Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung von Sozialpädagogen

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung eines Sozialpädagogen; sozialtherapeutische Zusatzausbildung; entsprechende Tätigkeit im Arbeitsvorgang

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 24.02.1989; Aktenzeichen 9/10 Sa 1257/88)

ArbG Köln (Urteil vom 22.09.1988; Aktenzeichen 8 Ca 11508/85)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 24. Februar 1989 – 9/10 Sa 1257/88 – aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22. September 1988 – 8 Ca 11508/85 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger, der staatlich anerkannter Sozialpädagoge ist, wird seit dem 12. September 1979 an der Volkshochschule der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Kläger ist in VergGr. IV b Fallgruppe 8, Teil II, Abschnitt G, Unterabschnitt I (Angestellte im Sozialdienst) der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert. Aufgrund eines zweijährigen berufsbegleitenden Kurses an der Akademie für Jugendfragen Münster erhielt der Kläger am 3. April 1981 ein Diplom, in dem ihm bescheinigt wurde, daß er an einer sozialtherapeutischen Zusatzausbildung teilgenommen und diese mit Erfolg abgeschlossen hat.

Der Kläger wird seit Beginn seiner Tätigkeit im „Tageskolleg zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses mit Schwerpunkt für ausländische Jugendliche” beschäftigt. Das Tageskolleg hat das Ziel, Jugendliche, die aufgrund sozialer Benachteiligungen und sonstiger persönlicher Schwierigkeiten im herkömmlichen Schulsystem gescheitert sind, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von Lehrern, Sozialarbeitern oder Sozialpädagogen und Psychologen zum Hauptschulabschluß zu führen und ihnen bei der Berufsfindung zu helfen.

Der Kläger wird bei der Beratung und Information möglicher Lehrgangsteilnehmer, bei der Organisation und Durchführung von Vorkursen und bei der Einteilung der Lehrgangsteilnehmer in die verschiedenen Lehrgänge eingesetzt. Er wirkt neben dem Fachlehrer bei der Erteilung des Unterrichts in den Lehrgängen mit. Dabei obliegt ihm, auf den regelmäßigen Unterrichtsbesuch zu achten und bei disziplinarischen Problemen helfend einzugreifen. Er ist Ansprechpartner für die lehrgangsbezogenen und privaten Schwierigkeiten der Lehrgangsteilnehmer und deren Eltern. Er leistet auch Hilfestellung bei der Bewältigung finanzieller Probleme durch entsprechende staatliche Stellen. Ferner werden gemeinsame Veranstaltungen organisiert.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß seine Tätigkeit das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV a Fallgruppe 6, Teil II, Abschnitt G, Unterabschnitt I der Anlage 1 a zum BAT erfülle. Er sei Sozialpädagoge mit staatlicher Anerkennung, habe eine abgeschlossene zusätzliche Spezialausbildung auf sozialtherapeutischem Gebiet und übe die Tätigkeit seit dem 1. Mai 1985 länger als vier Jahre nach Abschluß der Ausbildung aus. Seine Tätigkeit am Tageskolleg fordere auch eine zusätzliche Spezialausbildung auf sozialtherapeutischem Gebiet. Ziel der Tätigkeit am Tageskolleg sei, die Lehrgangsteilnehmer zum Hauptschulabschluß zu führen und Hilfestellung bei der Berufsfindung zu leisten. Diesem Ziel dienten sowohl der Unterricht als auch die diesen begleitenden Aktivitäten. Dabei könne nicht zwischen einer sozialpädagogischen und einer sozialtherapeutischen Arbeit unterschieden werden. Die Lernschwierigkeiten der Teilnehmer könnten nur bei Bewältigung ihrer sonstigen, vielschichtigen sozialen Probleme behoben werden. Deshalb sei bei Gesprächen mit den Teilnehmern, deren Eltern, Kollegen und behördlichen Stellen stets das gesamte soziale Umfeld zu berücksichtigen. Dies erfordere den Einsatz sozialtherapeutischer Fähigkeiten und Kenntnisse, wie sie durch eine entsprechende Zusatzausbildung vermittelt würden. In zeitlicher Hinsicht hätten derartige Tätigkeiten zunächst 40 v. H. der Gesamtarbeitszeit in Anspruch genommen. Nach Ablegung der Prüfung sei dieser Anteil auf 70 v. H. gestiegen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihn seit dem 1. Mai 1985 nach VergGr. IV a BAT zu vergüten.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Kläger tarifgerecht vergütet werde. Bei dem vom Kläger an der Akademie für Jugendfragen absolvierten Kurs handele es sich nicht um eine abgeschlossene sozialtherapeutische Ausbildung im Sinne der Protokollnotiz Nr. 8 zur VergGr. IV a BAT Fallgruppe 6. Die Ausbildung habe sich nur auf 640 Unterrichtsstunden erstreckt, während tariflich 1200 Unterrichtsstunden gefordert seien. Die Ausbildungsinhalte deckten sich außerdem weitgehend mit denjenigen, die bei der sozialpädagogischen Ausbildung vermittelt würden, so daß es sich lediglich um einen Auffrischungskurs gehandelt habe. Im übrigen sei keine abschließende Prüfung durchgeführt worden.

