Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. strafverfahrensrechtliche Ermittlungen ersetzen nicht Betriebsprüfung. Sozialversicherungsbeiträge sind keine Abgaben iSv Steuern. Summenbescheid. personenbezogene Feststellungen erforderlich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Strafverfahrensrechtlichen Ermittlungen des Zolls nach § 2 SchwarzArbG und die Unterstützung durch die Rentenversicherungsträger gemäß § 2 Abs 2 SchwarzArbG (juris: SchwarzArbG 2004) ersetzen eine sozialverfahrensrechtliche Betriebsprüfung nach § 28 p SGB 4 nicht.

2. Sozialversicherungsbeiträge sind keine Abgaben im Sinne einer Steuer, vielmehr steht den Sozialversicherungsbeiträgen ein konkreter Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber.

3. Zum Summenbescheid gemäß § 28 f Abs 2 SGB 4: Personenbezogene Feststellungen der Beitragspflicht und der Beitragshöhe sind vor allem wegen der möglichen Rentenanwartschaften der betroffenen Arbeitnehmer von erheblichem Gewicht. Personenbezogene Feststellungen sind deshalb auch dann zu treffen, wenn diese mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und nur unter Inkaufnahme eines verwaltungsmäßigen Mehraufwandes erreichbar sind.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 24.04.2013 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.10.2012 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens hergestellt.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert wird auf 108.636,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller betreibt unter der Firma O. B. Dienstleistungsbetriebe u.a. in A-Stadt ein Unternehmen zur Entrümpelung, Entkernung und Renovierung von Immobilien. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle am 06.10.2009 wurden auf einem Parkplatz der Autobahn A 92 drei Personen mit einem Klein-LKW des Antragstellers mit dem Kennzeichen ..-.. ... angetroffen und kontrolliert. Es handelte sich dabei um den tschechischen Staatsangehörigen J. P. sowie die slowakischen Staatsangehörigen P. L. und K. H.. Herr P. gab an, mehrfach pro Monat für den Antragsteller tätig zu sein im Rahmen von Wohnungsauflösungen. Er könne frei entscheiden, ob er die Sachen abhole oder nicht. Der Antragsteller führte hierzu aus, dass nach seinem Geschäftsmodell jeweils zunächst er selbst die wertvolleren Gegenstände den Haushalten entnehme und sodann den Rest Herrn P. gegen kostenlose Abholung anbiete. Falls das Angebot für Herrn P. interessant sei, hole dieser die in der Wohnung verbliebenen Gegenstände unter Mithilfe von Herrn L. und Herrn H. ab, um sie nach Tschechien und unter Umständen andere osteuropäische Länder zu verbringen.

Das Hauptzollamt A-Stadt - Finanzkontrolle Schwarzarbeit - leitete daraufhin Ermittlungen ein, die schließlich zur Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft A-Stadt führten. Im Rahmen einer Durchsuchung am 27.04.2010 wurden am Betriebssitz in A. sowie in A-Stadt und am Wohnsitz des Antragstellers Unterlagen beschlagnahmt, aus denen sich nur wenige Erkenntnisse hinsichtlich einer Beschäftigung von Personal ergaben. Anlässlich einer weiteren Durchsuchung am 23.09.2010 beim Steuerberater des Antragstellers, Herrn H. in A-Stadt, wurde die Finanzbuchhaltung für die Jahre 2005 bis 2009 sowie das erste und zweite Quartal des Jahres 2010 sichergestellt. Darunter befanden sich Lohnunterlagen für drei Aushilfen.

Nach den anschließenden Ermittlungen hinsichtlich der sichergestellten Buchungslisten und Wiegescheine der Firmen A.R. GmbH lieferte der Antragsteller im Jahr 2005 55 mal Entsorgungsware ab, im Jahr 2006 150, im Jahr 2007 145, im Jahr 2008 160, im Jahr 2009 170 und im Jahr 2010 140. Bei der Firma B. Entsorgung - Recycling GmbH lieferte der Antragsteller an 69 Tagen Material zur Entsorgung an. Der Antragsteller hat für die gesamten Erlöse aus Entrümpelungen und dem Weihnachtsmarkt im Dezember der jeweiligen Jahre nur einen geringfügigen Aushilfslohn verbucht.

Aufgrund der Ermittlungen des Hauptzollamtes erhob die Staatsanwaltschaft A-Stadt am 28.12.2011 Anklage und beschuldigte den Antragsteller, in 64 selbstständigen Handlungen als Arbeitgeber der Einzugstelle Beiträge für Arbeitnehmer zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitförderung vorenthalten zu haben, in jeweils 64 Fällen als Arbeitgeber der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtliche erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung vorenthalten zu haben. Die Anklage stützte sich im Wesentlichen auf die Aussagen der vernommenen Zeugen, vornehmlich Kunden des Antragstellers. Diese gaben an, dass mehrere Personen bei der Durchführung seiner Entrümpelungs- und Wohnungsauflösungsarbeiten sowie bei der Entsorgung von Material tätig geworden seien. Die Zeugen P. und L. seien nach ihren übereinstimmenden Angaben bereits seit mehreren ...

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