Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. Transparenzbericht. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung. Rechtsgrundlage. Rechtmäßigkeit von § 115 Abs 1a SGB 11 iVm der Pflege-Transparenzvereinbarung stationär (PTVS). Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Vorrang der Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Pflegeleistungen und deren Qualität gegenüber möglichen Auswirkungen auf Wettbewerbspositionen.

 

Orientierungssatz

Richtige Klageart gegen die als Realakt zu qualifizierende Veröffentlichung ist die Unterlassungsklage. Im einstweiligen Rechtsschutz kann das Ziel mit der Sicherungsanordnung gem § 86b Abs 2 SGG erreicht werden.

1. § 115 Abs 1a S 6 SGB 11 verstößt nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Insbesondere verstößt die Vorschrift nicht dadurch gegen Art 80 Abs 1 S 2 GG, dass es den genannten Körperschaften überlassen wird, Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik zu vereinbaren. Insoweit liegt keine verfassungswidrige Delegation vor. Die Vorschrift wird dem Parlamentsvorbehalt gerecht.

2. § 115 Abs 1a SGB 11 enthält eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Normsetzung durch vertragliche Vereinbarung.

3. Dass dem Transparenzbericht gem § 115 Abs 1a S 2 SGB 11 die Ergebnisse der Qualitätsprüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zugrunde zu legen sind, führt nicht zur Rechtswidrigkeit.

4. Ein Verstoß gegen das in Art 12 Abs 1 GG gewährleistete Recht auf freie Berufsausübung, ist nicht festzustellen.

5. Ein etwaiger Abwehranspruch des Pflegeeinrichtungsträgers kann nicht auf Art 14 GG gestützt werden und ergibt sich auch nicht bei der Prüfung iR des einstweiligen Rechtsschutzes aus analog § 1004 iVm § 823 BGB.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 20. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin (Bf.) im Wege der einstweiligen Anordnung von den Beschwerdegegnerinnen (Bg.), den Landesverbänden der Pflegekassen, verlangen kann, die Veröffentlichung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung, den sogenannten Transparenzbericht, zu unterlassen bzw. rückgängig zu machen.

Die Bf. unterhält eine Pflegeeinrichtung für vollstationäre Pflege. Zwischen ihr und den Pflegekassen in Bayern besteht seit 22.05.2001 ein Versorgungsvertrag. Sie ist Mitglied des Deutschen Caritasverbandes e.V.

Am 26.10.2009 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) in der Einrichtung der Bf. im Auftrag der Bg. eine Qualitätsprüfung durch. Am 23.11.2009 berichteten die Bg. über das Ergebnis der Prüfung unter Zugrundelegung der Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR) vom 11.06.2009. Sie wiesen auf im Prüfbericht festgestellte Mängel hin. Teilweise handele es sich um gravierende Mängel. Es werde erwogen, einen Maßnahmebescheid zu erteilen, nämlich Anordnungen, welche Maßnahmen zu treffen seien, um die Mängel zu beheben. Der Inhalt des Prüfberichts wurde der Bf. auf elektronischem Weg im Einzelnen bekannt gegeben. Der Bf. wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis 08.01.2010 eingeräumt.

Die Bf. wandte am 01.12.2009 ein, sie überprüfe die aufgezeigten Mängel und erwäge in diesem Zusammenhang auch personelle Konsequenzen. Allerdings halte sie den Bericht als vorläufigen Transparenzbericht für fehlerhaft. Statt der in der Pflege-Transparenz-Vereinbarung-Stationär (PTVS) vorgesehenen 82 Fragen seien im Prüfbericht nur 78 bzw. sogar nur 72 Fragen enthalten. Es werde gebeten, das vorgegebene Schema insgesamt zu verändern. Am 17.12.2009 teilte die Bf. den Bg. mit, sie habe verschiedene Sofortmaßnahmen eingeleitet. U.a. seien die für die Pflege verantwortliche Pflegedienstleitung und deren Stellvertretung durch neue verantwortliche Mitarbeiterinnen ersetzt worden. Die Beseitigung anderer Mängel bzw. die Umsetzung von Änderungen sei für Januar 2010 geplant. Hierüber werde bis Ende Januar 2010 detailliert berichtet.

Am 21.12.2009 forderten die Bg., die umfangreichen Maßnahmen konsequent umzusetzen; eine detaillierte Stellungnahme erwarteten sie für Ende Januar 2010.

Am 28.12.2009 bat die Bf. um Fristverlängerung bis 28.12.2009, um offene Punkte auf Richtigkeit bzw. Umsetzung in der Einrichtung zu klären. Im Übrigen verweise sie auf ihre anliegende Stellungnahme zu den einzelnen Beanstandungen. Insoweit habe sie sich darauf beschränkt, vorrangig die Punkte zu kommentieren, die das Ergebnis mangelhaft erhalten hätten.

Am 07.01.2010 erkundigte sich die Bf., ob es bei der beantragten Fristverlängerung bleibe. Die Bg. antworteten am 13.01.2010, nach Durchsicht und Prüfung des umfangreichen Maßnahmeplans sei der MDK zum Ergebnis gekommen, dass keine offensichtlichen Fehler im Transparenzbericht festzustellen seien. Nur solche könnten zu einer Änderung des Gutachtens führen. Im ...

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