Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Befangenheit eines Sachverständigen. Neutralitätspflicht. kein Grund bzgl Voreingenommenheit: etwaige Beeinflussung durch andere Sachverständige. Nichtberücksichtigung von Fremdgutachten

 

Leitsatz (amtlich)

Gibt das Gericht in der Beweisanordnung den Verfahrensablauf wieder und erwähnt ein im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten, das wegen Verstoß gegen § 200 SGB 7 entfernt wurde, ohne den Inhalt bekannt zu geben, so rechtfertigt dies nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit.

 

Orientierungssatz

Zum Nichtvorliegen eines Ablehnungsgrundes wegen Befangenheit eines Sachverständigen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 2. September 2008 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 2. September 2008, mit dem das Gesuch der Klägerin auf Ablehnung der Sachverständigen Dres. M., H. und H. zurückgewiesen wurde.

Im Ausgangsverfahren begehrt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres am 11.08.2008 verstorbenen Ehemannes Verletztenrente, die dieser wegen der Folgen seines Unfalls vom 06.04.2001 beantragt hatte. Mit Beweisanordnung vom 29.11.2007 beauftragte das Sozialgericht den Orthopäden Dr. M. mit der Erstattung eines Gutachtens. Zu Zusatzgutachtern berief es den Psychiater und Neurologen Dr. H. und den HNO-Arzt Dr. H.. Telefonisch genehmigte es den Vorschlag des Dr. H., ein psychologisches Zusatzgutachten einzuholen. Letzteres erstattete die Dipl.-Psych. L.. Die Gesamtbeurteilung sollte Dr. M. vornehmen. Die Beweisanordnung wurde der Klagepartei am 30.11.2007 bekannt gegeben.

Mit Schreiben vom 07.01.2008 bat die Klagepartei, den Beweisbeschluss abzuändern und andere Ärzte mit der Begutachtung zu betrauen. Das Sozialgericht teilte am 09.01.2008 mit, es bleibe bei der Gutachtensbeauftragung. Das Gutachten des HNO-Arztes Dr. H. ging bei Gericht am 20.03.2008 ein, das Gutachten des Dr. M. am 23.04.2008. Dieses trägt das Erstellungsdatum vom 16.04.2004 und beruht auf einer Untersuchung des Ehemannes der Klägerin am 16.04.2008. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass Dr. M. die Akten nach der Untersuchung an Dr. H. weitergeleitet hatte, der am selben Tag seinerseits den Versicherten untersuchte. Im Gutachten vom 17.07.2008 berücksichtigte Dr. H. die Feststellung des psychodiagnostischen Zusatzgutachtens vom 18.06.2008, beruhend auf der Exploration am 09.06.2008.

Am 24.07.2008 übersandte das Sozialgericht die Gutachten der vorgenannten Gutachter den Beteiligten. Es wies darauf hin, es sei nicht beabsichtigt, ein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen und stelle anheim, einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bis spätestens 05.09.2008 zu stellen.

Mit Fax vom 04.08.2008 äußerte die Klagepartei Bedenken gegen die eingeholten Gutachten und verlangte Auskünfte noch vor Ablauf der 14-tägigen Frist zur Stellung eines Befangenheitsantrags. Mit Schreiben vom 08.08.2008 lehnte die Klagepartei die Sachverständigen Dres. M., H. und H. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dem Sachverständigen Dr. M. hält die Klägerin entgegen, er habe versucht, den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung zu beeinflussen, indem er als Orthopäde eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und damit den Zusatzgutachter bereits inhaltlich in eine bestimmte Richtung festzulegen versucht habe. Formulierungen im Gutachten, körperlich vom Versicherten wahrgenommene Beschwerden ließen sich aus dem Unfallereignis eigentlich nicht mehr erklären, denkbar sei, dass die Beschwerdeentwicklung im Zusammenhang mit degenerativen Veränderungen stünden bzw. einen eigengesetzlichen Verlauf genommen hätten, wie im Zusatzgutachten des Dr. H. ausgeführt, seien beweisend hierfür. Dass Dr. H. von einem zeitlich vorausgehenden Unfallereignis spreche und behaupte, dass ganz offensichtlich schwere körperliche Verletzungen nicht aufgetreten seien, spreche ebenso dafür, dass die vorgegebene Meinung des Dr. M. berücksichtigt worden sei. Unübersehbar sei, dass der Gutachter von der Position des wissenschaftlichen Gehilfen des Gerichts deutlich abgewichen und das Kleid des Ermittlers und Verfolgers trage, was in weiteren Äußerungen zum Ausdruck komme. Dr. M. arbeite mit Vermutungen und Unterstellungen, u.a., dass bereits 1999 Schultergelenksbeschwerden links bestanden hätten. Das Gutachten des Dr. M. beinhalte eine bewusste Abqualifikation des Klägers, soweit über eine angeblich ausgeprägte Verdeutlichungstendenz berichtet werde. Eine solche Feststellung hätte der orthopädische Begutachter gar nicht treffen dürfen. Er hätte die Feststellungen des neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens abwarten müssen. Auch hierin offenbare sich die fehlende Objektivität. Dass er die Angaben des Versicherten zur Medikation als unrealistisch bezeichne, sei ebenfalls Ausdruck des Abqualifizierens.

Dem Sachverständigen Dr. H. sei entgegen zu halten, dass er eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig ...

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