Abwägungsgrundsatz

Bei der Aufstellung der Bauleitpläne müssen die Gemeinden nach § 1 Abs. 7 BauGB alle berührten öffentlichen und privaten Belange nebeneinander und untereinander gerecht abwägen. Dieser Abwägungsgrundsatz ist eines der zentralen Gebote der Bauleitplanung. Vor einer Beschäftigung mit den Einzelfragen der Abwägung müssen 2 Grundsätze vorausgeschickt werden:

  • Wichtig! Gleichwertigkeit aller Belange

    Das Gesetz spricht davon, dass die öffentlichen und privaten Belange festzustellen und abzuwägen sind. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber weder den öffentlichen noch den privaten Belangen einen Vorrang einräumen wollte.

  • Alle öffentlichen und privaten Belange sind grundsätzlich gleichwertig. Das Gesetz kennt keine Belange, die a priori einen höheren oder geringeren Wert haben. Die Gewichtung und Wertung der Belange kann immer erst im konkreten Fall anhand ihrer konkreten Bedeutung für die zu überplanende Fläche festgestellt werden.

Beispiele öffentlicher Belange

Eine beispielhafte Aufzählung wichtiger öffentlicher Belange enthält § 1 Abs. 6 BauGB. Zu erwähnen sind hier beispielsweise

  • die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
  • die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung,
  • die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung,
  • die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes und die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege,
  • die Belange der Wirtschaft und der Landwirtschaft,
  • die von den Kirchen festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
  • die Belange der Verteidigung,
  • die Ergebnisse sonstiger von der Gemeinde beschlossener städtebaulicher Planungen.

Umweltschutz

Schließlich ist noch auf die Belange des Umweltschutzes zu verweisen, die durch das Baugesetzbuch 1998 in einem eigenen § 1a herausgehoben wurden und denen im nachfolgenden Kapitel noch einige spezielle Ausführungen gewidmet werden.

Die Bedeutung, die die öffentlichen Belange für das von der Gemeinde vorgesehene Planungsgebiet haben, wechselt im Einzelfall sehr stark. Bei der Überplanung eines landschaftsprägenden Hanges oder wertvoller Biotopflächen werden beispielsweise die Belange des Landschafts- und Naturschutzes einen hohen Stellenwert einnehmen. Bei der Überplanung von landwirtschaftlichen Flächen am Stadtrand, die ohne besonderen landschaftlichen Reiz sind, wird dagegen der Landschaftsschutz keine Rolle spielen. Hier können dagegen Fragen der Verkehrserschließung, der Deckung von Wohnbedürfnissen bestimmter Bevölkerungskreise oder der Schaffung neuer Arbeitsplätze die entscheidenden öffentlichen Belange sein.

Ob und in welchem Umfang öffentliche Belange tangiert sind, muss die Gemeinde zunächst einmal aufgrund ihrer eigenen Kenntnisse feststellen. In vielen Fällen wird sie aber zusätzlich fachliche Hilfestellungen durch staatliche Behörden benötigen. So werden die Fragen der Beeinträchtigung von Wasserschutzzonen oder die Fragen der Abwasserbeseitigung nicht ohne Kontakt mit den staatlichen Wasserwirtschaftsämtern zureichend beurteilt werden können. Auch das Wissen und die Kenntnisse der Gemeindebürger, etwa über vorhandene wertvolle Bausubstanz oder über die Beschaffenheit des Untergrundes, können der Gemeinde in vielen Fällen Hilfen zur Beurteilung von öffentlichen und privaten Belangen geben.

Zielkonflikte zwischen verschiedenen Belangen

In den meisten Fällen wird sich zeigen, dass die festgestellten öffentlichen und privaten Belange nicht alle in die gleiche Richtung weisen. Sehr häufig wird es zwischen den Belangen zu Zielkonflikten kommen. Soll eine landwirtschaftlich wertvolle Fläche zu einem Gewerbegebiet umgewandelt werden, so entsteht ein Konflikt zwischen den Belangen der Landwirtschaft und der Wirtschaft.

Soll in einem innerstädtischen Bereich vorhandene Bebauung beseitigt und Platz für eine großzügige Neubebauung geschaffen werden, so kann es zu einem Konflikt zwischen den Belangen des Denkmalschutzes und den Belangen der Stadtgestaltung und der Wirtschaft kommen. Bei der Abwägung müssen also die festgestellten privaten und öffentlichen Interessen gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden. Hierbei ist es nicht zu vermeiden, dass einzelne Interessen zurücktreten müssen, weil sie im konkreten Fall ein geringeres Gewicht haben als andere Interessen.

So kann es nötig sein, dass das Interesse an einer möglichst ungeschmälerten Erhaltung des Landschaftsbilds in einem bestimmten Maße zurückzutreten hat, weil ein dringendes Bedürfnis an der Ausweisung neuer Wohn- oder Gewerbebauflächen besteht. In einem anderen Fall kann das Interesse an der Erhaltung der Landschaft so stark sein, etwa in einem landschaftlich besonders reizvollen Gebiet, dass der Wunsch von privaten Interessen, in diesem Gebiet Bauland für Zweitwohnungen auszuweisen, hinter dem Interesse an der Erhaltung der Landschaft zurückzutreten hat. Auch private Interessen können im Einzelfall öffentliche Interessen zurückdrängen. So wird das Interesse eines Aussiedlerhofs mi...

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