Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurücknahme von Wohngeldbescheiden. Vorsätzlich oder grob fahrlässige Angaben. Zurücknahme gegenüber der Erbin. Erbin keine Sonderrechtsnachfolgerin i.S. von § 56 und 57 SGB I. Haftung nach § 1967 BGB. Beachtlichkeit der Dürftigkeitseinrede. Wohngeld (Rückforderung). Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. April 2005

 

Normenkette

SGB X § 45 Abs. 2, § 50; SGB I §§ 56-57; BGB §§ 1967, 1990, 242

 

Verfahrensgang

VG Ansbach (Urteil vom 07.04.2005; Aktenzeichen 14 K 04.3717)

 

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. April 2005 wird abgeändert.

II. Der Änderungsbescheid des Beklagten vom 24. März 2005 wird in seinen Nrn. 4 und 5 aufgehoben, soweit die Klägerin dort verpflichtet wird 984,17 Euro an den Beklagten zu zahlen.

III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der beklagte Landkreis hatte dem Ehemann der Klägerin mit fünf Bescheiden vom 6. Juli 2000, 26. Januar, 10. Juli und 10. August 2001 sowie vom 21. Oktober 2003 Wohngeld gewährt. Dabei wurde das Wohngeld zu Unrecht bzw. in einer nicht zustehenden Höhe gewährt, weil der Ehemann den Lohn der Klägerin als Reinigungskraft von monatlich ca. 320 Euro verschwiegen hatte. Dies kam aber erst auf, als die Klägerin am 19. Oktober 2004 selbst einen Wohngeldantrag stellte. Der Ehemann der Klägerin verstarb am 18. November 2004. Er hinterließ seine Ehefrau, die Klägerin, und einen im Haushalt lebenden behinderten Sohn.

Der Beklagte richtete am 24. März 2005 folgenden Änderungsbescheid an die Klägerin (VG-Akte S. 37):

  1. „…
  2. Die Bescheide vom 6.7.2000, 26.1.2001 und 10.8.2001 über die Gewährung von Mietzuschuss werden zurückgenommen.
  3. Die Bescheide vom 10.7.2001 und 21.10.2003 werden teilweise zurückgenommen.
  4. Das aufgrund der zurückgenommenen Bescheide ab 1.4.2000 zu Unrecht gewährte Wohngeld wird zurückgefordert. Der Betrag von 342,09 Euro wird von der Sozialhilfeverwaltung zurückgefordert. Der Betrag von 984,17 Euro wird von Ihnen zurückgefordert.
  5. Den Überzahlungsbetrag in Höhe von 984,17 Euro bitten wir bis 26.4.2005 auf das Konto … einzuzahlen”.

Zur Begründung berief er sich auf §§ 45 und 50 SGB X sowie auf die Vorschrift über die Haftung des Sonderrechtsnachfolgers in § 57 Abs. 2 i.V.m. § 56 SGB I.

Die Klägerin erhob Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach und beantragte sinngemäß, den Änderungsbescheid vom 24. März 2005 aufzuheben. Zur Begründung trug sie vor, sie mache die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses gemäß § 1990 BGB geltend. Nachdem der angefochtene Bescheid ohne Vorbehalt ergangen sei, sei er aufzuheben. Gegebenenfalls sei neu zu titulieren und zwar unter Vorbehalt. Der Nachlass sei überschuldet. Der Erblasser habe kein Vermögen hinterlassen. Ein Insolvenzverfahren könne nicht durchgeführt werden, da dessen Kosten nicht gedeckt wären.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 7. April 2005 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Vorschriften der §§ 56 und 57 SGB I seien vorliegend anwendbar: Das der Klägerin nach dem Tod ihres Mannes weitergewährte Wohngeld stelle eine laufende Geldleistung im Sinn von § 56 Abs. 1 SGB I dar. Das Wohngeld werde regelmäßig für den Zeitraum eines Jahres bewilligt (§ 27 Abs. 1 WoGG) und sei jeweils zum Monatsbeginn fällig (§ 28 Abs. 2 WoGG). Die Klägerin, die mit dem verstorbenen Wohngeldberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und von ihm im Wesentlichen unterhalten worden sei, habe nicht innerhalb von sechs Wochen nach ihrer Kenntnis auf die Sonderrechtsnachfolge gegenüber der Wohngeldstelle verzichtet. Deshalb seien die Ansprüche des verstorbenen Wohngeldberechtigten auf sie übergegangen mit der Folge, dass die Klägerin dem Beklagten auch für die Erstattung der Wohngeldüberzahlung hafte (§ 57 Abs. 2 SGB I). Die Möglichkeit einer Beschränkung der Erbenhaftung sei in diesem Fall ausgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht habe sie in seinem Urteil vom 20. Januar 1977 (BVerwGE 52,16) zwar für den Bereich der Sozialhilfe zugelassen. Dieser Fall sei aber nicht vergleichbar, weil Sozialhilfe jeweils auf den konkreten Bedarf des einzelnen abstelle, Wohngeld dagegen auf den Haushalt des Wohngeldempfängers. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte und für die Erstattung von zu Unrecht erbrachten Leistungen vor (§§ 45 und 50 SGB I).

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ließ die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu, soweit die Klage gegen die Rückforderung eines Betrags von 984,10 Euro von der Klägerin (Nrn. 4 und 5 des Änderungsbescheids vom 24. März 2005) abgewiesen wurde.

Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin, das Urtei...

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