Die Tätigkeit des Klägers erfordere außerdem keine zusätzliche Spezialausbildung auf sozialtherapeutischem Gebiet. Es handele sich um eine Tätigkeit, die jeder ausgebildete Sozialpädagoge zu leisten imstande sei. So habe auch der Kläger nicht hinreichend substantiiert darzulegen vermocht, welche Einzeltätigkeiten ohne sozialtherapeutische Ausbildung nicht ausgeführt werden könnten. Sollte er Aufgaben wahrgenommen haben, die sozialtherapeutische Fähigkeiten und Kenntnisse erforderten, so seien ihm diese jedenfalls nicht von der zuständigen Stelle zugewiesen worden. Ob die von ihm in dem Kurs an der Akademie für Jugendfragen erlangten Fähigkeiten und Kenntnisse für die Ausübung der ihm übertragenen Tätigkeit nützlich seien, sei für die tarifgerechte Vergütung nicht maßgebend.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erst instanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT seit dem 1. Mai 1985 zu.

Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der von ihm für sich beanspruchten VergGr. IV a BAT entspricht (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitvorganges auszugehen, wonach darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist (BAGE 51, 59, 65; 282, 287; 356, 360 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß die gesamte Tätigkeit des Klägers als ein Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehen sei. Alle ihm übertragenen Aufgaben sowohl im Rahmen des Unterrichts als auch bei der begleitenden Betreuung der Teilnehmer dienten dem Ziel, die jeweils betreute Lehrgangsgruppe zum Hauptschulabschluß zu führen und den Teilnehmern Hilfestellung bei der Berufsfindung zu leisten. Die Tätigkeit habe damit Funktionscharakter, so daß sie unter Einbeziehung der Verwaltungsarbeiten als Zusammenhangstätigkeiten einheitlich zu bewerten sei.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Die gesamte Tätigkeit des Klägers dient einem einheitlichen, zweckgerichteten Arbeitsergebnis, nämlich der umfassenden Betreuung der Jugendlichen in den Lehrgängen des Tageskollegs zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses. Sie beginnt mit der Beratung der Interessenten für diese Lehrgänge, umfaßt die Betreuung der Jugendlichen während und außerhalb des Unterrichts auch unter Einbeziehung ihrer Eltern und staatlicher Stellen, die finanzielle Hilfeleistungen erbringen sollen, und endet mit der Beratung beim Einstieg ins Berufsleben. Mit Recht nimmt das Landesarbeitsgericht daher an, daß alle vom Kläger im einzelnen wahrgenommenen Aufgaben, auch soweit sie sich nicht auf den Unterricht beziehen, dieser Zielsetzung entsprechen und die vom Kläger zu erledigenden Verwaltungsarbeiten als Zusammenhangstätigkeiten diesem Arbeitsvorgang zuzurechnen sind.

Der Zusammenfassung der gesamten Tätigkeit des Klägers zu einem Arbeitsvorgang steht nicht entgegen, daß vorliegend eine unterschiedliche tarifliche Bewertung einzelner Teile seiner Tätigkeit in Betracht kommen könnte. Eine solche unterschiedliche tarifliche Bewertung wäre nur möglich, wenn die Tätigkeit des Klägers insoweit tatsächlich trennbar wäre, als sie einerseits sozialpädagogische Fähigkeiten und Kenntnisse erforderte, wie sie durch eine Ausbildung zum Sozialpädagogen vermittelt werden, und andererseits solche Aufgaben enthielte, die nur mit einer sozialtherapeutischen zusätzlichen Spezialausbildung bewältigt werden können. Dann wären die entsprechenden Teile der Tätigkeit des Klägers einerseits nach VergGr. IV b BAT Fallgruppe 8 und andererseits nach VergGr. IV b BAT Fallgruppe 6 bzw. IV a BAT Fallgruppe 6 unterschiedlich tariflich zu bewerten. Dies stände nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG Urteil vom 19. März 1980 – 4 AZR 300/78 – AP Nr. 32 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.) einer Zusammenfassung zu einem Arbeitsvorgang entgegen.

