Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Entstehen der Erledigungsgebühr. Erfordernis einer qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung. außergerichtliches Bemühen um die Erledigung des Rechtsstreits. fiktive Terminsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erledigung des Rechtsstreits "durch die anwaltliche Mitwirkung" setzt eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts im Sinn einer qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung voraus.

2. Der Rechtsanwalt hat die Erledigungsgebühr verdient, wenn er sich außergerichtlich um die Erledigung des Rechtsstreits bemüht und mit dieser Aktivität einen wesentlichen Beitrag zur Erledigung des Rechtsstreits geleistet hat.

 

Orientierungssatz

Zur Entstehung und Bemessung der (fiktiven) Terminsgebühr nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung.

 

Tenor

I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.03.2009 wird abgeändert.

II. Unter Abänderung der Kostenfestsetzung vom 08.11.2009 und unter Zuerkennung einer Erledigungsgebühr von 190 Euro wird die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des Beschwerdeführers auf insgesamt 528,55 Euro festgesetzt.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zusteht. Streitig sind die Erledigungsgebühr und die Höhe der Terminsgebühr.

Im Klageverfahren am Sozialgericht Bayreuth S 4 AS 954/07 ging es um die Zulässigkeit der Anrechnung der Verpflegung während eines Krankhausaufenthalts als Einkommen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Beschluss vom 06.12.2007 bewilligte das Sozialgericht Prozesskostenhilfe ab Klageerhebung und ordnete der Klägerin den Beschwerdeführer bei. Das im Dezember 2007 zum Ruhen gebrachte Verfahren nahm die Beklagte am 30.07.2008 wieder auf. Mit Bescheid vom gleichen Tag erteilte sie den mit der Klage begehrten Bescheid, die Klägerin erhielt also die Regelleistung ohne Kürzung wegen einer Anrechnung der Krankenhausverpflegung.

Mit Schriftsatz vom 23.10.2008 stellte der Beschwerdeführer für seine anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Prozesskostenhilfe der Staatskasse 648,55 Euro in Rechnung und verlangte wegen des schon erhaltenen Vorschusses (226,10 Euro) die Zahlung von 422,45 Euro. Geltend gemacht hat er eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG: 170 Euro, eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG: 200 Euro und eine Erledigungsgebühr gemäß Nrn. 1005, 1006 VV RVG: 190 Euro (außerdem Pauschale 20 Euro, abzüglich Anrechnung Beratungshilfe 35 Euro, ergibt netto 545 Euro, zzgl. Mehrwertsteuer 103,55 Euro).

Die Kostenbeamtin setzte die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren am 18.11.2008 auf 77,35 Euro fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG

170,00 Euro

abzüglich Beratungshilfe, Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG

 35,00 Euro

ergibt

135,00 Euro

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

100,00 Euro

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

 20,00 Euro

gesamt

255,00 Euro

19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG

 48,45 Euro

insgesamt

303,45 Euro

abzüglich Vorschusszahlung

225,10 Euro

verbleiben als Zahlbetrag

77,35 Euro

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Terminsgebühr den gesetzlichen Bestimmungen entspreche, aber überhöht sei. Unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei die Gebühr auf 100 Euro festzusetzen. Die Terminsgebühr entstehe u.a. auch, wenn das Verfahren vor dem Sozialgericht wie hier nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Auszugehen sei in solchen Fällen jedoch nicht von der Mittelgebühr, sondern wegen des regelmäßig geringeren Aufwands im Vergleich zur Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung von einer reduzierten Mittelgebühr. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV RVG sei nicht entstanden. Nach Nr. 1002 VV RVG müsse sich die Rechtssache durch die anwaltliche Mitwirkung erledigen. Hier sei das Anerkenntnis jedoch durch eine Entscheidung des BSG ausgelöst worden, worauf die Beklagte den Anspruch umgehend anerkannt habe. Die Annahme und die daraus resultierende Erklärung, dass sich der Rechtsstreit damit erledigt hat, gehöre zu den allgemeinen Aufgaben des Mandats und sei durch die Verfahrensgebühr abgegolten.

Der Beschwerdeführer hat mit Fax vom 24.11.2008 Erinnerung eingelegt. Unter Vorlage einer Kopie seines Schreibens an die beklagte ARGE vom 04.07.2008 hat er ausgeführt, dass die Erledigungsgebühr angefallen sei, weil eine Mitwirkungshandlung vorgelegen habe. Wegen einer vom Bundessozialgericht zu erwartenden Entscheidung sei das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden. Nachdem diese Entscheidung am 18.06.2008 (B 14 AS 22/07) ergangen sei, habe er sich mit Schreiben vom 04.07.2008 an die Beklagte gewendet und darauf hingewirkt, dass sie den Bescheid zurücknehmen...

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