Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kassenärztliche Vereinigung. Selektivvertrag nach § 73b SGB 5. Herabsetzung der Gesamtvergütung unter Berufung auf eine sog Meistbegünstigungsklausel

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Recht einer Krankenkasse auf einseitige Herabsetzung der aufgrund eines Selektivvertrags nach § 73b Abs 4 SGB 5 geschuldeten Gesamtvergütung unter Berufung auf eine sog Meistbegünstigungsklausel, welche eine Anpassung von Vergütungsbestandteilen für den Fall vorsieht, dass einer konkurrierenden Krankenkasse selektivvertraglich ein niedrigerer Fallwert eingeräumt wird.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 3. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag der Antragsgegnerin, den Antragsteller zu verpflichten, den durch Vollstreckung beigetriebenen streitgegenständlichen Forderungsbetrag zurück zu zahlen, wird abgelehnt.

III. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten stehen im Rahmen des Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b SGB V in der Fassung vom 3. September 2009 in vertraglichen Beziehungen. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen eine durch das Sozialgericht München am 3. Dezember 2010 erlassene einstweilige Anordnung, mit der sie verpflichtet worden ist, zurückbehaltenes Honorar in Höhe von 37.851.631,66 EUR auszubezahlen. Der Antragsteller hat zwischenzeitlich vollstreckt.

Gemäß des zwischen den Beteiligten geschlossenen hausarztzentrierten Versorgungsvertrages gemäß § 73b SGB V i.d.F.v. 3. Sep. 2009 (AOKHzVV) ist die Antragsgegnerin nach Rechnungsstellung der hausärztlichen Honorare zur Zahlung von drei monatlichen Abschlagszahlungen pro Quartal jeweils zum ersten Bankarbeitstag des Monats für den Vormonat sowie zu einer Quartalsschlusszahlung an den Antragsteller verpflichtet. Die Schlusszahlung des Quartals ist innerhalb von neunzehn Kalendertagen nach Eingang der vollständigen Rechnung auszuzahlen. Der Antragsteller hat gegenüber der Antragsgegnerin die für das zweite Quartal 2010 fällige Schlusszahlungen in Höhe von 75.381.191,37 EUR mit Rechnung vom 27. August 2010 angefordert.

Die Antragsgegnerin verweigerte unter Hinweis auf die sog. Meistbegünstigungsklausel (§ 24 Abs.1 AOKHzVV) die Zahlung eines Teilbetrages von EUR 37.851.631,66 mit der Begründung, dass zwischen den bayerischen Betriebskrankenkassen und dem Antragsteller mittlerweile ebenfalls ein Vertrag gem. § 73b SGB V über die hausarztzentrierte Versorgung (BayBKKHzVV) abgeschlossen worden sei, der einen Fallwert pro Patient von 76,00 EUR zum Inhalt habe. Auf Grund der vereinbarten Meistbegünstigungsklausel sei man berechtigt, den eigenen Fallwert entsprechend herabzusetzen. Der Vertrag sei am 4. Januar 2010 abgeschlossen worden und zum 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Verhandlungen hätten kein Ergebnis erbracht, so dass nunmehr eine Einbehaltung geboten gewesen sei.

Mit dem am 28. September 2010 beim Sozialgericht München eingegangenen Antrag begehrte der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Schlusszahlungen für das erste und zweite Quartal 2010 ungekürzt auszubezahlen.

Zur Begründung wurde zusammengefasst vorgetragen, dass keine der tatbestandlichen Voraussetzungen der vertraglichen Meistbegünstigungsklausel vorläge. Diese setze voraus, dass der Antragsteller einen hausarztzentrierten Versorgungsvertrag mit einer anderen Krankenkasse abschließe, der darin vereinbarte Fallwert aller vertraglichen Leistungen insgesamt niedriger sei als der nach dem AOKHzVV vereinbarte Fallwert und in beiden Verträgen vergleichbare Vergütungstatbestände vorlägen. Der Antragsteller habe den Vertrag mit den bayerischen Betriebskrankenkassen vom 4. Januar 2010 nicht "abgeschlossen". Der Vertragsinhalt sei durch die Schiedsperson gemäß § 73b Abs. 4a SGB V bestimmt worden. Im Übrigen sei der Fallwert nicht "insgesamt niedriger". Die in den BKK-Verträgen festgelegte Fallwertobergrenze von 76,00 EUR entspreche der unterschiedlichen, nämlich niedrigeren Morbidität der Versicherten der Betriebskrankenkassen im Vergleich zu den Versicherten der Antragsgegnerin. Die unterschiedliche Morbiditätsquote der Kassenarten, insbesondere die erhöhte Morbidität der AOK-Versicherten sei ausdrücklich bei der Festsetzung des finanziellen Rahmens von der Schiedsperson beachtet worden. Anhand der KM6-Statistik sei bei der Schiedsverhandlung festgestellt worden, dass die Morbiditätsstruktur der Ersatzkassen um 5 % und diejenige der Betriebskrankenkassen um 10 % günstiger sei als die der Antragsgegnerin. Die vorwiegend als Pauschalen ausgestalteten Vergütungen seien bezogen auf den erforderlichen Leistungsumfang pro Patient somit gleich hoch. Die Antragsgegnerin erhalte überdies einen Ausgleich durch den Morbiditätsrisikostrukturausgleich. Die Meistbegünstigungsklausel solle die Vertragspartner vor einer Wettbewerbsverzerrung schützen. Eine Wettbewerbsverze...

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