Leitsatz

Neben dem Anspruch auf Beseitigung einer rechtswidrigen baulichen Veränderung nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 22 Abs. 1 WEG besteht auch ein Anspruch auf Verschaffung des unmittelbaren Mitbesitzes am gemeinschaftlichen Eigentum, wenn die bauliche Veränderung sowohl ein Vorenthalten des Besitzes als auch eine andere Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums darstellt. Auch bei Vorliegen eines bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses, wonach Beseitigungsansprüche durch den Verband ausgeübt werden sollen, ist die Geltendmachung durch einzelne Wohnungseigentümer nicht ausgeschlossen.

 

Fakten:

Der Rechtsvorgänger eines der Eigentümer hatte auf der vor seinem Sondereigentum liegenden Dachfläche einen Wintergarten errichtet. Ein entsprechendes Sondernutzungsrecht war nicht begründet. Die Eigentümer beschlossen, dass der Anspruch auf Rückbau des Wintergartens von der Gemeinschaft gerichtlich geltend gemacht werden solle. Der Beschluss entsprach ordnungsmäßiger Verwaltung, da gegen den Eigentümer ein Anspruch auf Duldung der Beseitigung des Wintergartens besteht, den die Eigentümergemeinschaft geltend machen kann. Ein Beseitigungs- oder Wiederherstellungsanspruch setzt voraus, dass eine rechtswidrige bauliche Veränderung vorliegt, was in diesem Fall keiner weiteren Problematisierung bedurfte. Die Tatsache, dass die Dachterrassen faktisch im Alleingebrauch des Eigentümers steht, begründet für sich allein noch kein Alleingebrauchsrecht. Nachdem hier die umlaufenden Dachterrassen von ihrer Beschaffenheit nicht zum ständigen Mitgebrauch aller Eigentümer bestimmt sind, bedarf es auch nicht eines im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Zugangs. Durch die bauliche Beschaffenheit allein werden daher weder Sondereigentum noch Sondernutzungsrechte begründet. Die Errichtung des Wohnzimmeranbaus stellt demnach eine bauliche Veränderung des Gemeinschafts- eigentums dar, die entweder die Zustimmung aller Eigentümer, das Vorliegen eines bestandskräftigen genehmigenden Mehrheitsbeschlusses oder das Fehlen einer Beeinträchtigung i. S. v. § 14 Nr. 1 WEG erfordert hätte. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht gegeben. Die bauliche Veränderung stellt zugleich eine Entziehung des Mitbesitzes der übrigen Eigentümer am gemeinschaftlichen Eigentum dar. Dann sind die Ansprüche aus § 985 BGB und § 1004 BGB nebeneinander gegeben. Geschuldet wird nach § 985 BGB die Verschaffung des unmittelbaren Mitbesitzes am gemeinschaftlichen Eigentum. Im vorliegenden Fall ist dies gleichbedeutend mit der Entfernung der baulichen Erweiterung des Sondereigentums des Eigentümers. Anders als bei § 1004 BGB kommt es für den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB nicht auf die Art des Besitzerwerbs an. Damit kann als Minus des Herausgabean- spruchs auch die Duldung der Beseitigung der besitzstörenden Bebauung verlangt werden.

 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss vom 16.11.2007, 32 Wx 111/07

Fazit:

Nach Auffassung des Gerichts ist die Abwehr von Störungen im Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nicht nur Angelegenheit der Eigentümer, sondern gehört auch zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums des insoweit teilrechtsfähigen Verbands, wenn die Störung in die Befugnisse der Gemeinschaft eingreift. Hier handelt es sich nicht um die optische Beeinträchtigung eines einzelnen, sondern auch um eine Erschwerung der Überprüfung des Erhaltungszustands des Dachs und so um einen Kernbereich der gemeinschaftlichen Verwaltung. Damit hätte die Gemeinschaft den Beseitigungsanspruch auch im eigenen Namen verfolgen können. Gleiches gilt auch für den Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes, da dieser Voraussetzung für die Durchführung einer ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ist.

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