Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für ein bedingtes Testament

 

Leitsatz (redaktionell)

Auf letztwillige Verfügungen sind grundsätzlich auch die Vorschriften über Bedingungen der §§ 158 ff. BGB anwendbar. Ein bedingtes oder befristetes Testament liegt jedoch nur dann vor, wenn nicht nur der Form nach, sondern auch nach dem Willen des Erblassers eine echte Bedingung oder ein Anfangs- bzw. Endtermin gesetzt worden ist. Es muss deshalb der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, als Ganzes gewürdigt werden. Die bloße Angabe eines Beweggrundes stellt regelmäßig keine Bedingung dar.

 

Normenkette

BGB §§ 2077, 158 ff.

 

Verfahrensgang

LG Coburg (Beschluss vom 09.06.1983; Aktenzeichen T 42/83)

AG Coburg (Aktenzeichen VI 239/81)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Coburg vom 9. Juni 1983 wird als unbegründet zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 2) hat die Kosten zu erstatten, die der Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde erwachsen sind.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf DM 50 000,– festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

1. Am … 1981 verstarb in B. der ehemalige Musikclown P. D. (Erblasser) im Alter von 85 Jahren. Der in O. geborene Erblasser war deutscher Staatsangehöriger. Er hatte keine Kinder. Seine zweite Ehefrau war am 6.1.1962 verstorben.

Der letzte Wohnsitz des Erblassers war in C. Dort hatten er und die Beteiligte zu 1) im Juni 1962 das Haus P. Nr. 60 zu Miteigentum je zur Hälfte gekauft; von dem Kaufpreis von DM 70 000,– soll die Beteiligte zu 1) nach ihren Angaben DM 55 000,–, der Erblasser DM 15 000,– getragen haben. Der Erblasser und die Beteiligte zu 1) lebten in der Folgezeit bis etwa Mitte des Jahres 1977 zusammen in dem Hause, in dem mehrere Mietparteien wohnen. Sie heirateten nicht, weil die Beteiligte zu 1), eine Majorswitwe, dadurch ihre Pensionsansprüche verloren hätte. Um ihrer Verbindung wenigstens den kirchlichen Segen zu geben, verlobten sie sich am 26.1.1963 offiziell. Den Verlobungsgottesdienst hielt der Bezirks-Evangelist der Neuapostolischen Kirche, welcher der Erblasser und die Beteiligte zu 1) angehörten.

2. Am 9.8.1962 hatten der Erblasser und die Beteiligte zu 1) je ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament errichtet.

Das Testament des Erblassers lautet (Bl. 28 d.A.):

„… Testament

Meine letzte Wille für mein gesammtes Vermögen: Betrieb, Hausanteil, Bank-Kontis, Privat-Eigentum u.s.w. setze ich als Universalerbin meine Verlobte, die für mich bis ans Lebensende begleitete und für mich sorgte, Frau G. J., geb. H. ein.

Nach ableben Frau G. J., übergeht alles (beide Vermögen von P. D. und F. J. an den Sohn von Frau J., Herrn W. J.)

P. D.

… den 9. August 1962”.

Das Testament der Beteiligten G. J. lautet (Bl. 50 d.A.):

„Testament

Mein letzter Wille!

Für mein gesammtes Vermögen Hausanteil, Bankkonto u.s.w. setze ich als Universalerben meinen Verlobten, der mich bis zum Lebensende begleitete, und für mich Borgte Herrn P. D. ein. Nach ableben meines Verlobten, geht alles Vermögen von mir und P. D. an Meinen Sohn W. J.

G. J.

… den 9. August 1962”

Die beiden Testamente wurden am 16.4.1982 vom Sohn der Beteiligten zu 1) beim Ausräumen des Schlafzimmers des Erblassers zwischen der Schublade und der Rückwand einer Frisierkommode aufgefunden.

3. Mitte das Jahres 1977 verließ die Beteiligte zu 1) den Erblasser; sie konnte nach ihren Angaben wegen eines Bronchialleidens das Klima in C. nicht mehr vertragen. Der Erblasser flehte sie in mehreren Briefen an, wieder zu ihm zurückzukehren. Ale er zu verwahrlosen begann, wurde für ihn am 16.7.1980 mit seiner Einwilligung eine Gebrechlichkeitspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Vermögenssorge angeordnet und das Stadtjugendamt C. zum Pfleger bestellt (Az. VIII 103/80 AG Coburg). Am 20.10.1980 wurde die Gebrechlichkeitspflegschaft auf den Wirkungskreis der Aufenthaltsbestimmung erweitert. Am 12.3.1981 wurde der Erblasser mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts in das Nervenkrankenhaus B. eingeliefert, wo er am 23.3.1981 verstarb.

4. Die Beteiligte zu 1) beantragte die Erteilung eines Erbscheins, in welchem, bezeugt werden soll, daß sie aufgrund des Testaments vom 9.8.1962 Alleinerbin und ihr Sohn nach ihrem Ableben Nacherbe sei.

Die Beteiligte zu 2), die Tochter der am 16.4.1969 verstorbenen Schwester des Erblassers, beantragte dagegen einen Erbschein, in dem ihr alleiniges gesetzliches Erbrecht bezeugt werden soll. Sie ist der Ansicht, die letztwillige Verfügung des Erblassers sei unwirksam, weil das Verlöbnis zwischen ihm und der Beteiligten zu 1) vor seinem Tode dadurch aufgelöst worden sei, daß diese ihn im Jahre 1977 endgültig verlassen habe.

Das Amtsgericht Coburg folgte der Meinung der Beteiligten zu 2). Es wies mit Beschluß vom 23.3.1983 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurück und kündigte gleichzeitig an, es werde, falls gegen diesen Beschluß nicht binnen zwei Wochen Beschwerde eingele...

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