Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeld: Berücksichtigung einer Jahressonderzahlung bei der Berechnung der Höhe

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Jahressonderzahlungen mit Mischcharakter, mit denen sowohl die erbrachte Arbeitsleistung entlohnt als auch eine Belohnung der Betriebstreue (als sog. Gratifikation) gegeben werden soll, sind nur zu 3/12 des Gesamtbetrages durch Insolvenzgeld gesichert.

2.) Lässt sich anhand der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht feststellen, ob eine Jahressonderzahlung mit reinem Entgeltcharakter, eine Belohnung der Betriebstreue oder eine Jahressonderzahlung mit Mischcharakter vorliegt, ist davon auszugehen, dass lediglich eine zusätzliche Vergütung für die in der Vergangenheit geleistete Arbeit bezweckt wird. Die Sonderzahlung ist in diesen Zweifelsfällen zu 3/12 durch Insolvenzgeld gesichert.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16.08.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Insolvenzgeldes.

Der Kläger arbeitete ab dem 15.11.2002 bei der Firma B. M. GmbH, deren Firmenname ab 29.10.2007 in B-Stadt M. GmbH geändert wurde, als Mitarbeiter in der Instandhaltung. Am 01.09.2009 wurde über das Vermögen dieser Firma das Insolvenzverfahren eröffnet.

Am 14.09.2009 beantragte der Kläger Insolvenzgeld für die ausgefallenen Arbeitsentgelte von Juni bis August 2009.

Mit streitigem Bescheid vom 23.09.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.06.2009 bis 31.08.2009 in Höhe von 7.102,03 €.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.10.2009 bei der Beklagten Widerspruch. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass bei der Berechnung des Insolvenzgeldes die Jahressonderzuwendung aus § 5 des Arbeitsvertrages (zur Zahlung fällig mit dem Junigehalt in Höhe von 60 % und mit dem Novembergehalt in Höhe von 40 %) in voller Höhe und nicht nur zu 3/12 zu berücksichtigen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen erhob der Kläger am 08.02.2010 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG).

Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 16.08.2011 abgewiesen.

Das SG hat zur Begründung ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld habe, wenn bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt bestanden. Unter Arbeitsentgelt im Sinne der o.g. Vorschrift sei alles zu verstehen, was als Gegenwert für die Arbeitsleistung anzusehen sei. Nach dem Grundschutzgedanken des Insolvenzgeldrechts soll ein Arbeitnehmer ausgefallenen Lohn für die innerhalb der letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis bereits erbrachte Arbeitsleistung erhalten.

Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages vom 15.11.2002 könne der Kläger nur die anteilige Zahlung der Jahressonderzuwendung (3/12) als Insolvenzgeld verlangen. Entsprechend dem Inhalt des Arbeitsvertrages (§ 5 Sonderzuwendung) stehe dem Kläger jährlich eine Sonderzuwendung in Höhe von 1,2 Bruttomonatsgehältern zu, die im Juni zu 60 % und im November zu 40 % zur Zahlung fällig gewesen sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne der Arbeitgeber, der eine Sonderzahlung zusagt, die Voraussetzungen bestimmen, unter denen der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Sonderzahlung haben soll. In diesem Zusammenhang könne er insbesondere festlegen, dass die Sonderzahlung nur solchen Arbeitnehmern gezahlt wird, die zu einem bestimmten Stichtag noch in einem Arbeitsverhältnis zum Betrieb stehen. Die Jahressonderzahlung sei somit bei der Berechnung des Insolvenzgeldes in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der Auszahlungszeitpunkt der Sonderzahlung im Insolvenzzeitraum liege und sich die Jahressonderzahlung nicht einzelnen Monaten zuordnen lasse. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Tarifvertrag oder der Arbeitsvertrag keine Staffelung enthalte bezüglich der Sonderzahlung für den Fall, dass ein Arbeitnehmer während des Jahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide.

Eine derartige Stichtagsregelung enthalte der Arbeitsvertrag vom 15.11.2002 nicht. In § 5 des Arbeitsvertrages sei lediglich geregelt, dass die Jahressonderzahlung zu 60 % mit dem Junigehalt und zu 40 % mit dem Novembergehalt auszuzahlen sei. Dies stelle ausschließlich eine Fälligkeitsabrede dar. Der Entgeltcharakter der Jahressonderzahlung ohne Stichtagsregelung zeige sich insbesondere daran, dass der Arbeitgeber in Kalenderjahren, in denen das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers nicht während des vollen Jahres bestand, die Jahressonderzuwendung nur für jeden vollen Monat der Betriebszugehörigkeit zu 1/12 zu zahlen habe.

Hiergegen hat der Kläger am 26.09.2011 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und mit Schriftsatz vom 17.11.2011 gelt...

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