Voraussetzung für eine Bildung von Arbeitsvorgängen, die einer unterschiedlichen tariflichen Bewertung zugänglich sind, ist jedoch stets die Abgrenzbarkeit der entsprechenden Arbeitseinheiten nach tatsächlichen Gesichtspunkten (BAGE 51, 282, 288 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Daran fehlt es vorliegend. Die Tätigkeit des Klägers läßt sich tatsächlich nicht in solche Aufgaben trennen, die allein der Ausbildung des Klägers als Sozialpädagoge entsprechen und solche, für die der Kläger geltend macht, daß sie eine sozialtherapeutische zusätzliche Spezialausbildung erfordern. Die Erreichung des mit der Tätigkeit bezweckten Arbeitsergebnisses beruht nämlich maßgeblich auf der Führung von Gesprächen durch den Kläger mit den Lehrgangsteilnehmern, deren Eltern, Kollegen und sonstigen Stellen. Insoweit kann nach tatsächlichen Gesichtspunkten nicht abgegrenzt werden, in welchem Umfang die Gesprächsinhalte sozialpädagogischen oder sozialtherapeutischen Zuschnitt haben. Deshalb kann diese Tätigkeit, die, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, Funktionscharakter hat, auch nur einheitlich tariflich bewertet werden (vgl. BAG Urteil vom 4. Mai 1988 – 4 AZR 811/87 – AP Nr. 144 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Die Tätigkeit im Tageskolleg ist dem Kläger von Beginn seiner Beschäftigung an von der Beklagten einheitlich übertragen worden und nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unverändert geblieben. Insbesondere sind dem Kläger während seiner Beschäftigung keine weiteren Aufgaben zugewachsen, die den Schluß zulassen könnten, daß die von ihm tatsächlich ausgeübte Tätigkeit mit der ihm auf Dauer übertragenen und damit auszuübenden Tätigkeit im Sinne von § 22 BAT nicht übereinstimmt.

Für die tarifliche Bewertung der vom Kläger auszuübenden Tätigkeit sind folgende tarifliche Bestimmungen heranzuziehen:

VergGr. IV a BAT Fallgruppe 6:

Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung mit abgeschlossener zusätzlicher Spezialausbildung (z.B. heilpädagogischer, sozialtherapeutischer oder sozialpsychiatrischer Ausbildung) nach vierjähriger Berufsausübung in einer solchen Tätigkeit nach Abschluß der Zusatzausbildung. (Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1, 2, 3, 4 und 8)

VergGr. IV b BAT Fallgruppe 6:

Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung mit abgeschlossener zusätzlicher Spezialausbildung (z.B. heilpädagogischer, sozialtherapeutischer oder sozialpsychiatrischer Ausbildung) und entsprechender Tätigkeit. (Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1, 2, 3, 4 und 8)

Die Protokollnotiz Nr. 8 hat folgenden Wortlaut:

Eine zusätzliche Spezialausbildung im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals liegt nur dann vor, wenn sie durch einen mindestens einjährigen Lehrgang oder in einer mindestens zweijährigen berufsbegleitenden Ausbildung vermittelt worden ist.

