Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsausfüllende Kausalität. wesentliche Teilursache. degenerativer Vorschaden. traumatischer Bandscheibenvorfall

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung eines Bandscheibenvorfalls als Folge eines Arbeitsunfalls.

2. Der Nachweis einer mitwirkenden degenerativen Vorschädigung bedeutet noch nicht, dass diese die rechtlich allein wesentliche Ursache eines Bandscheibenvorfalls ist, der auslösende Arbeitsunfall dagegen nur eine Gelegenheitsursache darstellt. Es genügt bereits, wenn der Arbeitsunfall eine wesentliche Teilursache bildet. Bei bestehendem Zusammenhang iS einer Conditio sine qua non zwischen Unfall und Bandscheibenvorfall kann den Unfalleinwirkungen die Bedeutung einer wesentlichen Teilursache nur dann abgesprochen werden, wenn die nachgewiesenen degenerativen Vorschädigungen den Unfall an Bedeutung für den Eintritt des Bandscheibenvorfalles eindeutig überwiegen.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 28.02.2002 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 18.05.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.07.1998 verurteilt, das Postdiscotomiesyndrom des Klägers als Folge des Arbeitsunfalls vom 04.09.1995 anzuerkennen und Verletztengeld zu leisten bzw. Verletztenrente nach einer MdE von 40 vH ab Mai 1996 zu gewähren.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Postdiscotomiesyndrom Folge des Arbeitsunfalls vom 04.09.1995 ist und deshalb Leistungen zu erbringen sind.

Der 1965 geborene Kläger erlitt am 04.09.1995 einen Arbeitsunfall. Sein Arbeitskollege H. (H), der eine mit Pistolen beladene, ca. 50 kg schwere, 1,00 - 1,20 m hohe Kiste verplombt hatte, wollte diese von einem Schiebewagen tragen. Der Kläger half ihm dabei. Beide Arbeitnehmer standen links und rechts von dem Schiebewagen. Beim Hochheben der Kiste ließ sie der Arbeitskollege los. Sie fiel in Richtung von H. Der Kläger hielt sich mit dem rechten Hand an der Kiste fest und wurde in weiter Rumpfvorbeuge ruckartig von der Kiste über den kleinen Schiebewagen seitlich hinweg gezogen. Er verspürte einen schmerzenden "Riss" in der Wirbelsäule und hatte starke Schmerzen im Bein. Er arbeitete dann noch drei Tage mit leichten Tätigkeiten weiter. Am dritten Tag ließ er sich zu Hause vom Notarzt wegen anhaltender Schmerzen eine Spritze geben. Ab dem 07.09.1995 war er bis 30.04.1996 arbeitsunfähig krank.

Am 12.09.1995 suchte er den Orthopäden Dr. C. auf, der bei ihm eine hartnäckige Lumboischialgie links mit diskreter Zehenheberschwäche bei größerem Bandscheibenvorfall links in Höhe L5/S1 feststellte. Außerdem fand er nach Durchführung eines CT vom gleichen Tag einen flachen, leicht raumfordernden Bandscheibenvorfall in Höhe LWK 4 - 5. Ab 20.09.1995 befand sich der Kläger in neurochirurgischer Behandlung bei Dr. P., anschließend vom 28.09. bis 06.10.1995 stationär in der R.klinik (1. Operation am 29.09.1995). Dort wurde als Diagnose ein sensomotorisches S1-Syndrom bei Bandscheibenvorfall mit operativer Bandscheibenentfernung (Nucleotomie) angegeben. In der Neurochirurgischen Klinik der Universität W. wurde er am 26.03.1996 wegen eines medio-lateralen Bandscheibenvorfalles L4/5 links und BandscheibeNr.ezidivvorfalles L5/S1 links operiert (Revisionsoperation). Von 1996 bis 1999 war er in regelmäßiger ambulanter Behandlung wegen weiterbestehender Schmerzen und Ausstrahlung in das linke Bein.

Die Beklagte zog Arzt- bzw. Befundberichte des Orthopäden Dr. C. vom 06.09.1996, des Neurochirurgen Dr. P. vom 09.10.1995/10.10.1995, des Neurologen Dr. S. vom 29.08.1996 sowie ärztliche Unterlagen des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zum Verfahren bei. Anschließend holte sie Befundberichte des Dr. C. vom 11.07.1997 und des Dr. P. vom 28.02.1997 sowie eine Auskunft der AOK W. vom 02.10.1996 über Vorerkrankungen des Klägers ein. Sodann erstellte der Orthopäde Dr. U. ein Gutachten am 13.04.1997. Er ging von einem Postnucleotomiesyndrom nach Bandscheibenvorfall - Operation L5/S1 mediolateral links am 29.09.1995 und Revisionsoperation eines Bandscheibenvorfallrezidivs L5/S1 links und eines mediolateralen Bandscheibenvorfalles L4/L5 links am 26.03.1996 aus. Zudem konnte er ein leichtes motorisch verbliebenes L5-Syndrom links sowie sensibles L5/S1-Syndrom links neben einer deutlichen Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule (LWS) diagnostizieren. Ein Vorschaden in der Lendenregion habe zwar vorgelegen, jedoch keine massive Störung. Das Unfallereignis sei aber eine wesentlich mitwirkende Teilursache für die geklagten Beschwerden gewesen. Der Arbeitsunfall sei mit einer MdE von 40 vH zu bewerten.

Nach Beiziehung des Gutachtens des Neurochirurgen Prof. Dr. B. vom 10.07.1997 (für das Landgericht W.) sowie Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme nach Aktenlage des Chirurgen Dr. R. vom 02.12.1997 veranlasste die Beklagte ...

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