Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. Nichtanwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV bei über Beratungshilfe abgerechneter Tätigkeit im Vorverfahren. Anrechnung der Beratungshilfegebühr. fiktive Terminsgebühr. Bemessung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendung des reduzierten Gebührenrahmens der Nr 3103 VV RVG (juris: RVG-VV) ist durch den Umstand ausgeschlossen, dass die Geschäftsgebühr, die im Rahmen der von der Beratungshilfe umfassten Tätigkeit entstanden ist, auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist (vgl LSG München vom 4.11.2010 - L 15 B 617/08 SB KO = Breith 2011, 167).

2. Bei der fiktiven Terminsgebühr gemäß Nr 3106 S 2 Nr 2 VV RVG hat für die konkrete Bemessung der Gebühr eine fiktive Prüfung zu erfolgen. Maßgeblich sind die Kriterien des § 14 Abs 1 RVG, wobei hypothetisch zu beurteilen ist, welche Schwierigkeiten und welchen Aufwand die mündliche Verhandlung mit sich gebracht hätte, wenn sie durchgeführt worden wäre.

 

Tenor

I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 9. Dezember 2008 wird

aufgehoben.

II. Unter Abänderung der Kostenfestsetzung vom 1. August 2008 wird die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des Beschwerdeführers auf 517,65 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zusteht. Streitig sind die Höhe der Verfahrensgebühr und die Höhe der fiktiven Terminsgebühr.

Im Klageverfahren am Sozialgericht Bayreuth S 12 (3) R 775/06 ging es um die Höhe der Witwenrente der Klägerin und dabei um die Begrenzung der Entgeltpunkte nach § 22b Fremdrentengesetz (FRG). Das Sozialgericht Bayreuth wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2007 ab. Mit Beschluss vom 27.12.2008 (L 19 B 229/08 R PKH) bewilligte das Bayer. Landessozialgericht der Klägerin für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth Prozesskostenhilfe und ordnete ihr den Beschwerdeführer bei.

Mit Schriftsatz vom 13.06.2008 stellte der Beschwerdeführer, der die Klägerin schon im Widerspruchsverfahren vertreten hatte, Antrag auf Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen: Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG (Mittelgebühr): 250 Euro, Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG (Mittelgebühr): 200 Euro (außerdem Pauschale 20 Euro, abzüglich Anrechnung Beratungshilfe 35 Euro, ergibt netto 435 Euro, zzgl. Mehrwertsteuer 82,65 Euro). Insgesamt verlangte er einen Betrag von 517,65 Euro.

Die Kostenbeamtin setzte die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren am 01.08.2008 wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG

60,00 Euro

abzüglich Beratungshilfe, Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG

  35,00 Euro

ergibt

25,00 Euro

Terminsgebühr, Nr. 3106 Nr. 2 VV RVG

100,00 Euro

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

 20,00 Euro

19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG

  27,55 Euro

insgesamt

172,55 Euro

Zur Begründung führte sie aus, dass für die Verfahrensgebühr bei Vertretung bereits im Widerspruchsverfahren der Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG maßgeblich sei und die Gebühr unter Berücksichtigung aller Tätigkeiten des Rechtsanwalts ab dem 15.01.2007 (Prozesskostenhilfe-Antragstellung) auf 60 Euro festgesetzt werde. Die Terminsgebühr sei auf 100 Euro festzusetzen, da das Verfahren durch Gerichtsbescheid entschieden worden sei.

Der Beschwerdeführer hat am 06.08.2008 Erinnerung eingelegt. Er hat vorgetragen, dass bei Vertretung im Vorverfahren auf Basis von Beratungshilfe eine Rahmengebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG unter Anrechnung der hälftigen Beratungshilfegebühr gemäß Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG entstehe. Der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV RVG sei eine Abwandlung zu der Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG und berücksichtige, dass der mit der Sache bereits vorbefasste Rechtsanwalt bereits eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG erhalten habe. Vertrete der Rechtsanwalt den Mandanten im behördlichen Verfahren auf Beratungshilfebasis, habe er die Gebühr des Nr. 2400 VV RVG gerade nicht erhalten. Eine Anrechnung der hälftigen Beratungshilfe-Geschäftsgebühr auf Nr. 3103 VV RVG scheide jedenfalls völlig aus, da es sich bei Nr. 3103 VV RVG bereits um eine Anrechnungsvorschrift handele. Die Folge der bei der Kostenfestsetzung vertretenen Auffassung sei, dass der auf Basis von Beratungshilfe vorbefasste Rechtsanwalt weniger erhalte (279,76 Euro) als der erst im gerichtlichen Verfahren tätige Rechtsanwalt (321,30 Euro). Darüber hinaus trete er den Absetzungen in Höhe von 290 Euro entgegen. Der Rechtsstreit sei insgesamt als durchschnittlich zu bewerten, der Ansatz von Mittelgebühren sei daher nicht zu beanstanden. Die Kostenbeamtin half der Erinnerung nicht ab.

Das Sozialgericht Bayreuth hat mit Beschluss vom 09.12.2008 die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.08.2008 als unbegründet zurückgewiesen. Für die Verfahrensgebühr sei der Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV RVG und...

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