Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. keine aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel bei Beitragsnachforderung wegen Scheinselbständigkeit. Schwarzarbeit

 

Orientierungssatz

Sofern aufgrund einer Betriebsprüfung Scheinselbständigkeit (Schwarzarbeit) nachgewiesen wird, sind die daraus resultierenden Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen sofort vollziehbar. Rechtsmittel haben bei Vorliegen von Scheinselbständigkeit keine aufschiebende Wirkung. Insofern entfällt hier die Anwendung des § 7a Abs 7 SGB 4.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts ... vom 11. Dezember 2009 aufgehoben und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27. August 2009 abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 21.601,48 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung.

Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen, das Pflegedienstleistungen in der häuslichen Krankenpflege anbietet. Nach einer in der Zeit vom 14. Juli 2008 bis zum 7. April 2009 durchgeführten Betriebsprüfung forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin für den Zeitraum 1. Dezember 2003 bis 31. März 2008 Beiträge zu den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 86.405,92 Euro nach. Betroffen waren zwei Geschäftsführer und zahlreiche Pflegekräfte, die von der Antragstellerin als selbständig tätige, nicht sozialversicherungspflichtige Personen geführt worden waren. Gegen den Nachforderungsbescheid vom 27. August 2009 erhob die Antragstellerin Widerspruch mit Schreiben vom 2. September 2009. Ein bei der Antragsgegnerin gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Schreiben vom 9. September 2009 abgelehnt.

Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. September 2009 beim Sozialgericht ... um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2009 hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Widerspruch vom 2. September 2009 gegen den Bescheid vom 27. August 2009 aufschiebende Wirkung hat. Das Sozialgericht hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, dem Widerspruch komme kraft Gesetzes nach § 7a Abs. 7 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) aufschiebende Wirkung zu. Inzident seien Statusentscheidungen über Mitarbeiter der Antragstellerin betroffen. § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV gelte nicht nur für Statusfeststellungen im Rahmen eines Anfrageverfahrens, sondern auch für Statusfeststellungen im Rahmen von Betriebsprüfungen. Dagegen hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz an das Sozialgericht ... vom 29. Dezember 2009 (eingegangen am Bayerischen Landessozialgericht am 11. Januar 2010) Beschwerde erhoben. Die Antragsgegnerin hat zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dem Widerspruch der Antragstellerin komme keine aufschiebende Wirkung zu. Es gelte die Bestimmung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten keine aufschiebende Wirkung hätten. Dagegen sei die Vorschrift des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV nur für Statusentscheidungen im Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV anzuwenden.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts ... vom 11. Dezember 2009 aufzuheben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27. August 2009 abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zu Recht die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs festgestellt.

Zum Sach- und Streitstand und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt aller Akten, insbesondere der beigezogenen Akten des Sozialgerichts ... und der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) und begründet. Der Widerspruch der Antragstellerin hat keine aufschiebende Wirkung.

Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen Abgaben einschließlich darauf entfallenden Nebenkosten die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Nachdem die Antragsgegnerin die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 27. August 2009 abgelehnt hatte (§ 86a Abs. 3 Satz 1 SGG), blieb der Antragstellerin nur noch die Möglichkeit, beim Gericht der Hauptsache zu beantragen, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG).

Das Sozialgericht hat zu Unrecht die A...

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