Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Gerichtskostenfreiheit bei nicht statthaftem Rechtsbehelf

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem nicht statthaften Rechtsbehelf besteht keine Gerichtskostenfreiheit, auch wenn das Verfahren im Übrigen seiner Art nach gerichtsgebührenfrei wäre.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Beschluss vom 19.10.2017, L 20 VK 8/17, wird als unzulässig verworfen.

II. Der Streitwert wird auf 800,- € festgesetzt.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 20 VK 8/17.

Mit Beschluss vom 19.10.2017, L 20 VK 8/17, hat der Senat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Fachanwalts für Sozialrecht für das Berufungsverfahren abgelehnt. Die Ablehnung ist mit den fehlenden Erfolgsaussichten begründet worden. Zugestellt worden ist der Beschluss dem Kläger am 27.10.2017.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 08.11.2017 "Berufung ... und eine AnhörungsRüge" eingelegt.

Über die Anhörungsrüge hat der Senat mit Beschluss vom 28.11.2017, L 20 VK 11/17 RG, entschieden.

Im Verfahren der "Berufung" gegen den Beschluss vom 19.10.2017 hat der Senat den Kläger mit Schreiben vom 14.11.2017, zugestellt am 17.11.2017, darauf hingewiesen, dass eine Berufung gegen den Beschluss vom 19.10.2017 nicht statthaft sei. Trotz der fehlenden Statthaftigkeit sei vom Gericht das Rechtsmittel der Berufung neben einer Anhörungsrüge eingetragen worden, um sich nicht dem Vorwurf aussetzen zu müssen, dem Kläger würde der von ihm explizit als "Berufung" bezeichnete Rechtsschutz verweigert. Weiter ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass eine Entscheidung über die offensichtlich unstatthafte Berufung kostenpflichtig sein werde. Zudem ist der Kläger darüber informiert worden, dass der Senat beabsichtige, die Berufung durch Beschluss gemäß § 158 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Dem Kläger ist eine Frist zur Rücknahme der Berufung bis spätestens 29.11.2017 gesetzt worden.

Eine Rücknahme der Berufung ist nicht erfolgt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss vom 19.10.2017, L 20 VK 8/17, aufzuheben und ihm für das Berufungsverfahren L 20 VK 8/17 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Fachanwalt für Sozialrecht beizuordnen.

Beigezogen worden sind die Akten zu den Verfahren mit den Aktenzeichen L 20 VK 8/17 und L 20 VK 11/17 RG.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unzulässig, da unstatthaft.

1. Auslegung des klägerischen Begehrens

Das am 08.11.2017 eingegangene Schreiben des Klägers stellt eine Berufung gegen den Beschluss des Senats vom 19.10.2017, L 20 VK 8/17, dar.

Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen bei Gericht ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 17/13 R), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.1995, X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, 1 BvR 461/03).

Bei Beachtung dieser Vorgaben ist das am 08.11.2017 eingegangene Schreiben des Klägers neben einer Anhörungsrüge auch als Berufung gegen den Beschluss des Senats vom 19.10.2017, L 20 VK 8/17, zu sehen. Der Kläger hat in seinem Schreiben zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass er die Entscheidung des Senats für falsch hält und eine Revidierung dieser Entscheidung begehrt. Der nicht prozessunerfahrenen Kläger begehrt unter dieser Zielsetzung eine Überprüfung des Beschlusses vom 19.10.2017 im Rahmen einer "Berufung ... und eine[r] AnhörungsRüge". Dass er - trotz der Unstatthaftigkeit einer Berufung - gleichwohl die Überprüfung im Rahmen einer Berufung gewünscht hat und darauf auch beharrt, schließt der Senat neben der ausdrücklichen Bezeichnung der beiden Rechtsbehelfe auch daraus, dass der Kläger trotz entsprechender gerichtlicher Belehrung im Schreiben vom 14.11.2017 nicht Abstand von der von ihm eingelegten "Berufung" genommen hat. Würde der Senat gleichwohl auf eine Entscheidung zu der explizit erhobenen "Berufung" verzichten, könnte der Kläger den Vorwurf erheben, ihm würde der von ihm begehrte und explizit bezeichnete Rechtsschutz durch den Senat verweigert. Dieser Vorwurf ist zu vermeiden, was nur durch eine Entscheidung über die Berufung möglich ist.

2. Entscheidung durch Beschluss gemäß § 158 Satz 2 SGG

Der Senat konnte durch Beschluss gemäß § 158 Satz 2 SGG entscheiden; einer mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht.

Gegen ...

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