Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen Darlehen und verschleierter Schenkung beim Arbeitslosengeld II

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Darlehen stellt kein Einkommen dar, wenn zum Zeitpunkt des Zuflusses eine Rückzahlungsvereinbarung abgeschlossen wurde. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen zur Abgrenzung von einer verschleierten Schenkung

 

Normenkette

SGB II § 11 Abs. 1 S. 1, §§ 7, 9, 13; SGB X § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 3; Alg II-V § 2 Abs. 4 S. 1; SGB III § 330 Abs. 3 S. 1; BGB § 488 Abs. 1

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 31.3.2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25.6.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2008 aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid streitig, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate Februar und April 2008 ganz aufgehoben hat und von der Klägerin die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von insgesamt 1.420,12 € fordert.

Die 1957 geborene Klägerin bezog ab dem 1.6.2006 Leistungen nach dem SGB II von der Beklagten. Seit dem 1.3.2009 erhält sie eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von 839,11 €. Im streitgegenständlichen Zeitraum bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 15.11.2007 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 31.5.2008 in Höhe von monatlich 710,06 € (Regelbedarf in Höhe von 347,00 €, Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 363,06 €).

Mit dem Weiterbewilligungsantrag vom 2.5.2008 legte die Klägerin Kontoauszüge vor, aus denen sich ergab, dass sie am 13.2.2008 sowie am 8.4.2008 eine Überweisung in Höhe von jeweils 1000 € von Frau G. erhalten hatte. Die Überweisungen waren mit dem Verwendungszweck "Darlehen" versehen. Die Klägerin legte einen handschriftlichen Darlehensvertrag vom 29.4.2008 vor, in dem bestätigt wurde, dass Frau G. die Zahlungen am 13.2.2008 und am 8.4.2008 auf das Konto der Klägerin überwiesen habe und die Rückzahlung auf Raten erfolgen solle, sobald die Klägerin wieder Arbeit gefunden hätte.

Am 14.5.2008 wurde die Klägerin nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur beabsichtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung angehört. Sie teilte daraufhin mit, dass ihre Freundin Frau G. ihr in einer schwierigen Lebenssituation helfen wollte und ihr daher ein Darlehen angeboten habe, das sie zurückzahlen könne, wenn sie wieder arbeiten könne und Arbeit habe. Ein schriftlicher Vertrag sei damals nicht geschlossen worden, da sie sich absolut vertrauten und dies auch auf den Kontoauszügen ersichtlich sei. Vor der neuen Beantragung der Leistungen habe ihr die Sachbearbeiterin geraten, einen Darlehensantrag beizulegen. Daher resultiere das rückwirkende Ausstellungsdatum. Das geliehene Geld sei kein Einkommen, sondern Geld zum Überleben, ein Privatkredit und sie zahle ihn wieder zurück.

Mit Bescheid vom 25.6.2008 hob die Beklagte die Entscheidung vom 15.11.2007 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.2.2008 bis 30.4.2008 in Höhe von 1.420,12 € auf. Die Klägerin habe während des genannten Zeitraumes Einkommen in Höhe von 1000 € erzielt. Die Zahlungen von Frau G. seien nicht als Darlehen zu werten, da die Vereinbarung rückwirkend abgeschlossen sei und keine konkreten Rückzahlungstermine enthalte. Sie seien somit gemäß § 11 Abs. 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Dieses Einkommen führe zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X). Daher seien in der Zeit vom 1.2.2008 bis 30.4.2008 Leistungen nach dem SGB II in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt. Diese Beträge seien nach § 50 SGB X zu erstatten.

Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2008 zurückgewiesen. Die der Klägerin von dritter Seite zur Verfügung gestellten Mittel sollten ausschließlich der Sicherung des Lebensunterhalts der Klägerin dienen. Konkrete Rückzahlungstermine seien dem Darlehensvertrag nicht zu entnehmen. Es sei keine Zinszahlung vereinbart worden. Bei Würdigung all dieser Umstände sei festzustellen, dass die Klägerin durch diese Mittel in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen so gestellt werde, dass eine Bedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II während der streitgegenständlichen Zeiträume nicht gegeben sei. Der Geldzufluss als Darlehen werde zu Recht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II berücksichtigt.

Am 20.11.2008 hat die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte Klage zum Sozialgericht München erhoben. Zur Klagebegründung hat diese vorgetragen, dass ein Darlehensvertrag nicht der Schriftform bedürfe, dass die Formulierung im Darlehensvertrag "zum Lebensunterhalt" von der Beklagten aufgezwungen worden sei und dass der zugeflossene Betrag kein Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II sei. Einkommen ...

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