Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme der Kosten eines Gutachtens durch die Staatskasse. Wesentliche Förderung der Sachaufklärung. Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung. Einheitlicher Streitgegenstand. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die erstinstanzliche Entscheidung zur Kostenübernahme auf die Staatskasse ist im Beschwerdeverfahren voll, d.h. nicht nur auf Ermessensfehler, überprüfbar. Die Befugnis zur Ausübung des Ermessens geht mit der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht über.

2. Geht das Hauptsacheverfahren in die Berufung, darf bei der Bewertung, ob das in der ersten Instanz eingeholte Gutachten gemäß § 109 SGG die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert und somit Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung oder den Ausgang des Verfahrens gewonnen hat, nicht allein auf das erstinstanzliche Verfahren abgestellt werden. Vielmehr ist das gesamte Verfahren, also auch das Berufungsverfahren in die Erwägungen einzubeziehen.

3. Eine nur teilweise Kostenübernahme ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber bei einem einheitlichen Streitgegenstand regelmäßig nicht sachgerecht.

 

Normenkette

SGG § 109 Abs. 1 S. 2, § 106

 

Tenor

I. Der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 8. Juli 2013 wird dahingehend abgeändert, dass die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Herrn Dr. K. vom 18. September 2012 nicht nur zur Hälfte, sondern voll auf die Staatskasse übernommen werden.

II. Dem Beschwerdeführer sind die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

In dem am Sozialgericht Augsburg (SG) unter dem Az.: S 8 SB 506/11 anhängig gewesenen Rechtsstreit des Klägers und jetzigen Beschwerdeführers wegen der Höhe des Grads der Behinderung (GdB) - Ziel des Beschwerdeführers war ein GdB von mehr als 40 - erstellten zunächst ein chirurgischer und ein neurologisch-psychiatrischer Sachverständiger Gutachten von Amts wegen. Sie kamen dabei zu der Einschätzung, dass der Gesamt-GdB 40 betrage.

In dem vom Beschwerdeführer gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragten Gutachten durch den Nervenarzt Dr. K. nahm dieser einen Gesamt-GdB von 50 an, wobei er die beim Beschwerdeführer vorliegende Migräne, die die Vorgutachter nicht oder nur mit einem GdB von 10 eingeschätzt hatten, mit einem Einzel-GdB von 30 bewertete. Auch das Schlafaponoe-Syndrom schätzte er wegen der damit verbundenen periodischen Beinbewegungen mit einem GdB von 30 höher ein als die zuvor gehörten Sachverständigen.

Das SG schloss sich im Gerichtsbescheid vom 11.12.2012, Az.: S 8 SB 506/11, der Einschätzung des Dr. K. nicht an und wies die Klage ab.

In dem sich anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG), Az.: L 16 SB 12/13, gab der Beklagte im Erörterungstermin vom 03.07.2013 ein Anerkenntnis (GdB von 50) ab. Zuvor hatte die Berichterstatterin deutlich gemacht, dass sie die Einschätzung des Dr. K. zur Migräne für überzeugend halte. Ob die weitere Annahme des Dr. K., dass für das Schlafapnoe-Syndrom wegen der periodischen Beinbewegungen ein GdB von 30 zugrunde zu legen sei, zutreffend sei, blieb im Erörterungstermin offen.

Mit Beschluss vom 08.07.2013 ist das SG dem Antrag des Beschwerdeführers auf Übernahme der Kosten für das Gutachten gemäß § 109 SGG nur insofern nachgekommen, als die Kosten für das Gutachten gemäß § 109 SGG zur Hälfte auf die Staatskasse übernommen worden sind.

Begründet worden ist die (nur) hälftige Kostenübernahme damit, dass das Gutachten des Dr. K. die Sachaufklärung nur zum Teil wesentlich gefördert habe, nämlich bezüglich der höheren Einstufung des Behinderungsleidens "echte Migräne". Im Übrigen habe - so das SG in den Gründen des Beschlusses vom 08.07.2013 - Dr. K. lediglich die bereits erfolgten sachverständigen Einschätzungen bzw. Feststellungen des Beklagten betätigt. Hinsichtlich der Bewertung der Schlafapnoe habe sich das Bayer. LSG nicht festgelegt, erstinstanzlich sei auch in diesem Punkt der Bewertung durch Dr. K. nicht gefolgt worden. Offen bleibe damit auch, ob die Gesamt-GdB-Bewertung durch Dr. K. bei niedrigerer Einstufung der Schlafapnoe so noch tragfähig sei. Es sei deshalb nur gerechtfertigt, die Hälfte der Kosten des Gutachtens des Dr. K. auf die Staatskasse zu übernehmen.

Gegen die nur teilweise Kostenübernahme hat sich der Beschwerdeführer am 16.07.2013 mit der Beschwerde gewandt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die teilweise ablehnende Entscheidung des SG, nämlich die Kosten des Gutachtens gemäß § 109 SGG nicht wie beantragt voll, sondern nur hälftig auf die Staatskasse zu übernehmen, ist mit Blick auf die weiteren Erkenntnisse im Berufungsverfahren aufzuheben. Die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten sind in voller Höhe auf die Staatskasse zu übernehmen.

Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des behinderten Menschen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann - wie dies im vorliegenden Fall auch erfolgt ist - davon abhängig gemach...

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