Entscheidungsstichwort (Thema)

Erinnerung gem. § 56 Abs. 2 RVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Gebührenbemessung bei gerichtlichen Streitigkeiten aus dem SGB II.

2. Der Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG kann auch bei Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz Anwendung finden (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 11.04.2013 L 15 SF 43/12 B).

3. Es wirkt sich ganz erheblich Gebühren mindernd aus, wenn ein Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt wird, ob er objektiv deplaziert ist (hier: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, obwohl ein Rechtsbehelf schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat).

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 7. Dezember 2011 dahin abgeändert, dass die Verfahrensgebühr für das Verfahren S 46 AS 1669/09 ER auf 60 EUR festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.

Die Beschwerdegegnerin war in vier vor dem Sozialgericht München anhängigen Verfahren nach dem SGB II der damaligen Klägerin bzw. Antragstellerin im Weg der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Es handelte sich um drei Klageverfahren (S 46 AS 2185/08, S 46 AS 61/09, S 46 AS 1612/09), die allesamt die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung betrafen. Das vierte war ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 46 AS 1669/09 ER); beantragt wurde die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des kurz zuvor gegen einen so genannten Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II eingelegten Widerspruchs.

Nach Erledigung aller vier Verfahren (Erledigung der Klageverfahren durch Prozessvergleich in einem Termin, Erledigung des Eilverfahrens im gleichen Termin durch übereinstimmende Erledigterklärung) setzte die Urkundsbeamtin beim Sozialgericht München als Vergütung nach §§ 45 ff. RVG insgesamt 1.088,12 EUR fest. Während die Beschwerdegegnerin für alle vier Verfahren die jeweiligen Mittelgebühren beantragt hatte (für das Verfahren S 46 AS 1669/09 ER die Verfahrensgebühr auf der Basis von Nr. 3102 VV RVG), blieb die Urkundsbeamtin deutlich darunter. Das Verfahren S 46 AS 2185/08 behandelte sie quasi als Leitverfahren für die anderen Klagen S 46 AS 61/09 und S 46 AS 1612/09; die Verfahrensgebühr setzte sie dort auf der Grundlage von Nr. 3103 VV RVG mit 120 EUR (also 50 EUR unterhalb der Mittelgebühr) fest, die Termins- und die Einigungsgebühr jeweils 20 EUR unterhalb der jeweiligen Mittelgebühr. Für die beiden Folgeverfahren S 46 AS 61/09 und S 46 AS 1612/09 taxierte sie wegen der nahezu identischen Problemlage die drei Gebühren jeweils am unteren Rand des zur Verfügung stehenden Betragsrahmens. In Bezug auf das Eilverfahren S 46 AS 1669/09 ER sprach sie als Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG 60 EUR, als Terminsgebühr 110 EUR zu (von der Beschwerdegegnerin war jeweils die Mittelgebühr beantragt worden).

Auf die Erinnerung der Beschwerdegegnerin hob der Kostenrichter beim Sozialgericht München mit Beschluss vom 07.12.2011 alle Gebühren mit Ausnahme der Terminsgebühr für das Verfahren S 46 AS 1669/09 ER an. Für das Verfahren S 46 AS 2185/08 erkannte er die beantragten Mittelgebühren zu, für S 46 AS 61/09 und S 46 AS 1612/09 jeweils 30% der Mittelgebühren. Die Verfahrensgebühr im Verfahren S 46 AS 1669/09 ER legte er auf der Grundlage von Nr. 3102 VV RVG auf 125 EUR fest. Insgesamt resultierte daraus eine Mehrzahlung an die Beschwerdegegnerin in Höhe von 393,89 EUR.

Gegen den Beschluss des Kostenrichters richtet sich die am 14.12.2011 eingelegte Beschwerde der Staatskasse, welche die Festsetzung so wie von der Urkundsbeamtin vorgenommen anstrebt.

Der Senat hat die Akten des Sozialgerichts in den vier genannten Grundsicherungsverfahren beigezogen.

II.

Die Beschwerde hat nur geringen Erfolg. Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).

Von der Beschwerde der Staatskasse werden all diejenigen Gebühren erfasst, die der Kostenrichter im Vergleich zur Urkundsbeamtin angehoben hat. Ausgeklammert bleibt damit nur die Terminsgebühr im Verfahren S 46 AS 1669/09 ER.

Die Beschwerde ist zwar zulässig, jedoch nur in geringem Umfang begründet.

Für das Verfahren S 46 AS 2185/08 hat der Kostenrichter zu Recht die Mittelgebühren festgesetzt. Zwar hat der Senat entschieden, dass es für Verfahren nach dem SGB II keine besonderen Bemessungskriterien gibt (vgl. Senatsbeschluss vom 10.12.2012 - L 15 SF 18/12 B). Beispielsweise darf kein abweichender Maßstab für den die Mittelgebühr rechtfertigenden Durchschnittsfall angelegt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 28.12.2011 - L 15 SF 60/11 B E; Senatsbeschluss vom 02.12.2011 - L 15 SF 28/11 B E). Vergleichsobjekt ist insoweit stets das gesamte Spektrum sozialrechtlicher Streitigkeiten (vgl. Senatsbeschluss vom 28.12.2011 - L 15 SF 60/11 B E). Bei diesem Maßstab tut man sich nicht leicht, den "normalen" SGB II-Fall automatisch mit der Mittelgebühr zu taxieren (Senatsbeschluss vom 03...

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