Mit Blick auf die Beseitigung ungenehmigter baulicher Veränderungen gilt zunächst der Grundsatz, dass entsprechende Ansprüche von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt werden. Das Gemeinschaftseigentum steht zwar nicht im Eigentum der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern im Eigentum aller Wohnungseigentümer als Bruchteilsgemeinschaft. Allerdings folgt der Anspruch auf Beseitigung einer baulichen Veränderung aus dem Gemeinschaftseigentum, weshalb die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gem. § 9a Abs. 2 WEG die entsprechenden aus dem Gemeinschaftseigentum resultierenden Rechte und Pflichten wahrnimmt. Sie fungiert insoweit als gesetzliche Prozessstandschafterin der Wohnungseigentümer.

Sind einzelne Wohnungseigentümer durch die bauliche Veränderung konkret in ihrem Sondereigentum beeinträchtigt, können auch sie den Beseitigungsanspruch gerichtlich durchsetzen.

 
Praxis-Beispiel

Der verbaute Elbblick

In einer Mehrhausanlage wurde einem Wohnungseigentümer die Aufstockung seines Hauses um ein Vollgeschoss gestattet. Tatsächlich errichtete er noch ein weiteres Geschoss. Hierdurch wurde einem anderen Wohnungseigentümer der vorher mögliche Blick auf die Elbe verbaut.

Der Wohnungseigentümer kann eigenständig und ohne Beteiligung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Beseitigung des weiteren Geschosses gegen den anderen Wohnungseigentümer geltend machen.

Ist ein Wohnungseigentümer durch eine ungenehmigte bauliche Veränderung nicht konkret in seinem Sondereigentum beeinträchtigt und will er dennoch deren Beseitigung durchsetzen, hat er einen entsprechenden Beschluss zu initiieren. Er selbst kann die Beseitigung nämlich nicht durchsetzen, da nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsprechend klagebefugt ist.

Wird der Antrag von den übrigen Wohnungseigentümern mehrheitlich abgelehnt, muss der Wohnungseigentümer eine Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG erheben und ggf. eine Beschlussausführungsklage anschließen. Allerdings wird er beides in einer Stufenklage geltend machen können. Diese Klage muss er gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erheben.

 

Bauliche Veränderungen durch den Grundstücksnachbarn

Nach altem Recht stand jedem Wohnungseigentümer im Hinblick auf das gemeinschaftliche Eigentum ein Individualanspruch auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung, z. B. wegen Lärms oder auch durch eine bauliche Veränderung, gegen den Grundstücksnachbarn zu.[1] Hat etwa der Grundstücksnachbar der Wohnungseigentümergemeinschaft unter Unterschreitung der erforderlichen Abstandsfläche einen Anbau neu errichtet, konnte jeder einzelne Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft insoweit ein öffentlich-rechtliches Verfahren gegen den Grundstücksnachbarn einleiten. Eine derartige Befugnis wird man dem Wohnungseigentümer auch auf Grundlage des neuen Rechts dann einräumen müssen, wenn er durch die Bautätigkeit in der Nachbarschaft konkret in seinem Sondereigentum gestört ist.

Laufende Altverfahren

In laufenden Altverfahren ist seit Inkrafttreten des WEMoG die Aktivlegitimation einzelner klagender Wohnungseigentümer entfallen.

 
Praxis-Beispiel

Klage auf Beseitigung einer Markise

Einer der Wohnungseigentümer hatte im Sommer 2020 ohne eine entsprechende Genehmigungsbeschlussfassung herbeizuführen, eine Markise im Bereich seines Balkons montiert. Einer der übrigen Wohnungseigentümer fühlt sich durch die hierdurch veränderte Optik der Wohnanlage gestört und hat im September 2020 Klage auf Beseitigung der Markise erhoben. Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie hatte das Amtsgericht die mündliche Verhandlung erst auf Juni 2021 terminiert. Der Rechtsstreit wurde dann bis Oktober 2022 vor dem Landgericht in der Berufung geführt. Derzeit ist die Revision vor dem BGH anhängig.

Mittlerweile entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass in Altverfahren, die vor dem 1.12.2020 bei Gericht anhängig geworden sind, bei Klagen auf Beseitigung baulicher Veränderungen am Gemeinschaftseigentum in analoger Anwendung des § 48 Abs. 5 WEG die Prozessführungsbefugnis des klagenden Wohnungseigentümers so lange weiter besteht, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu Kenntnis gebracht wird.[2]

Begehrt der klagende Wohnungseigentümer – wie im vorgenannten Beispiel – die Beseitigung von baulichen Veränderungen im Bereich der Fassade, die nicht mit ihn störenden Emissionen und auch nicht mit einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage verbunden ist, steht ihm nach der WEG-Reform gemäß § 9a Abs. 2 WEG für den Anspruch aus § 1004 BGB die Klagebefugnis nicht mehr zu. Der Anspruch aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG, der an die Stelle des Anspruchs der Eigentümer aus § 15 WEG a. F. getreten ist, liegt nur noch bei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Klagebefugnis bliebe ihm allein dann, wenn er durch die bauliche Veränderung konkret in seinem Sondereigentum gestört b...

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