Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Praxisgebühr nicht verfassungswidrig. kein zusätzlicher Beitrag zur direkten Finanzierung der ärztlichen Behandlung

 

Orientierungssatz

1. Die Zuzahlungsregelung des § 28 Abs 4 S 1 SGB 5 (Praxisgebühr) ist nicht verfassungswidrig.

2. Die Praxisgebühr ist kein zusätzlicher Beitrag zur direkten Finanzierung der ärztlichen Behandlung. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine den Beiträgen zuzuordnende Finanzierung zur Steuerung der Häufigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.06.2009; Aktenzeichen B 3 KR 3/08 R)

 

Tenor

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14. September 2005 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rückerstattung der Praxisgebühr in Höhe von 30,00 Euro für das 1. bis 3. Quartal im Jahr 2005.

Der 1944 geborene und bei der Beklagten pflichtversicherte Kläger beantragte bei ihr am 1. Dezember 2004 und 24. Januar 2005 die Befreiung von der Praxisgebühr, die er für verfassungswidrig hält. Er hatte am 3. Januar 2005 beim Aufsuchen des Allgemeinarztes Dr. L. (U.) für das 1. Quartal 2005 die Praxisgebühr in Höhe von 10,00 Euro entrichtet. Weitere Zahlungen der Praxisgebühr von jeweils 10,00 Euro erfolgten am 4. April 2005 und 4. Juli 2005 bei diesem Arzt für Behandlungen im 2. und 3. Quartal 2005.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 2. März 2005 eine allgemeine Befreiung von der Praxisgebühr ab und verwies auf die Belastungsgrenze von 2% der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt bzw. von 1% für chronisch Kranke. Der Kläger machte mit dem dagegen eingelegten Widerspruch vom 7. März 2005 unter Bezugnahme auf einen Aufsatz in der Zeitschrift "Die Sozialgerichtsbarkeit 2004 (Heft 7/2004)" geltend, die Praxisgebühr sei verfassungswidrig.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2005 den Widerspruch zurück. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen seien rechtmäßig, wie das Sozialgericht Berlin und das Landessozialgericht Berlin bestätigt hätten.

Der Kläger hat mit der Klage vom 7. Juli 2005 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) die Rückerstattung der gezahlten Praxisgebühr beantragt sowie den Antrag gestellt, ihn für die Zukunft von der Zahlung der Gebühr zu befreien. Zur Begründung hat er sich wieder auf den o.g. Aufsatz sowie einen weiteren Aufsatz einer Vorsitzenden Richterin am LSG Niedersachsen-Bremen bezogen, die die Praxisgebühr gleichfalls für verfassungswidrig hält (Gesundheitsrecht Heft 1/2004).

Das SG hat mit Urteil vom 14. September 2005 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Der Kläger sei zur Zahlung der Praxisgebühr verpflichtet gewesen und habe demnach keinen Rückerstattungsanspruch. Ein Befreiungstatbestand für die Zahlung der Praxisgebühren im Jahr 2005 liege unter Beachtung der Belastungsobergrenze nicht vor. Der Gesetzgeber habe mit der Praxisgebühr beabsichtigt, dass die Versicherten, wie auch die übrigen Beteiligten der gesetzlichen Krankenversicherung, einen zusätzlichen Beitrag zur Konsolidierung der Finanzen leisten. Er habe durch die Überforderungsregelung die Versicherten vor unzumutbaren finanziellen Belastungen geschützt. Die Praxisgebühr als Instrument der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung sei entgegen den Autoren der Aufsätze nicht systemwidrig, sondern vom gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum gedeckt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 27. Oktober 2005, mit der er erneut unter Bezugnahme auf die genannten Veröffentlichungen geltend macht, die gesetzliche Regelung der Praxisgebühr sei verfassungswidrig.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 2. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die geleisteten Zuzahlungen nach § 28 Abs. 4 SGB V in Höhe von 30,00 Euro zu erstatten, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die frist- und formgerecht eingelegte und vom Sozialgericht zugelassene Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist unbegründet; das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückerstattung der im Jahr 2005 gezahlten Praxisgebühren von zusammen 30,00 Euro.

Es ist denkbar als Anspruchsgrundlage § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch IV heranzuziehen, wenn man (wie hier) in der Praxisgebühr eine besondere Form der Beitragszahlung sieht. Dieser Rückerstattungsanspruch greift aber nicht durch, weil nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Anspruch ausgeschlossen ist, wenn für den einschlägigen Zeit...

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