Entscheidungsstichwort (Thema)

formeller Verwaltungsakt. Verrechnung einer Rentennachzahlung. Zulässigkeit der Verrechnungserklärung durch Verwaltungsakt

 

Orientierungssatz

1. Für bereits abgelaufene Rentenzahlungszeiträume, für die noch keine Rentenzahlung erfolgt ist - hier bei einer Verrechnung der Rentennachzahlung an die Krankenkasse, kann Sozialhilfebedürftigkeit rückwirkend nicht mehr eintreten. Hat der Versicherte im Nachzahlungszeitraum seinen Lebensunterhalt bestritten, ohne laufende Hilfe zum Lebensunterhalt iS des BSHG in Anspruch zu nehmen, so standen ihm tatsächlich ausreichende Mittel zur Finanzierung seines Lebensunterhalts zur Verfügung.

2. Eine Verrechnung kann zulässig in Form eines Verwaltungsaktes erklärt werden (Anschluss an BSG 21.7.1988 - 7 RAr 51/86 = BSGE 64, 17 = SozR 1200 § 54 Nr 13 und BSG vom 25.3.1982 - 10 RKg 2/81 = BSGE 53, 208 = SozR 1200 § 52 Nr 6 und BSG vom 18.2.1992 - 13/5 RJ 61/90 = SozR 3-1200 § 52 Nr 3).

3. Die Ansicht des 4. Senats des BSG, dass die Verrechnungserklärung nicht als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung im Wege eines Verwaltungsaktes erfolgen dürfe wird nicht geteilt (entgegen BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R = SozR 4-1200 § 52 Nr 1).

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 9. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verrechnung von Ansprüchen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge mit einem Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente.

Die Beklagte bewilligte dem 1935 geborenen Kläger auf dessen Antrag vom 23. Januar 2001 Regelaltersrente ab 1. November 2000. Sie setzte die laufende monatliche Zahlung der Rente ab 1. April 2001 auf 1.517,39 DM sowie die Nachzahlung für die Zeit vom 1. November 2000 bis 31. März 2001 auf 7.586,95 DM fest und behielt die Nachzahlung wegen möglicher Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger ein (Bescheid vom 16. Februar 2000).

Am 7. Oktober 1999 ging der Beklagten ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts W., Zweigstelle V., vom 21. September 1999 über eine Forderung der Vereinigten Sparkassen E., N., V. in Höhe von 40.523,63 DM zuzüglich Zinsen und Kosten sowie am 1. September 2001 eine Ermächtigung der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) zur Verrechnung einer Forderung auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu.

Mit Schreiben vom 7. März 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die DAK habe sie ermächtigt, eine einziehbare und nicht verjährte Forderung für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31. März 1998 in Höhe von 2.620,40 DM zuzüglich Säumniszuschlägen nach § 52 i.V.m. § 51 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) mit dem Anspruch auf laufende Rentenzahlung zu verrechnen. Laufende Geldleistungen - zum Beispiel Rente - könnten nach § 51 Abs. 2 SGB I bis zu deren Hälfte verrechnet werden, soweit es sich bei den Ansprüchen gegen den Berechtigten um zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen oder Beitragsansprüche handle. Es sei beabsichtigt, für die Verrechnung von der Rentennachzahlung den Forderungsbetrag zuzüglich Säumniszuschlägen einzubehalten. Über die Verrechnung sei in pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Der Kläger erhalte nach § 24 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) Gelegenheit, sich zu der vorgesehenen Verrechnung zu äußern und dabei alle Umstände zu schildern, die für die Verrechnung bedeutsam sein könnten.

Den Vereinigten Sparkassen teilte die Beklagte auf Anfrage mit, dass wegen der Unterhaltspflicht des Klägers für seine Ehefrau der monatliche Zahlbetrag der Rente unterhalb der Pfändungsfreigrenze liege, so dass pfändbare Beträge nicht zur Verfügung stünden (Schreiben vom 12. März 2001).

Der Kläger ließ mitteilen, mit einer Verrechnung bestehe kein Einverständnis. Er benötige seine Altersrente zum Lebensunterhalt und zur Sicherung des Unterhalts seiner Ehefrau und zweier Kinder, die noch unterhaltsberechtigt seien. Unter Berücksichtigung der Pfändungsfreibeträge habe ein monatliches Einkommen bis zu 2.379,99 DM pfandfrei zu bleiben (Schreiben vom 19. März 2001).

Die Beklagte leistete auf die Rentennachzahlung eine Abschlagszahlung in Höhe von 3.793,47 DM (Schreiben vom 4. April 2001) und erklärte nach Bekanntgabe der aktuellen Forderungshöhe durch die DAK (2.962,40 DM zum 15. März 2001) die Verrechnung der Rentennachzahlung aus dem Bescheid vom 16. Februar 2001 in Höhe von 2.962,40 DM zur Tilgung der Forderung der DAK (Bescheid vom 24. April 2001). Die Rentennachzahlung gehöre zu den laufenden Geldleistungen im Sinne der §§ 51, 52 SGB I. Daher könne eine Aufrechnung beziehungsweise Verrechnung gegen Ansprüche auf Rentennachzahlungen ebenso vorgenommen werden wie bei bereits laufenden Rentenzahlungen. Für den Nachzahlungszeitraum brauche die Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht geprüft zu werden, da diese nicht rückwirkend eintreten könne. D...

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