Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Absenkung des Arbeitslosengeld II. wiederholte Pflichtverletzung. Meldeversäumnisse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es ist nicht erforderlich, dass vorhergehende Absenkungsbescheide bei Erlass des strittigen Bescheids wegen einer wiederholten Absenkung bestandskräftig sind.

2. Wurde über die vorhergehende Absenkung im einstweiligen Rechtsschutz abschlägig entschieden, entfaltet diese Entscheidung Bindungswirkung. Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz enthalten - vorbehaltlich einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage - eine endgültige Entscheidung über eine vorläufige Regelung.

3. Eine Vorsprache im Eingangsbereich der Behörde verbunden mit der Weigerung, den zuständigen Sachbearbeiter im bezeichneten Zimmer aufzusuchen, ist keine Meldung bei der bezeichneten Stelle nach § 59 SGB 2 iVm § 309 Abs 1 S 2 SGB 3.

4. § 13 Abs 4 SGB 10 berechtigt grundsätzlich dazu, in Begleitung eines Beistands zu erscheinen. Dass ein derartiger Begleiter nicht zur Verfügung stehe, ist kein wichtiger Grund für ein Meldeversäumnis iS von § 31 Abs 2 SGB 2.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 8. März 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 70 vom Hundert der Regelleistung des Antragstellers und Beschwerdeführers wegen einem wiederholtem Meldeversäumnis strittig.

Der im Jahr 1960 geborene Antragsteller bezieht seit Mitte 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuletzt bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 03.11.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 01.12.2009 bis 31.12.2009, ab Januar 2010 in Höhe von monatlich 494,- Euro.

In einem vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lehnte das Sozialgericht und das Landessozialgericht (LSG, Beschluss vom 03.12.2009, L 16 AS 798/09 B ER) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Absenkungsbescheid vom 10.09.2009 (60 vom Hundert der Regelleistung wegen einem wiederholten Meldeversäumnis) ab.

Mit Schreiben vom 05.01.2010, zur Post gegeben am 11.01.2010, lud die Antragsgegnerin den Antragsteller zum 18.01.2010, 15:00 Uhr zu einem Gespräch über die berufliche Situation mit dem zuständigen Fallmanager in die Außenstelle der Antragsgegnerin in ein genau bezeichnetes Zimmer ein. Zur Absenkung von 70 % wurde darin belehrt. Gegen diese Meldeaufforderung erhob der Antragsteller schriftlich Widerspruch.

Mit Bescheid vom 05.02.2010 wurde das dem Kläger bewilligte Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.03.2010 bis 31.05.2010 um 70 % der Regelleistung gemindert. Daraus ergebe sich eine Absenkung um 251,30 € monatlich. Insoweit würden die bisherigen Bewilligungsbescheide aufgehoben. Der Antragsteller sei der Meldeaufforderung zum 18.01.2010 nicht gefolgt.

Mit weiterem Bescheid gleichen Datums verfügte die Antragsgegnerin für denselben Zeitraum eine Absenkung um 60 % der Regelleistung, weil Eigenbemühungen nicht in ausreichendem Umfang nachgewiesen worden seien. Für diese Absenkung wurde vom Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet (S 10 AS 110/10 ER).

Gegen den Bescheid vom 05.02.2010 zur Absenkung wegen des Meldeversäumnisses legte der Antragsteller am 22.02.2010 Widerspruch ein. Er sei am 04.05.09 [richtig wohl 18.01.2010] in der Außenstelle gewesen, habe allerdings nicht mit dem Sachbearbeiter in dessen Zimmer gehen wollen. Ein persönliches Gespräch ohne Zeugen sei zu gefährlich. Einen Beistand habe er in der kurzen Zeit nicht auftreiben können. Sein Widerspruch gegen die Meldeaufforderung sei ignoriert worden. Außerdem habe er Hausverbot in allen Gebäuden der Antragsgegnerin. Die Ablehnung eines Gesprächs unter vier Augen sei kein Meldeversäumnis.

Am 11.02.2010 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht Landshut Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Neben den im Widerspruch vorgetragenen Gründen sei der Bescheid außerdem rechtswidrig, weil nicht gleichzeitig über Sachleistungen entschieden worden sei. Zur Erfüllung der Meldeauflage sei ausreichend, dass er zur angegebenen Zeit im angegebenen Gebäude erschienen sei.

Das Sozialgericht lehnte mit Beschluss vom 08.03.2010 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Der Absenkungsbescheid sei rechtmäßig, der Widerspruch habe daher keine Aussicht auf Erfolg. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 31 Abs. 2 SGB II sei nicht nachgewiesen. Die Weigerung, mit einem bestimmten Bediensteten der Antragsgegnerin zu sprechen, komme als wichtiger Grund nicht in Betracht. § 17 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vermittle Verfahrensbeteiligten kein subjektives Recht, bestimmte Behördenbedienstete abzulehnen (vgl. BSG Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 13/09 R, Rn. 27). Ebenso sei der Einwand, der Antragsteller habe nicht rechtzeitig einen Beistand finden können,...

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