Entscheidungsstichwort (Thema)

Impfschadensrecht. Tollwutschutzimpfung. Impfschaden. Anpassungsstörung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der notwendige Nachweis dafür, dass eine Tollwutschutzimpfung durchgeführt wurde, kann sich bereits aus der Tatsache ergeben, dass überhaupt ein Tollwutantikörpertiter besteht.

2. Die Nennung von “Schluckbeschwerden” in der Karteikarte des behandelnden Arztes ohne fassbare weitere ärztliche Unterlagen über neurologische Erkrankungen der Klägerin sind nicht geeignet, einen Impfschaden nach Tollwutschutzimpfung zu beweisen.

 

Normenkette

BSeuchG § 51 Abs. 1, 2 S. 2; IfSG § 60 Abs. 1, § 61 S. 2; KOVVfG § 15

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung von Gesundheitsstörungen nach Tollwutschutzimpfungen im Jahre 1980 (sechs Impfungen von Juli bis Oktober) als Impfschäden nach dem Bundesseuchengesetz bzw. Infektionsschutzgesetz und entsprechende Versorgung. Sie macht als Gesundheitsschäden eine Atemnot, Schluckbeschwerden, Erstickungsanfälle, Apathie, Angstzustände, Krämpfe im Hals- und Rachenraum, asthmatische Anfälle, Magen- und Darmbeschwerden, neurologische Beschwerden und psychische Beeinträchtigungen geltend.

Die Klägerin hat mit Formularantrag vom 23.09.1998 Antrag auf Gewährung von Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz gestellt. Dem Antrag sind umfangreiche ärztliche Unterlagen beigelegt.

Der Beklagte hat bei der AOK W. Auskunft über Mitgliedschaft und Erkrankungen der Klägerin eingeholt. Die Klägerin hat auf Anfrage des Beklagten mitgeteilt, dass sie die Tollwutimpfung nicht anhand eines Impfpasses darlegen könne. Anhand einer durchgeführten Blutuntersuchung sei aber ersichtlich, dass eine Tollwutimpfung stattgefunden habe. Der Facharzt für Nervenheilkunde Dr. S. hat sich mit nervenärztlicher Stellungnahme vom 14.12.1998 für den Beklagten zu den vorliegenden Unterlagen geäußert. Eine Impfung sei nicht nachgewiesen, sie solle 1980 sechsmal erfolgt sein. Hierzu gebe es auch keinen Eintrag in der ausführlichen Krankenkassenübersicht. Eine serologische Kontrolle im September 1998 habe hinsichtlich Tollwut keinen Titer ergeben, der einen Impfschutz gewährleisten würde. Die auf die Impfung zurückgeführten Gesundheitsstörungen seien vielfältig, völlig unspezifisch und würden neben Störungen auf dem Fachgebiet der Nervenheilkunde auch solche aus den Fachgebieten HNO-Heilkunde, Chirurgie und Innere Medizin umfassen. Nervlicherseits liege ein einziger Bericht vor von einem Dr. R. vom Juli 1998 für den Rentenversicherungsträger, in dem von einem ängstlich-depressiven Syndrom mit vielfältigen psychischen, psychovegetativen und körperlichen Symptomen, auch in Form eines chronischen Schmerzsyndroms, die Rede sei. Erwähnenswert sei der Verlust der Berufstätigkeit und eines Lebensgefährten. Als körperliche Erkrankung bestehe ein Analprolaps. Zur Kausalität zwischen Tollwutimpfung und den Gesundheitsstörungen würden sich keine Aussagen finden. Es sei auch keine neurologische Befundung oder apparative Untersuchung wie EEG erfolgt. Gemäß den AHP 96 könne bei den früher verwendeten Hirngewebsimpfstoffen gegen Tollwut einige Tage bis wenige Wochen nach der Impfung eine Encephalitis oder Polyneuritis auftreten, d.h. Entzündungen des zentralen Nervensystems oder der peripheren Nerven, bei den heute verwendeten modernen Impfstoffen seien Impfschäden sehr selten in Form einer Neuritis oder Polyneuritis bzw. Guillain-Barré-Syndrom, d.h. eine Erkrankung der peripheren Nerven und des motorischen Teils des Rückenmarks. Aus nervenärztlicher Sicht werde eine Untersuchung in einer größeren Klinik vorgeschlagen. Der Beklagte hat bei dem Arzt Dr. E. eine Kopie der über die Klägerin geführten Karteikarte beigezogen. Eine Anfrage beim Landratsamt W. ergab, dass ein gehäuftes Vorkommen von Tollwutfällen in R. im Jahre 1980 nicht bekannt sei. Allerdings seien in diesem Zeitraum in P. 15 Tollwutfälle bei Tieren nachgewiesen worden. Aus den Unterlagen gehe darüber hinaus hervor, dass des öfteren Tollwutschutzimpfungen bei Menschen mit Berirab und Rabivac eingeleitet worden seien. Mit weiterem Schreiben des Landratsamtes W. vom 17.03.1999 hat dieses mitgeteilt, dass nach den dortigen Unterlagen ein positiver Tollwutbefund zweier Rinder im Juli 1980 bei der Familie E. in R. nicht bestätigt werden könne. Das Landesuntersuchungsamt für das Gesundheitswesen in Südbayern hat mit Schreiben vom 08.04.1999 mitgeteilt, dass in der Zeit vom 01.04.1980 bis 31.10.1980 keine Rinder aus dem Bestand E. in R. wegen Tollwutverdachtes eingesandt worden seien. Der Beklagte hat nochmals die Klägerin selbst, die Mutter der Klägerin, den Onkel der Klägerin und die Tante C. F. zu den Tollwutimpfungen bei der Klägerin und den Folgen befragt.

In dem Aktenvermerk vom 20.04.1999 wurde vorgeschlagen, den ...

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