Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzahlung bei Erziehungsurlaub

 

Normenkette

BGB § 611; BErzGG § 15

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.01.1993; Aktenzeichen 10 (3) Sa 855/92)

ArbG Koblenz (Urteil vom 03.09.1992; Aktenzeichen 7 Ca 467/92)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 1993 – 10 (3) Sa 855/92 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Sonderzahlung.

Die Klägerin war seit dem 31. August 1989 bei der Beklagten als Sachbearbeiterin im Materialwesen beschäftigt. Diesem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Anstellungsvertrag vom selben Tage zugrunde. In diesem heißt es u. a.:

„Ihr Gehalt beträgt gemäß dem Gehaltsabkommen für die Angestellten in der Metallindustrie Rheinland-Rheinhessen

nach Gehaltsgruppe K 2

=

DM 1.805,–

+ innerbetriebliche Zulage

=

DM 28,–

+ Leistungszulage

=

DM 267,–

=

DM 2.100,–

Außerdem erhalten Sie gemäß den Bestimmungen des gemeinsamen Tarifvertrages für Arbeiter und Angestellte für die Metallindustrie Rheinland-Pfalz noch folgende Leistungen:

Urlaubsanspruch jährlich 30 Arbeitstage (= 5 Tage-Woche) = p.M. 1/12

zusätzliches Urlaubsgeld von 2,30 % je Urlaubstag vom Bruttogehalt

vermögenswirksame Leistungen mit Beginn des 7. Kalendermonats in Höhe von DM 52,– monatlich Sonderzahlung nach folgender Staffel:

  • nach 6 Mon. Betriebszugehörigkeit am Auszahlungstag (= 30.11.) = 20 %
  • nach 12 Mon. „ „ „ „ = 30 %
  • nach 24 Mon. „ „ „ „ = 40 %
  • nach 36 Mon. „ „ „ „ = 50 %

Die Probezeit beträgt 6 Monate. Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 1 Monat zum Monatsende gekündigt werden.

Es gelten im übrigen die Bestimmungen des vorgenannten Manteltarifvertrages.”

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund eines Aufhebungsvertrages am 20. April 1992. Vom Beginn des Jahres 1991 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses befand sich die Klägerin im Erziehungsurlaub.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten für 1991 die Zahlung der im Anstellungsvertrag vereinbarten Sonderzahlung in Höhe von 40 % ihres zuletzt bezogenen Monatsgehaltes von 2.457,00 DM.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 982,80 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 13. April 1992 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie ist der Meinung, der Klägerin stehe nach § 2 Ziff. 5 des Tarifvertrages über eine betriebliche Sonderzahlung für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende in der Metallindustrie Rheinland-Pfalz vom 8. September 1972 i. d. Fassung vom 31. Oktober 1986 (im folgenden: TV Sonderzahlung) für 1991 deshalb keine Sonderzahlung zu, weil ihr Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs während des ganzen Jahres geruht habe.

Der TV Sonderzahlung hat – soweit vorliegend von Interesse – folgenden Wortlaut:

„…

§ 2

Sonderzahlungen und deren Voraussetzungen

1. Arbeitnehmer, die am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehören, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlung. Ausgenommen sind die Arbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis gekündigt haben oder denen wegen Arbeitsvertragsverletzung wirksam gekündigt worden ist.

2. Die Sonderzahlung wird nach folgender Staffel gezahlt:

nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit

20 %

nach 12 Monaten Betriebszugehörigkeit

30 %

nach 24 Monaten Betriebszugehörigkeit

40 %

nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit

50 %

jeweils eines Monatsverdienstes –.

Auf die Betriebszugehörigkeit ist auch die Ausbildungszeit anzurechnen, soweit sie im gleichen Betrieb abgeleistet wurde.

5. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht oder die aus sonstigen Gründen im Kalenderjahr nicht gearbeitet haben, erhalten keine Sonderzahlung. Ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise oder haben Arbeitnehmer wegen unentschuldigten Fehlens teilweise nicht gearbeitet, so erhalten sie eine anteilige Sonderzahlung. Arbeitnehmerinnen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen, und erkrankte Arbeitnehmer werden davon nicht erfaßt.”

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Klägerin hat für das Jahr 1991 keinen Anspruch auf eine Sonderzahlung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitsvertrag der Parteien vom 31. August 1989 dahin ausgelegt, daß darin wegen des Anspruchs auf die Sonderzahlung auch auf den TV Sonderzahlung in seinem vollen Umfang verwiesen werde. Die Parteien hätten nicht einen in seinen Voraussetzungen gegenüber diesem Tarifvertrag günstigeren, eigenständigen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine Sonderzahlung begründen wollen. Zwar enthalte der Anstellungsvertrag seinem Wortlaut nach keine ausdrückliche Inbezugnahme des TV Sonderzahlung, jedoch ergebe die Auslegung des Vertrages, daß die Vertragspartner mit der Regelung, die Klägerin solle „gemäß den Bestimmungen des gemeinsamen Tarifvertrages für Arbeiter und Angestellte für die Metallindustrie Rheinland-Pfalz” u. a. eine Sonderzahlung erhalten, den TV Sonderzahlung voll umfänglich in Bezug genommen haben. Insoweit liege eine Falschbezeichnung des als maßgeblich gewollten Tarifvertrages vor.

Das Landesarbeitsgericht ist weiter davon ausgegangen, daß der Klägerin wegen § 2 Ziff. 5 Satz 1 2. Alt. des TV Sonderzahlung für 1991 deshalb keine Sonderzahlung zustehe, weil sie „aus sonstigen Gründen im Kalenderjahr nicht gearbeitet” habe.

