheidung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 27. September 1996 wird aufgehoben.

II. Auf den Antrag des Ehemannes wird festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der am 29. Dezember 1993 vor dem Scharia-Gericht in Aleppo (Syrien) ausgesprochenen und dort am selben Tag eingetragenen sowie im Zivilregister des Standesamts von Aleppo registrierten Scheidung gegeben sind.

III. Die Gebühr für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde wird auf 200 DM festgesetzt. Sie ist vom Ehemann zu entrichten.

 

Tatbestand

I.

Beide Eheleute sind in Aleppo/Syrien geboren und sind Muslime. Die Ehefrau ist von Geburt syrische Staatsangehörige. Der Ehemann besitzt neben der durch Geburt erworbenen syrischen Staatsangehörigkeit seit 1987 auch die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung.

Die Eheleute schlossen am 17.6.1989 vor dem geistlichen Gerichtshof in Aleppo (Syrien) die Ehe. In der Heiratsurkunde des „Geistlichen Gerichtshofs in Aleppo” vom 18.6.1989 ist das Brautgeld (Morgengabe und Abendgabe) festgesetzt und sind folgende Vereinbarungen beurkundet (Text in Übersetzung eines vereidigten Dolmetschers):

Sonderbedingungen:

Der Ehemann hat seiner Frau die Vorbedingung auferlegt, sie müsse mit ihm zum dauernden Aufenthalt ins Ausland reisen, insbesondere in die BRD.

Text des Ehevertrags

Am heutigen Tag, Sonnabend, den 17. Juni 1989, sind vor uns im Elternhaus der Ehefrau, auf der T.-Straße in Aleppo die zwei vorgenannten Parteien erschienen, die, in der Gegenwart der Zeugen, die sie kennen, erklärt haben, daß sie, in der Bejahungs- und Annahmefassung, die Ehe eingehen wollen.

Die Ehe wurde gegen das vorgenannte Brautgeld und gemäß den islamrechtlichen und gesetzlichen Grundsätzen geschlossen.

Diese Urkunde wurde von mir, dem gesetzlichen Vertreter seiner Eminenz, des religiösen Richters, abgefaßt und von uns allen unterschrieben.

Unterschriften der Zeugen und der Eheleute

Ehevertrag beglaubigt und genehmigt

Der religiöse Scharia-Richter.

Die Eheleute lebten nach der Hochzeit in Deutschland, wo der Ehemann beruflich tätig war. Im Jahr 1992 kehrte die Ehefrau nach Syrien zurück, während der Ehemann und das gemeinsame Kind weiterhin in Deutschland blieben, wo sie auch heute noch leben. Am 29.12.1993 erklärten die Eheleute vor dem Scharia-Gericht in Aleppo (Syrien) die Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen. Mit Urkunde des „legalen Gerichts in Aleppo” bestätigte der Richter durch Urteil die auf gütlichem Weg erklärte Scheidung und stellte die Rechtskraft des Urteils fest. Die Scheidung wurde am 5.1.1994 im Zivilregister in Aleppo eingetragen.

Das Bayerische Staatsministerium der Justiz wies den Antrag des Ehemannes auf Anerkennung der am 29.12.1993 vor dem Scharia-Gericht in Aleppo (Syrien) ausgesprochenen Scheidung der Eheleute am 27.9.1996 zurück, weil nach deutschem Internationalem Privatrecht die Scheidung der Eheleute nach deutschem Recht zu beurteilen sei und dieses eine Privatscheidung nicht zulasse. Der Ehemann hat mit Schriftsatz vom 14.3.1997 beantragt, die Entscheidung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz aufzuheben und festzustellen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der am 29.12.1993 vor dem Scharia-Gericht in Aleppo (Syrien) ausgesprochenen Scheidung gegeben sind. Er wies insbesondere darauf hin, daß beide Eheleute wieder verheiratet seien. Die Ehefrau wurde im gerichtlichen Verfahren angehört. Auf ihren Antrag wurde ihr Prozeßkostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet. Sie ist dem Antrag des Ehemannes auf Anerkennung der Scheidung zunächst unter Berufung auf den zwischen den Eheleuten bestehenden Streit über das Sorge- und Umgangsrecht für das gemeinsame Kind entgegengetreten. Nachdem sich die Eheleute über das Umgangsrecht der Ehefrau geeinigt haben, hat die Ehefrau zuletzt erklärt, dem Antrag auf Anerkennung der Scheidung nunmehr zuzustimmen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über den Antrag des Ehemannes gemäß Art. 7 § 1 Abs. 4, Abs. 6 Satz 4 FamRÄndG, § 199 Abs. 1 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 3 AGGVG zuständig. Der zulässige Antrag ist ...

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