nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Häusliche Krankenpflege. Behandlungssicherungspflege. Behandlungspflege. Grundpflege. Katheterisierung. Blasenentleerung. Haushalt. Abwesenheit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Erkrankung verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern.

2. Bei der Katheterisierung handelt es sich allgemein um eine nichtärztliche medizinische Fachpflege, die aber nicht notwendig von Fachkräften erbracht werden muss, in Abgrenzung zur Grundpflege um medizinisch indizierte und geprägte Hilfeleistungen.

3. Die tägliche Abwesenheit der Klägerin auf Grund einer Tätigkeit in einer Behindertenwerkstatt führt nicht zu einem Entfallen bzw. einer Verringerung der häuslichen Krankenpflege.

4. § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V begrenzt die Leistungspflicht der Krankenkasse nicht räumlich auf den Haushalt des Versicherten oder seiner Familie als Leistungsort und schließt medizinisch erforderliche Maßnahmen, die bei vorübergehenden Aufenthalten außerhalb der Familienwohnung anfallen, dann nicht aus, wenn sich der Versicherte ansonsten ständig in seinem Haushalt bzw. in dem Haushalt seiner Familie aufhält und dort seinen Lebensmittelpunkt hat.

5. Die Behandlungssicherungspflege wird durch die gleichzeitige Gewährung von Grundpflege als Leistung der sozialen Pflegeversicherung nur ausgeschlossen, wenn die benötigten Maßnahmen der Behandlungspflege bereits bei den Leistungen der Pflegeversicherung berücksichtigt worden sind.

6. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen (Behandlungspflege) sind bei der Feststellung des individuellen Hilfebedarfs im Bereich der Grundpflege (nur dann) zu berücksichtigen, wenn sie entweder Bestandteil der Hilfe bei einer der Verrichtungen des § 14 Abs. 4 Nrn.1 bis 3 SGB XI sind oder wenn sie aus medizinisch-pflegerischen Gründen in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dieser Hilfe erforderlich werden.

7. Die Katheterisierung fällt nicht unter die in § 14 Abs. 4 Nr.1 SGB XI genannte gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtung der Blasenentleerung; sie wird daher der Grundpflege nicht zugeordnet, steht auch nicht in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit ihr und bleibt somit Teil der Behandlungspflege.

 

Normenkette

SGB V § 37 Abs. 2; SGB XI § 14 Abs. 4 Nr. 1, § 34 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Regensburg (Entscheidung vom 09.10.2003; Aktenzeichen S 2 KR 87/03)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.11.2005; Aktenzeichen B 3 KR 42/04 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten wird mit der Massgabe zurückgewiesen, dass sie lediglich verpflichtet ist, die Klägerin von den Kosten der Katheterisierung für die Zeit vom 27.10.2002 bis 31.12.2002 ein Mal täglich an 4 Tagen der Woche freizustellen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch der Berufung zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist häusliche Krankenpflege (Katheterisierung der Blase) vom 27.10.2002 bis 31.12.2002.

Die 1983 geborene Klägerin war bis September 2002 bei der Beklagten familienversichert und ist seitdem deren Mitglied. Die Klägerin besuchte früher eine tagesstrukturierende Einrichtung in der P. Schule und arbeitete anschließend in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen in S,. Sie wohnt zuhause bei ihren Eltern und Geschwistern; Betreuerin ist ihre Mutter.

Bei der Klägerin bestehen folgende Gesundheitsstörungen: 1. Zustand nach Verschluss einer thoracalen Meningomyelocele, 2. Shunt-versorgter Hydrocephalus, 3. Chiari-II-Fehlbildung, 4. Zustand nach Columnotomie 1992 und 5. Latexallergie (Arztbrief des Klinikum der Universität M. vom 19.02. 2002). Nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 09.6.1995 bestehen bei der Klägerin außerdem eine Blasen- und Mastdarmlähmung und eine Kyphoskoliose. Die Klägerin ist mit einem Rollstuhl versorgt. Sie erhält vom Landratsamt S. laufende Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Das Versorgungsamt Regensburg hat bei ihr einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, H und RF zuerkannt.

Das Gutachten des MDK, in dem Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe III seit April 1995 festgestellt wird, enthält die Bemerkung, dass die Mutter der Klägerin bei der Darm- und Blasenentleerung hilft und fünfmal 20 Minuten täglich die Klägerin katheterisiert.

Der Allgemeinarzt Dr.B. verordnete (nach dem Inhalt der Akten seit September 2002) häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung in Form von einmal täglicher Katheterisierung viermal wöchentlich. Auf die entsprechende vertragsärztliche Verordnung vom 13.09.2002, mit der die Katheterisierung vom 13. bis 30.09.2002 und anschließend bis 31.12.2002 für erforderlich gehalten wurde, hörte die Beklagte den MDK, der in der Stellungnahme vom 18.10.20...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge