Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Einlegung eines nicht statthaften Rechtsmittels. keine Umdeutung. gerichtliche Hinweispflicht. fehlerhafte aktenmäßige Erfassung eines Rechtsmittels. einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt. zwischenzeitlich ergangene erstinstanzliche Hauptsacheentscheidung. Gericht der Hauptsache. Fortsetzungsfeststellungsklage bei Ablauf der Geltungsdauer des Eingliederungsverwaltungsaktes. Anordnungsgrund bei fehlendem Rechtsmittel des Grundsicherungsträgers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein nicht statthaftes Rechtsmittel kann bei zutreffender Rechtsmittelbelehrung nicht in das statthafte Rechtsmittel umgedeutet werden. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsmittelführer nicht vertreten ist.

2. Die Einlegung eines nicht statthaften Rechtsmittels kann uU nach dem Gebot des fairen Verfahrens eine Hinweispflicht des Gerichts bedingen.

3. Ist ein Rechtsmittel beim Rechtsmittelgericht nicht so erfasst worden, wie es eingelegt wurde, kann das zur Wiedereinsetzung führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine eingelegte, nicht statthafte Berufung zunächst aktenmäßig als Beschwerde erfasst wurde und der Rechtsmittelführer deshalb zunächst davon ausgehen durfte, dass die fehlerhaft eingelegte Berufung vom Rechtsmittelgericht als das statthafte Rechtsmittel der Beschwerde angesehen und behandelt wird.

4. Ein den ursprünglichen Verwaltungsakt ersetzender Eingliederungsverwaltungsakt wird nach § 96 SGG nur Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens, soweit der Geltungszeitraum identisch ist.

5. Bei abgelaufener Geltungsdauer eines Eingliederungsverwaltungaktes ist in der Hauptsache nur noch eine Fortsetzungsfeststellungsklage möglich. Insoweit gibt es keinen einstweiligen Rechtsschutz mehr.

6. Ist ein erstinstanzliches Urteil in der Hauptsache ergangen, während im einstweiligen Rechtsschutz noch eine Beschwerde anhängig ist, wird das Beschwerdegericht nach Einlegung der Berufung als nunmehriges Berufungsgericht Gericht der Hauptsache. In diesem Fall entscheidet das Beschwerdegericht sowohl als Beschwerdegericht als auch als neues Gericht der Hauptsache im Rahmen der anhängigen Beschwerde umfassend über den Eilrechtsschutz.

7. Hat das Jobcenter kein Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil, mit dem die Geltungsdauer eines Eingliederungsverwaltungsaktes verkürzt wurde eingelegt, mangelt es an einem Anordnungsgrund im vom Leistungsberechtigten betriebenen Eilrechtsschutz. Dies gilt zumindest so lange, solange das Jobcenter keine unselbständige Anschlussberufung im Hauptsacheverfahren eingelegt hat.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 29. August 2014, Az.: S 15 AS 840/14 ER wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Bg.) vom 20.05.2014 sowie den diesen Eingliederungsverwaltungsakt "ersetzenden" Eingliederungsverwaltungsakt vom 01.08.2014.

Nach erfolglosen Verhandlungen über eine Eingliederungsvereinbarung erließ der Bg. am 20.05.2014 einen Eingliederungsverwaltungsakt. Darin wurde der Bf. verpflichtet, monatlich sechs Bewerbungen nachzuweisen sowie sich spätestens am dritten Tag nach Erhalt eines Stellenangebotes bzw Vermittlungsvorschlags zu bewerben und dies dem Bg. nachzuweisen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Bg. mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2014 zurück. Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Bf. am 18.06.2014 Klage beim Sozialgericht Augsburg (Az.: S 15 AS 580/14), über die inzwischen mit Urteil vom 30.10.2014 entschieden ist; die Berufung gegen das Urteil ist im Senat anhängig (Az.: L 7 AS 781/14).

Während des laufenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht verhandelte der Bg. erneut mit dem Bf. über eine Eingliederungsvereinbarung. Mit der neuen Eingliederungsvereinbarung sollte der Bf. verpflichtet werden, Bewerbungen auf Stellenangebote des Bg. nicht nur beim potentiellen Arbeitgeber, sondern gleichzeitig zur besseren Kontrolle beim Bg. einzureichen, nachdem der Bg. festgestellt hatte, dass angebliche Bewerbungen potentielle Arbeitgeber nicht erreicht hatten. Ab Unterschriftsdatum der neuen Eingliederungsvereinbarung sollte diese wieder für sechs Monate gelten. Nachdem der Bf. hierauf nicht einging, erließ der Bg. einen neuen Eingliederungsverwaltungsakt mit Datum vom 01.08.2014 mit Geltungsdauer vom 01.08.2014 bis 31.01.2015 und der Verpflichtung des Bf., Bewerbungen auf Stellenangebote beim Bg. parallel einzureichen. In dem Eingliederungsverwaltungsakt hieß es ausdrücklich, dass hierdurch der Eingliederungsverwaltungsakt vom 20.05.2014 "ersetzt" werde. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2014 zurückgewiesen.

Am 20.08.2014 beantragte der Bf. beim Sozialgericht Augsburg einstweiligen Rechtsschutz. Der Erlass eines Eingliederungsverwaltun...

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