Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.09.2002 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) wegen der psychischen Folgen eines von der Klägerin geltend gemachten sexuellen Missbrauchs besteht.

Die 1959 geborene Klägerin stellte im Juli 1995 Antrag auf Entschädigung nach dem OEG, weil sie von 1970/71 bis Herbst 1976 vom eigenen Vater wiederholt vergewaltigt worden sei und deshalb unter psychischen Erkrankungen mit Folgeerkrankungen im Magen-Darm-Bereich leide. Sie habe gegen ihren Vater, K. H., am 30.09.1994 Strafanzeige erstattet.

Der Beklagte führte umfangreiche Ermittlungen durch: Er holte Auskünfte der AOK C., AOK O. und KKH C. ein und zog Unterlagen des Bezirksklinikums K., der Nervenklinik B., des Nervenarztes Dr. E. sowie des Allgemeinarztes Dr. S. bei. Es wurden auch die Akten der BfA mit einem Gutachten des Nervenarztes Dr. K. und ärztlichen Entlassungsberichten nach mehreren stationären Reha-Maßnahmen in der K.klinik in Bad D. (zuständiger Stationsarzt: Nervenarzt Dr. S.) sowie anderen Nervenkliniken ab April 1986 beigezogen; schließlich wurden auch die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht C. im Ermittlungsverfahren (Az: 5 Js 9359/94) gegen den Vater der Klägerin wegen der streitgegenständlichen Missbrauchsvorwürfe ausgewertet. In ihren polizeilichen Vernehmungen am 02.11. und 06.12.1994 gab die Klägerin an, ihr Vater habe sie wahrscheinlich im November 1971 in E. im Wohnhaus der Familie (das den Großeltern gehörte) in ihrem neuen Zimmer im Dachboden zum ersten Mal vergewaltigt. Ende Sommer/Anfang Herbst 1974 (nach ihrer Konfirmation im April 1974) sei sie von ihrem Vater im L. Forst im Auto missbraucht worden, ferner im Juli 1975 während eines Urlaubs der Familie in W. (ebenfalls in einem Zimmer im Dachboden, wobei die Klägerin sich während der Vergewaltigung aus dem Fenster habe lehnen müssen). Die Gewalttaten seien jahrelang an ihr begangen worden. In ihrer ersten polizeilichen Vernehmung am 02.11.1994 nach ihrer Strafanzeige sagte die Klägerin aus, das Vergangene sei ihr erst am Ende der Kur in Bad D. im Mai 1986 wieder bewusst geworden. Ihr Ehemann sei darüber informiert worden, was zu ehelichen Schwierigkeiten geführt habe. Wegen dieser Eheprobleme und wegen einer Zeitungsnotiz über sexuelle Verfehlungen ihres Vaters habe sie sich zur Strafanzeige gegen ihn entschlossen.

Diese Angaben der Klägerin zu dem an ihr begangenen sexuellen Missbrauch bestritten sowohl ihr beschuldigter Vater in seiner polizeilichen Vernehmung als auch die Geschwister der Klägerin (B. M., geb. 1961; A. H., geb. 1967), ferner I. K., geb. 1924, Großtante der Klägerin. Ein 1959 geborener Bruder verunglückte im Alter von 3 Jahren; er lebt angeblich in einem Pflegeheim.

Der o.g. Nervenarzt Dr. S. erklärte in Schreiben vom 11.01.1995 und 08.06.1995, dass sich die Klägerin ihm zum ersten Mal am 16.05.1986 und danach wiederholt bezüglich des Inzestgeschehens anvertraut habe, das typischerweise nach langer Verdrängung blitzartig im Rahmen einer therapeutischen Sitzung erinnert worden sei.

Nachdem die gegen den Vater der Klägerin ermittelnde Staatsanwaltschaft beim Landgericht C. ein aussagepsychologisches Gutachten (14.08.1995) über die Glaubwürdigkeit der Klägerin von der Dipl.-Psychologin L. eingeholt hatte, wonach deutliche inhaltliche Mängel der Aussagen der Klägerin - wie Konstanz- und Detaillierungsmängel - einen überzeugenden Nachweis der Zuverlässigkeit ihrer Angaben ausschlössen, stellte die Staatsanwaltschaft mit Bescheid vom 06.09.1995 das Verfahren gegen den Vater der Klägerin nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) ein. Ein sicherer Tatnachweis gegenüber dem Beschuldigten könne nicht geführt werden.

Aufgrund dieser Aktenlage lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16.01.1996 den Antrag der Klägerin auf Entschädigung nach dem OEG ab, weil die geltend gemachten Gewalttaten nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen seien. Gegen ihre Angaben spreche auch das von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene Glaubwürdigkeitsgutachten.

Zur Begründung ihres Widerspruchs setzte sich die Klägerin in einem 29 Seiten umfassenden Schreiben kritisch mit dem Gutachten der Dipl.-Psychologin L. auseinander. Die Klägerin wurde anschließend am 24.04.1996 vom Beklagten zum streitigen Sachverhalt einvernommen. Am 17.07.1996 wurde die Schwester der Klägerin als Zeugin vernommen. Am 20.08.1996 erging ein zurückweisender Widerspruchsbescheid, wonach auch jetzt nach Auswertung der Ermittlungsergebnisse der Nachweis für einen sexuellen Missbrauch nicht vorliege.

In der Beklagtenakte findet sich auch eine Gesprächsnotiz vom 21.08.1996 zwischen dem Sonderbetreuer des AVF B. und dem Vater der Klägerin, der angab, die Klägerin habe den...

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