Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Arbeitsunfall bei einem epileptischen Anfall

 

Leitsatz (amtlich)

Ein epileptischer Anfall stellt nur einen Arbeitsunfall dar, wenn der Unfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kausal auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 10.11.2020; Aktenzeichen B 2 U 157/20 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 5. April 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger und Berufungskläger (in der Folge: Kläger) am 13.8.2014 einen Arbeitsunfall erlitt.

Der 1970 geborene Kläger arbeitete bis Mitte August 2014 für einen Lebensmitteldiscounter als LKW-Fahrer.

Am 3.7.2014 um 17.52 Uhr stellte sich der Kläger bei den Dres H. und G. in B-Stadt vor und gab an, sich ca acht Stunden zuvor den Kopf beim Anhängen des Hängers angeschlagen und sich am rechten Daumen verletzt zu haben. Danach habe er weitergearbeitet, sei von München nach Hause gefahren. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes wurden eine schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit des Daumens rechts mit deutlicher Druckschmerzhaftigkeit über dem Endgelenk, eine Schürfwunde hochoccibital sowie eine retrograde Amnesie und Verdacht auf Commotio befundet. Diagnostiziert wurden Endgliedfraktur am Daumen rechts mit Gelenkbeteiligung, Commotio cerebri und Schürfwunde hochoccibital. Laut Zwischenbericht vom 21.7.2014 gab der Kläger "belastungsabhängige Beschwerden im Daumenbereich" an. Im Bericht vom 24.7.2014 ist ausgeführt, dass sich der Kläger wegen Schmerzen im Bereich des Daumens vorgestellt habe. Der Durchgangsarzt verlängerte jeweils die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, zuletzt noch um eine Woche. Im Unfallbericht gegenüber der Beklagten gab der Kläger an, sich aufgrund eines vorbeifahrenden Autos beim Ankuppeln des LKW-Anhängers mit dem Kopf am Hydraulikkasten angestoßen zu haben, nach hinten weggekippt und gestürzt zu sein. Er habe sich eine Platzwunde am Hinterkopf sowie eine Verletzung am rechten Daumen (Fraktur Daumenendglied rechts) zugezogen.

Als der Kläger am 13.8.2014 um 10.45 Uhr im Zentrallager in P. ankam, betankte er zunächst seinen LKW. Anschließend fuhr er den LKW an die Leergutrampe und brachte die Ameise (elektrisches Hubfahrzeug) an die Ladestation. Auf dem Rückweg zum LKW stolperte er nach eigenen Angaben "über seine Beine". Ab diesem Zeitpunkt fehlt dem Kläger "jegliche Erinnerung" (Angaben des Klägers vom 6.10.2014, Akten-Id 10 des Ausdrucks der elektronischen Beklagtenakte). Der zunächst in die Asklepios Klinik B-Stadt eingelieferte Kläger wurde noch am selben Tag in das Universitätsklinikum B-Stadt verlegt, wo ein Epiduralhämatom links operativ entlastet wurde. Aufgrund des Sturzes am 13.8.2014 erlitt der Kläger weiter eine Kalottenfraktur links temporal, eine traumatische Subarachnoidalblutung sowie auch frische Kontusionsblutungen rechts frontal und temporal mit progredientem perifokalem Ödem. Nach der Entlassung aus dem Universitätsklinikums am 26.8.2014 erhielt der Kläger stationäre Rehabilitationsleistungen vom zuständigen Rentenversicherungsträger vom 2. bis 23.9.2014. Ausweislich des im Entlassungsbericht vom 25.9.2014 erhobenen Aufnahmebefunds gab der Kläger auf Befragen an, dass Geruch, Geschmack und Gehör "ungestört" seien. Als Rehabilitationsergebnis wurde aus neurologischer Sicht nur eine Anisocorie als pathologisch bewertet. Eine Hypästhesie in den Fingerspitzen links und Temperaturmissempfinden in der linken Hand sowie eine Dysdiadochokinese seien durch eine Handverletzung 1992 vorhanden.

Die Beklagte lehnte am 18.11.2014 die Anerkennung des Unfalls vom 13.8.2014 als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen der Beklagten. Er sei ohne ersichtlichen äußeren Grund (zB Stolpern oder Ausrutschen) gestürzt. Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Berichterstattung mit Schwerpunkt der Untersuchungen zu einem möglichen Kreislaufkollaps bzw Epilepsiediagnostik werde eine innere Ursache als rechtlich wesentlich für den Sturz des Klägers angesehen. Die gewöhnliche Härte des Fußbodens stelle keine Beschaffenheit dar, die als wesentliche Bedingung für die Art oder Schwere des Unfalls gewertet werden könne. Besondere Umstände seien zum Unfallzeitpunkt nach den vorliegenden Angaben nicht hinzugetreten. Insgesamt handele es sich bei dem Ereignis am 13.8.2014 um einen Unfall ohne äußere Einwirkung und damit nicht um einen Arbeitsunfall (Akten-Id 33 des Ausdrucks der elektronischen Beklagtenakte).

Hiergegen wandte der Kläger ein, nie krank gewesen zu sein und bisher keine Krampfanfälle gehabt zu haben. Auslöser könne nur sein Unfall vom 3.7.2014 gewesen sein, bei dem er sich eine schwere Platzwunde zugezogen habe. Dieser Zusammenhang werde auch von den Ärzten der Universität B-Stadt gesehen. Nachdem er infolge des Unfalls am 3.7.2014 seinen Geschmackssinn verloren habe, könne er seinen (wei...

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