Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Versäumung der Berufungsfrist. Schriftlichkeitserfordernis. fehlende Unterschrift. Wiedereinsetzung

 

Orientierungssatz

1. Ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs 1 SGG zu gewähren, wenn die Berufungsfrist aufgrund unvollständiger Hinweise des Berufungsgerichts versäumt wird?

2. Zu den Voraussetzungen wirksamen Berufungseinlegung bei fehlender Unterschrift.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.01.2002; Aktenzeichen B 5 RJ 10/01 R)

 

Tatbestand

Das Sozialgericht Landshut wies mit Gerichtsbescheid vom 28.05.1999 eine Klage des Klägers auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit als unbegründet ab. Dieser Bescheid wurde dem bis dahin von keinem Prozessbevollmächtigten vertretenen Kläger am 19.06.1999 an seinem Wohnsitz in B zugestellt und trug eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung.

Ein als "Berufung" gekennzeichnetes Schreiben eines als Bevollmächtigter des Klägers auftretenden Rechtsanwalts ging am 23.07.1999 beim Sozialgericht Landshut und am 04.08.1999 beim Bayer. Landessozialgericht ein. Als Anschrift des Rechtsanwalts wurde die Stadt "B" ohne Postleitzahl genannt; das Schreiben trug keine Unterschrift. Datiert war es unter "B".

Ein Schriftsatz des Senats vom 09.08.1999 an diesen Rechtsanwalt mit der Aufforderung, die Unterschrift auf der beigelegten Berufungsschrift nachzuholen, kam am 30.08.1999 als unzustellbar zurück, weil die bezeichnete Straße in B nicht existiere.

Mit Schreiben vom 01.09.1999 wandte sich der Senat unmittelbar an den Kläger mit der Aufforderung, die Unterschrift durch seinen Bevollmächtigten selbst herbeizuführen und das Schriftstück bis spätestens 19.09.1999 zurück zu schicken. Dies blieb ohne Erfolg.

Mit Schreiben vom 28.09.1999 wiederum an den Kläger persönlich wurde wegen Ablaufs der Berufungsfrist angeregt, die Berufung zurückzunehmen.

Vom Termin der mündlichen Verhandlung am 19.01.2000 war der Bevollmächtigte des Klägers ordnungsgemäß unterrichtet worden; seitens des Klägers erschien aber niemand.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 28.05.1999 und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt

die Verwerfung, hilfsweise die Zurückweisung der Berufung.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz und des Sozialgerichts Landshut, Az.: 7 RJ 954/96 A. Hierauf, auf die Berufungsakten und auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 28.05.1999 ist verspätet und damit als unzulässig zu verwerfen. Dem Senat ist es deshalb verwehrt, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids in der Sache selbst zu überprüfen; er kann somit nicht entscheiden, ob dem Kläger die begehrte Rente zusteht.

Der Gerichtsbescheid wurde am 19.06.1999 dem Kläger -- der sich bis dahin im Prozess nicht vertreten ließ -- zugestellt. Die Berufungsfrist betrug, weil die Zustellung im Ausland erfolgte, 3 Monate (Meyer-Ladewig, SGG, § 151 Anm.6); sie begann am 20.06.1999 zu laufen und endete, weil der 19.09.1999 ein Sonntag war, mit dem 20.09.1999. Ein Berufungsschriftsatz, der erstmals allen Voraussetzungen -- insbesondere im Hinblick auf die bis dahin fehlende Unterschrift dem Erfordernis der Schriftlichkeit, § 151 Abs.1 SGG -- genügte, ist jedoch erstmals am 30.09.1999 eingegangen und war damit verspätet.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) ist nicht angezeigt. Es sind nämlich keine Gründe ersichtlich, denen ein Nichtverschulden des Kläger bzw. seines Bevollmächtigten an dem Fristversäumnis zu entnehmen wäre. Zum einen hat der Bevollmächtigte des Klägers es pflichtwidrig schlicht vergessen, die -- innerhalb der Berufungsfrist eingegangene -- Berufungsschrift zu unterschreiben. Zum anderen sind zwei Versuche des Senats, die fragliche Unterschrift noch innerhalb der Berufungsfrist herbeizuführen, erfolglos geblieben, und zwar offensichtlich deshalb, weil der Bevollmächtigte des Klägers bei seiner Anschrift keine Postleitzahl angegeben hatte und weil schließlich der vom Senat angeschriebene Kläger die mangelnde Unterschrift auch selbst nicht zu bewirken verstand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655565

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