Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragserhöhung. inhaltliche Bestimmtheit von Beitragsbescheiden gem § 168 Abs 2 SGB 7

 

Leitsatz (amtlich)

Zur nachträglichen Änderung von Beitragsbescheiden in der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.08.2009 und die Bescheide der Beklagten vom 10.03.2004 betreffend die Beitragsjahre 1999, 2000, 2001, 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2008 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Beitragsnachforderung der Beklagten für den Zeitraum 1999 bis 2002.

Die Klägerin ist ein Zeitarbeitsunternehmen, das seit 07.10.1991 in das Unternehmensverzeichnis der Beklagten eingetragen ist. Sie überlässt Strahlenschutzmitarbeiter an andere Unternehmen. Die Tätigkeit dieser Mitarbeiter besteht nach Angaben der Klägerin in der Arbeitsvorbereitung, der Dosimetrie, der Strahlenschutzschichtleitung mit Personaleinteilung, Koordination von Strahlenschutzmaßnahmen und dokumentarischer Erfassung der Messwerte und dem praktischen Strahlenschutz, d.h. der Überwachung der Einhaltung festgelegter Strahlenschutzmaßnahmen, Strahlenschutzmessungen und Dokumentation.

Mit Bescheid vom 23.03.1998 verwies die Beklagte auf die ab 01.01.1998 geltenden Gefahrtarife, die im Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung einen Tarif 48 (ab 01.01.2001 Tarif 52) vorsehen für Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten ausführen und den Tarif 49 (ab 01.01.2001 Tarif 53) für die Beschäftigten, die nicht die im Gefahrtarif 48 (52) genannten Voraussetzungen erfüllen. Mit Bescheid der Beklagten vom 27.04.1999 wurden die Beschäftigten der Klägerin allesamt in den Tarif 48 eingestuft und ein Beitrag für 1998 in Höhe von 5.952,71 € festgesetzt. Mit Bescheiden vom 25.04.2000, 25.04.2001, 24.04.2002 und 23.04.2003 erfolgte eine entsprechende Beitragsfestsetzung für die Folgejahre 1999 bis 2002.

Anlässlich einer Betriebsprüfung im Jahre 2004 stellte die Beklagte fest, dass die Mitarbeiter der Klägerin weit überwiegend in den Gefahrtarif 49 bzw. 53 einzustufen seien und erließ am 10.03.2004 für die Beitragsjahre 1999 bis 2002 neue Beitragsbescheide, die die Beiträge für das Jahr 1999 auf 52.814,20 € (Nachforderung in Höhe von 49.805,87€), für 2000 auf 59.852,64 € Nachforderung 56.358,84€), für 2001 auf 44.094,92 € (Nachforderung 41.481,34€) und für 2002 auf 46.074,60 € (Nachforderung 43.512,05 €) festsetzten. Die Bescheide enthielten jeweils die Aussage:

"Dieser Bescheid ändert den Beitragsbescheid vom ..., der im Übrigen bestehen bleibt".

Hiergegen legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein. Die Strahlenschutzmesser seien zu Unrecht in die Gefahrenklassen 49 bzw. 53 eingestuft worden.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2008 zurück. Die Zuordnung zu der Tarifstelle 49 bzw. 53 sei zutreffend erfolgt, da die Arbeitnehmer nicht nur kaufmännisch bzw. verwaltend tätig geworden seien. Der praktische Strahlenschutz, die Durchführung von Radioaktivtransporten sowie Lungenzähler stellten Maßnahmen dar, die über rein verwaltende Tätigkeiten hinausgingen. Die Arbeitnehmer würden nicht nur Fremdmessungen auswerten, sondern eigene Messungen durchführen.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben mit der Begründung, der Katalog der Beklagten zu den Berufsbezeichnungen besitze keine Rechtsqualität und sei nicht bindend. Die Mitarbeiter seien keine Kerntechniker, sondern würden lediglich Strahlenemissionen kontrollieren, z.B. beim Verladen von Castor-Behältern. Auch würden Personenmessungen durchgeführt, entweder routinemäßig oder bei der Gefahr erhöhter Strahlenaufnahme. Dies sei verwaltende Tätigkeit.

Mit Urteil vom 05.08.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beitragsnacherhebungsbescheide beruhten auf § 168 Abs. 2 Nr. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die Klägerin habe in den Lohnnachweisen die Arbeitsentgelte fälschlicherweise einer günstigeren Gefahrenklasse zugeordnet. Auf ein Verschulden komme es hierbei nicht an. Die Zuordnung zur Gefahrenklasse 48 bzw. 52 sei unzutreffend gewesen. Aus der Aufstellung der Tätigkeiten der Mitarbeiter der Klägerin ergebe sich, dass diese keine rein kaufmännische oder verwaltende Tätigkeiten ausüben würden.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Ausführung von Strahlenschutzmessungen sei eine reine Annextätigkeit zu der Dokumentation. In der Arbeitsvorbereitung werde ausschließlich geistige Tätigkeit verrichtet, insbesondere Planungen durchgeführt. Zudem sei zu Unrecht § 168 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII angewendet worden, da die Klägerin keine unrichtige Angaben gemacht habe. Die Klägerin schulde der Beklagten keine rechtliche Bewertun...

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