Verfahrensgang

SG Augsburg (Urteil vom 09.05.1980; Aktenzeichen S 2/U 176/79)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09. Mai 1980 wird zurückgewiesen.

II. Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Sie ist Mitglied der Beklagten und beschäftigt einen Betriebsarzt nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) „Betriebsärzte” (VBG 123). Diese UVV hat die Beklagte gemäß § 708 Abs. 1 Nr. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung des § 21 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) vom 12.12.1973 (BGBl. I S. 1885), jetzt gültig in der Fassung des Gesetzes vom 12.04.1976 (BGBl. I S. 965) erlassen. Sie gelten seit 07.08.1975, dem Tag der Genehmigung durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Am 12.02.1979 beantragte die Klägerin die Einsatzzeit für ihren Betriebsarzt um die Hälfte herabzusetzten. Zur Begründung führte sie aus, daß sie ihren Betriebsarzt nicht sinnvoll verwenden könne, da die ihm obliegenden gesetzlich sowie freiwillig zugewiesenen Aufgaben nur einen unverhältnismäßig geringen Teil der vorgeschriebenen Gesamtarbeitszeit in Anspruch nehmen.

Durch Bescheid vom 01.03.1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.1979 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 UVV „Betriebsärzte” ab. In den Gründen stellte sie fest, daß die festgelegten Einsatszeiten Mindestseiten seien. Im allgemeinen würden sie gerade hinreichen, um die außerordentlich vielfälgigen Aufgaben eines Betriebsarztes nach § 3 ASiG erfüllen zu können. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung setzte voraus, daß die Unfall- und Gesundheitsgefahren im Betrieb verglichen mit Betrieben der gleichen Art „erheblich unter dem Durchschnitt liegen”. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, zumal die Klägerin in den vergangenen drei Umlagejahren auch nicht den höchstmöglichen Beitragsnachlaß erhalten konnte.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg. Sie machte geltend, die Anwendung des § 2 Abs. 1 UVV „Betriebsärzte” stelle eine unverhältnismäßige Härte im Sinne der UVV „Allgemeine Vorschriften” dar. Die Hauptunfallursachen in ihrem Bereich (z.B. Stolpern und Ausrutschen im Gelände, Unachtsamkeit und Überschätzung der eigenen Arbeitskraft oder Abrutschen von Werkstücken oder Werkzeug) seien auf einem Gebiet gelegen, in dem auch der Betriebsarzt bei aller möglichen Vorsorge, Belehrung und Unterrichtung sicherlich keine Abhilfe schaffen könne. Darüber hinaus sei die in § 2 Abs. 1 UVV „Betriebsärzte” getroffene Regelung willkürlich und verstoße gegen Artikel 3 Grundgesetz, weil sie alle möglichen Arten von Gewerbezweigen undifferenziert in einen Topf werfe. Schließlich habe die Beklagte auch gegen § 2 Artikel 2 UVV „Betriebsärzte” verstoßen, weil sie nicht geprüft habe, ob im Unternehmen der Klägerin, verglichen mit Betrieben gleicher Art, die Unfall- und Gesundheitsgefahren unterdurchschnittlich gering seien, sondern die Erteilung der Ausnahmegenehmigung von der Erreichung des höchsten Beitragsnachlassens während der vergangenen drei Jahre abhängig mache.

Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, die angegriffenen Vorschriften der UVV „Betriebsärzte” hielten sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Sie habe auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt, indem sie die Feststellung einer unterdurchschnittlich geringen Unfallbelastung von der Erreichung des höchsten Beitragsnachlasses während eines Zeitraumes von drei Jahren abhängig machte.

Durch Urteil vom 09.05.1980 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage ab. In den Gründen führte es im wesentlichen aus: Die Härteklausel des § 3 Abs. 1 Nr. 2 UVV „Allgemeine Vorschriften” sei nicht anwendbar, da § 2 Abs. 2 Satz 1 UVV „Betriebsärzte” ebenfalls eine Härteregelung enthalte, die als lex specialis den allgemeinen Vorschriften vorgehe. Die in § 2 Abs. 1 UVV „Betriebsärzte” vorgenommene Zusammenfassung einer großen Zahl von Gewerbezweigen in Gruppe 2 sei nicht zu beanstanden. Schließlich habe die Beklagte auch bei der Prüfung des § 2 Abs. 2 Satz 1 UVV „Betriebsärzte” nicht ermessensfehlerhaft gehandelt.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Zur Begründung trug sie weiterhin vor, zum einen verstoße die Zusammenfassung verschiedener Gewerbezweige in einer Gruppe durch § 2 Abs. 1 UVV „Betriebsärzte” gegen höherrangige Grundsätze des Verfassungs- und Verwaltungsrechtes (Grundsatz des Übermaßverbotes und der Verhältnismäßigkeit) und zum anderen habe die Beklagte bei Versagung der Ausnahmegenehmigung ermessensfehlerhaft gehandelt. Der Ermessensfehlgebrauch liege in der schematischen Behandlung aller Unternehmen ohne Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles. Die Erreichung des höchsten Beitragsnachlasses sei auch kein geeigneter Maßstab für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung...

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