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß die Tätigkeit des Klägers das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV a BAT Fallgruppe 6 nicht erfülle. Die Tarifvertragsparteien forderten in diesem Tätigkeitsmerkmal, wie in dem Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV b BAT Fallgruppe 6, eine abgeschlossene sozialtherapeutische zusätzliche Spezialausbildung sowie eine dieser Ausbildung entsprechende Tätigkeit. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt werde, daß er eine solche Ausbildung habe, fehle es an der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit. Diese tariflichen Anforderungen seien nicht erfüllt, weil die Tätigkeit des Klägers ihren Schwerpunkt im sozialpädagogischen und nicht im sozialtherapeutischen Bereich habe. Im übrigen habe ihm die Beklagte auch nicht die Tätigkeit eines Sozialtherapeuten übertragen und außerdem keine organisatorischen Maßnahmen durch die Bildung entsprechender Gruppen getroffen, die Voraussetzung für erfolgversprechende Therapiemaßnahmen gewesen wären.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß es für die Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IV a BAT Fallgruppe 6 darauf ankommt, ob der Kläger, der staatlich anerkannter Sozialpädagoge ist, eine abgeschlossene sozialtherapeutische zusätzliche Spezialausbildung im Sinne der entsprechenden tariflichen Anforderung in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 8 hat und vier Jahre in einer solchen Tätigkeit nach Abschluß der Ausbildung tätig war. Dabei nimmt das Landesarbeitsgericht mit Recht an, daß die Tarifvertragsparteien mit dem Erfordernis einer solchen Tätigkeit in VergGr. IV a BAT Fallgruppe 6 wie in VergGr. IV b BAT Fallgruppe 6 eine „entsprechende Tätigkeit”, d.h. eine Tätigkeit verlangen, die einmal eine allgemeine Ausbildung und Prüfung als Sozialpädagoge und darüber hinaus die besondere Qualifikation erfordert, die die Merkmale einer sozialtherapeutischen zusätzlichen Spezialausbildung erfüllt (vgl. BAG Urteil vom 3. September 1986 – 4 AZR 335/85 – AP Nr. 124 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Das Landesarbeitsgericht verneint jedoch zu Unrecht, daß dem Kläger eine derartige Tätigkeit übertragen ist. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt es zur Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IV a BAT Fallgruppe 6 auf eine Gruppenbildung durch organisatorische Maßnahmen der Beklagten als Voraussetzung für eine sozialtherapeutische Tätigkeit nicht an. Eine derartige Anforderung ergibt sich anders als beim Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V c Fallgruppe 1 e, Teil II, Abschnitt G, Unterabschnitt II der Anlage 1 a zum BAT (vgl. BAG Urteil vom 4. Mai 1988 – 4 AZR 811/87 – AP Nr. 144 zu §§ 22, 23 BAT 1975) weder aus dem Tarifwortlaut noch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Für die tarifliche Bewertung ist vorliegend vielmehr allein maßgebend, ob die dem Kläger von Beginn seiner Beschäftigung an von der Beklagten im Tageskolleg der Volkshochschule übertragene Tätigkeit, die als ein Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehen ist, eine solche sozialtherapeutische zusätzliche Spezialausbildung erfordert oder nicht.

Dies verneint das Landesarbeitsgericht, abgesehen von der von ihm für erforderlich gehaltenen Gruppenbildung, mit der Begründung, daß die Tätigkeit des Klägers ihren Schwerpunkt im sozialpädagogischen Bereich habe. Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT ist jeder einzelne Arbeitsvorgang als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Dies bedeutet, daß innerhalb eines Arbeitsvorganges die qualifizierenden Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals nicht ihrerseits wiederum in dem tariflich für den Arbeitsvorgang als solchen grundsätzlich geforderten Umfang von mindestens der Hälfte der Arbeitszeit vorliegen müssen. Da nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT die gesamte auszuübende Tätigkeit dem Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsgruppe entspricht, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen und der Arbeitsvorgang nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 BAT hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden darf, erfüllt ein Arbeitsvorgang als solcher die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals bereits dann, wenn diese innerhalb des Arbeitsvorganges überhaupt in rechtserheblichem Ausmaß vorliegen (BAGE 51, 282, 300 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Demnach ist es rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht bei der als ein großer Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehenden Tätigkeit des Klägers zur Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IV a BAT Fallgruppe 6 verlangt, daß innerhalb dieses Arbeitsvorganges der Schwerpunkt der Tätigkeit im sozialtherapeutischen Bereich liegen müsse. Da die gesamte Tätigkeit des Klägers als ein Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehen ist und dieser damit in zeitlicher Hinsicht den in § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT geforderten Umfang hat, kommt es zur Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IV a BAT Fallgruppe 6 allein darauf an, ob dieser Arbeitsvorgang überhaupt in rechtserheblichem Ausmaß eine sozialtherapeutische zusätzliche Spezialausbildung erfordert.

Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und der Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts, die Ihrerseits auf der Bewertung der eingeholten Sachverständigengutachten beruhen, so daß dem Senat eine abschließende Entscheidung möglich ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Das Landesarbeitsgericht stellt aufgrund seines rechtlichen Ausgangspunktes allein fest, daß die Tätigkeit des Klägers ihren Schwerpunkt im sozialpädagogischen Bereich habe und trifft zur Frage, in welchem Umfange die Tätigkeit eine abgeschlossene sozial therapeutische zusätzliche Spezialausbildung erfordert, keine ausdrücklichen Feststellungen. Das Erfordernis des Einsatzes von Fähigkeiten und Kenntnissen, wie sie durch eine derartige Ausbildung vermittelt werden, wird vom Landesarbeitsgericht aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Vielmehr nimmt das Landesarbeitsgericht in allgemeiner Weise auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug und erwähnt im besonderen die vom Arbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachten. Sowohl die Sachverständigen als auch ihnen folgend das Arbeitsgericht kamen zu dem Schluß, daß die Tätigkeit des Klägers überwiegend Fähigkeiten und Kenntnisse erfordert, wie sie durch eine abgeschlossene sozialtherapeutische zusätzliche Spezialausbildung vermittelt werden. Auch wenn das Landesarbeitsgericht die Berechnung in den Gutachten für eine Feststellung einer „überwiegenden” sozialtherapeutischen Tätigkeit nicht hat ausreichen lassen – wobei es hinsichtlich des Gutachtens von Prof. Dorst außerdem einem offensichtlichen Irrtum in bezug auf den zeitlichen Anteil der Tätigkeit mit sozialtherapeutischem Zuschnitt unterlegen ist –, ist aus der Bezugnahme des Landesarbeitsgerichts auf das erstinstanzliche Urteil, das den Sachverständigengutachten gefolgt ist, der Schluß gerechtfertigt, daß die Tätigkeit des Klägers jedenfalls in rechtlich nicht unerheblichem Umfang sozialtherapeutische Fähigkeiten und Kenntnisse, wie sie durch eine entsprechende zusätzliche Spezialausbildung vermittelt werden, erfordert.

Der Kläger verfügt auch über eine abgeschlossene zusätzliche Spezialausbildung auf sozialtherapeutischem Gebiet im Sinne der VergGr. IV a BAT Fallgruppe 6 in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 8. Seine sozialtherapeutische Zusatzausbildung an der Akademie für Jugendfragen in Münster erfüllt die entsprechenden tariflichen Anforderungen. Da es keine gesetzlichen Bestimmungen gibt, die Gang und Inhalt der tariflich geforderten sozialtherapeutischen zusätzlichen Spezialausbildung regeln und eine entsprechende Prüfung verlangen, bestimmen sich die Anforderungen an die Ausbildung allein nach den Merkmalen der VergGr. IV a BAT Fallgruppe 6 in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 8. Danach fordern die Tarifvertragsparteien weder eine Ausbildung durch eine staatliche Institution noch die Ablegung einer Prüfung. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch keine Mindestzahl an Unterrichtsstunden tariflich vorgesehen. Ausreichend ist vielmehr, wenn die berufsbegleitende zusätzliche Spezialausbildung zwei Jahre gedauert hat, wenn sie sich ihrem Schwerpunkt nach auf das Fachgebiet der Sozialtherapie erstreckte, diese also den Hauptinhalt der Ausbildung darstellte und eine derartige Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wurde (vgl. BAG Urteil vom 3. September 1986 – 4 AZR 335/85 – AP Nr. 124 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Diesen Anforderungen wurde der vom Kläger an der Akademie für Jugendfragen Münster absolvierte Kurs nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gerecht. Die Ausbildung war berufsbegleitend und erstreckte sich auf einen Zeitraum von zwei Jahren. Sie hatte ausweislich des dem Kläger erteilten Diploms ihren Schwerpunkt auf dem Fachgebiet der Sozialtherapie, wobei Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt wurden, die über diejenigen Fähigkeiten und Kenntnisse auf dem Fachgebiet der Sozialtherapie hinausgehen, die bei der Ausbildung zum Sozialpädagogen oder Sozialarbeiter vermittelt werden. Der Kläger hat die Ausbildung auch erfolgreich abgeschlossen. Mangels entsprechender tariflicher Anforderungen obliegt es dem Träger der Ausbildung, die für die Feststellung des erfolgreichen Abschlusses erforderlichen Voraussetzungen festzulegen (vgl. BAG Urteil vom 28. Juni 1989 – 4 AZR 277/89 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Deren Vorliegen hat die Akademie für Jugendfragen als Träger der Ausbildung aufgrund der durch die schriftlichen Arbeiten, die Endauswertungen der Supervision, die Auswertung der Lernprozesse in verschiedenen Gruppen und das Abschlußkolloquium durchgeführten Lernkontrollen dem Kläger bestätigt. Damit erfüllt der Kläger das tarifliche Erfordernis einer abgeschlossenen zusätzlichen Spezialausbildung auf sozialtherapeutischem Gebiet mit deren Beendigung am 3. April 1981.

Da der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt eine Tätigkeit ausübte, die eine solche Ausbildung erforderte, stand ihm nach Ablauf von vier Jahren seit dem 1. Mai 1985 ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT zu.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelinstanzen nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Brocksiepe, E. Wehner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1076633

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