Dem folgt der Senat im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung.

II.1. Zu Recht kommt das Landesarbeitsgericht durch Auslegung des Anstellungsvertrages vom 31. August 1989 zu dem Ergebnis, daß die Arbeitsvertragsparteien den TV Sonderzahlung in vollem Umfange für das Arbeitsverhältnis in Bezug genommen haben.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Einzelarbeitsvertrages, bei dem es sich nicht um einen sogenannten typischen Vertrag handelt, ist vom Revisionsgericht grundsätzlich nur beschränkt dahin nachprüfbar, ob sie Verstöße gegen Denkgesetze, allgemeine Auslegungsregeln oder Erfahrungssätze enthält (BAG Urteil vom 6. März 1958, BAGE 5, 221 = AP Nr. 6 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; BAG Urteil vom 12. August 1959, BAGE 8, 91 = AP Nr. 1 zu § 305 BGB).

Das Landesarbeitsgericht stellt fest, die Arbeitsvertragsparteien hätten den Willen gehabt, den TV Sonderzahlung in vollem Umfange auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Eine ausdrückliche Inbezugnahme dieses Tarifvertrages sei allerdings unterlassen worden. Der Umstand aber, daß die Arbeitsvertragsparteien vereinbart haben, die Klägerin solle die Sonderzahlung „gemäß den Bestimmungen des gemeinsamen Tarifvertrages für Arbeiter und Angestellte für die Metallindustrie Rheinland-Pfalz” erhalten, stelle nur eine falsche Bezeichnung des eigentlich als maßgeblich gewollten Tarifvertrages, nämlich des TV Sonderzahlung, dar.

Diese Folgerung zieht das Landesarbeitsgericht zu Recht u. a. aus dem Umstand, daß im Anstellungsvertrag auch die vermögenswirksamen Leistungen als Leistungen „gemäß den Bestimmungen des GMTV” bezeichnet werden, obwohl im GMTV Ansprüche auf vermögenswirksame Leistungen nicht geregelt sind.

Auch die Schlußfolgerung des Landesarbeitsgerichts, der in Form eines Anschreibens an die Klägerin von der Beklagten abgefaßte Anstellungsvertrag wolle erkennbar nur die wesentlichen Leistungen der Beklagten dokumentieren und hinsichtlich der näheren Ausgestaltung derselben auf die einschlägigen Tarifverträge verweisen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. So gibt der Arbeitsvertrag bezüglich der Sonderzahlung inhaltlich den § 2 Nr. 2 Satz 1 des TV Sonderzahlung wieder. Gleiches gilt für die Urlaubs- und Urlaubsgeldansprüche nach den §§ 15, 16 Ziff. II 1 GMTV sowie für die Regelungen über die vereinbarte Probezeit einschließlich der Kündigungsfrist, § 21 Ziff. 1 und 2 GMTV. Daß es Wille der Vertragspartner gewesen ist, von den jeweiligen tariflichen Regelungen in Einzelpunkten abweichende Vereinbarungen zu treffen, ist nicht erkennbar. Auch bei der Höhe des Gehaltes bezieht sich der Anstellungsvertrag auf die einschlägige Gehaltsgruppe des Gehaltstarifvertrages. Dabei haben die Parteien aber ausdrücklich klargestellt, daß die Beklagte über das Tarifgehalt hinaus eine innerbetriebliche Zulage und eine Leistungszulage gewähren will, insoweit also eine vom einschlägigen Tarifvertrag abweichende Regelung getroffen. Eine solche Klarstellung haben sie jedoch bei der Vereinbarung über die Sonderzahlung unterlassen.

Die Klägerin mußte auch erkennen, daß die Beklagte in ihrem Schreiben vom 31. August 1989, welches sich als Vertragsangebot darstellt, nur irrtümlich der Meinung war, die Sonderzahlung und die Ansprüche auf vermögenswirksame Leistungen würden ebenso im GMTV geregelt wie die Urlaubs- und Urlaubsgeldansprüche. Es widerspricht der Üblichkeit im Arbeitsleben, daß ein Arbeitgeber ein Vertragsangebot unterbreitet, in dem er vorschlägt, das Arbeitsverhältnis einem einschlägigen Manteltarifvertrag zu unterstellen, den Anspruch auf eine Sonderzahlung aber nicht dem entsprechenden Tarifvertrag zu unterwerfen, obwohl er die Sonderzahlung im selben Umfange gewähren will, wie es in diesem Tarifvertrag vorgesehen ist.

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch entschieden, daß der Klägerin für 1991 nach § 2 Ziff. 5 Satz 1 des TV Sonderzahlung kein Anspruch auf eine Sonderzahlung zusteht.

Allerdings folgt der Ausschluß dieses Anspruchs nicht aus der zweiten Alternative dieser Vorschrift „… oder aus sonstigen Gründen im Kalenderjahr nicht gearbeitet hat”), sondern bereits aus der ersten Alternative „… deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes ruht”). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat im Jahre 1991 wegen der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub kraft Gesetzes geruht. Das hat der Senat in seinen Entscheidungen vom 10. Februar 1993 (– 10 AZR 450/91 – AP Nr. 7 zu § 15 BErzGG) und vom 24. November 1993 (– 10 AZR 704/92 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) ausgesprochen und im einzelnen begründet. Darauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Damit erweist sich die Revision der Klägerin als unbegründet, so daß sie zurückzuweisen war. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

 

Unterschriften

Vorsitzender Richter am Hauck BAG Matthes ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert, Dr. Freitag, Dr. Freitag, Femppel, Holze

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916103

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