Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebe der Säurebauindustrie als Baugewerbe

 

Orientierungssatz

Für die Beurteilung, ob ein Handwerksbetrieb oder ein Industriebetrieb im Sinne der tariflichen Bestimmungen des betrieblichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe in den Fassungen vom 19.12.1983 und vom 12.12.1984 vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des Senats entscheidend zu berücksichtigen, ob die Arbeiten überwiegend mit der Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks ausgeführt werden, ob die Arbeiten für einen bestimmten Kundenbereich (Einzelfertigung) und nicht auf Vorrat angefertigt werden und ob es sich um einen kleineren, weniger technisierten Betrieb handelt.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 28.11.1986; Aktenzeichen 6/5 Sa 932/86)

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 23.04.1986; Aktenzeichen 7 Ca 5905/85)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, die nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe (Verfahrens-TV) die Beiträge für Zusatzversorgung, Lohnausgleich und Urlaub der mit einer arbeiterrentenversicherungspflichtigen Tätigkeit beschäftigten Arbeitnehmer des Baugewerbes von den Arbeitgebern einzieht und Auskünfte zur Errechnung der Beiträge einholt. Sie begehrt von dem Beklagten für den Zeitraum von August 1984 bis Juli 1985 Beiträge in Höhe von 28.037,73 DM und verlangt für die Zeit von August 1985 bis Januar 1986 Auskunft über die Zahl der mit einer arbeiterrentenversicherungspflichtigen Tätigkeit beschäftigten Arbeitnehmer, die Höhe der Bruttolohnsumme und für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung eine Entschädigung in Höhe von 15.300,-- DM.

Die betriebliche Tätigkeit des Beklagten besteht überwiegend darin, säurefeste Untergründe für Fliesen herzustellen und diese, nachdem sie von anderen Betrieben verlegt wurden, säurebeständig mit Kunstharzen zu verfugen. Die Arbeitnehmer im Betrieb des Beklagten, die Kenntnisse und Fähigkeiten eines "Fachmonteurs im Säureschutzbau" benötigen, und die im Betrieb ausgebildet wurden, werden als Säurebaufacharbeiter bezeichnet. Die Arbeiten werden in Molkereien, Mostereien, Kernkraftwerken, Textilbetrieben, Brauereien und Bädern ausgeführt. Sie werden überwiegend unter Verwendung von Kompressoren, Spritzpistolen und unter Einsatz eines sogenannten Flügelglätters HEXA 22 vorgenommen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß der Betrieb des Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV-Bau) und demzufolge auch von dem des gleichlautenden Verfahrens-TV erfaßt werde. Das Verfugen gefliester Flächen sei eine Teiltätigkeit des Fliesenlegerhandwerks. Auch bei Verwendung säurefesten Materials seien die überwiegend ausgeführten Arbeiten deshalb Fliesen-, Platten- und Mosaik-, Ansetz- und Verlegearbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 Verfahrens-TV. Sie seien auch als "Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit" im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 1 Verfahrens-TV anzusehen. Der Betrieb des Beklagten sei nicht als solcher des Säurebaus vom betrieblichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 Verfahrens-TV in der bis zum 31. Dezember 1984 geltenden Fassung vom 19. Dezember 1983 ausgenommen worden, da eine spezialisierte Fliesenlegertätigkeit nicht dem Säurebau im tariflichen Sinne zuzurechnen gewesen sei. Seit dem 1. Januar 1985 seien nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 Verfahrens-TV in der Fassung vom 12. Dezember 1984 nur noch Betriebe der "Säurebauindustrie" vom betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV ausgenommen. Zu diesen rechne der Betrieb des Beklagten schon deshalb nicht, weil handwerklich gearbeitet werde.

Die Klägerin hat beantragt,

1. an sie 28.037,73 DM zu zahlen;

2. ihr auf dem vorgeschriebenen Formular

Auskunft darüber zu erteilen, wieviel

Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften

der Reichsversicherungsordnung

über die Rentenversicherung der

Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige

Tätigkeit ausübten, in den Monaten August

1985 bis Januar 1986 in dem Betrieb

des Beklagten beschäftigt wurden

sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige

Bruttolohnsumme insgesamt

für diese Arbeitnehmer und die

Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft

in den genannten Monaten

angefallen sind,

3. für den Fall, daß diese Verpflichtung

zur Auskunftserteilung innerhalb einer

Frist von zwei Wochen nach Urteilszustellung

nicht erfüllt wird, an sie

15.300,-- DM als Entschädigung zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß sein Betrieb für den Anspruchszeitraum bis zum 31. Dezember 1984 als Betrieb des Säurebaus vom betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV ausgenommen gewesen sei. Zum Säurebau im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 Verfahrens-TV in der Fassung vom 19. Dezember 1983 habe auch der Säureschutzbau gehört. Dieser umfasse bauliche Leistungen, deren Zweck darin bestehe, Bauteile vor Säure zu schützen. Gerade diese Tätigkeit habe er ausgeführt. Er habe weder Fliesen verlegt noch Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 1 Verfahrens-TV vorgenommen. Der Betrieb sei auch nach der seit dem 1. Januar 1985 geltenden Fassung des Verfahrens-TV von dessen betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen, da er als Betrieb der Säurebauindustrie anzusehen sei. Dies folge daraus, daß die Säureschutzarbeiten für Industriebetriebe durchgeführt werden und außerdem überwiegend unter Maschineneinsatz gearbeitet werde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Maßgabe stattgegeben, daß die Frist zur Erfüllung der Auskunftsverpflichtung auf sechs Wochen festgesetzt wurde. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Dabei hat sie die Entschädigungssumme auf 12.240,-- DM beschränkt. Die Parteien haben in der Revisionsinstanz unstreitig gestellt, daß auf die Monate August bis Dezember 1984 eine Beitragssumme in Höhe von 10.358,09 DM und auf die Monate Januar bis Juli 1985 eine Beitragssumme in Höhe von 17.679,64 DM entfällt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zum Teil begründet. Sie führt hinsichtlich des Klagezeitraums bis zum 31. Dezember 1984 zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Klageabweisung. Im übrigen ist die Revision unbegründet. Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten für die Zeit von August 1984 bis Dezember 1984 der geltend gemachte Beitragsanspruch in Höhe von 10.358,09 DM nicht zu, da der Betrieb des Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV in der Fassung vom 19. Dezember 1983 nicht erfaßt wurde. Für die Zeit von Januar 1985 bis Juli 1985 kann die Klägerin vom Beklagten Beiträge in Höhe von 17.679,64 DM und von August 1985 bis Januar 1986 Auskünfte nach näherer tariflicher Maßgabe verlangen, da der Betrieb seit dem 1. Januar 1985 dem betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV in der Fassung vom 12. Dezember 1984 unterfällt. Entsprechend dem in der Revisionsinstanz eingeschränkten Klageantrag war der Urteilstenor des erstinstanzlichen Urteils dahingehend klarzustellen, daß für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung binnen sechs Wochen nach Urteilszustellung der Beklagte eine Entschädigungssumme in Höhe von 12.240,-- DM zu zahlen hat.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß im Betrieb des Beklagten durch das Herstellen säurefester Untergründe und säurefester Verfugungen von Fliesen, die von anderen Betrieben verlegt werden, Arbeiten durchgeführt werden, die dem Fliesenlegerhandwerk zuzurechnen seien und der Betrieb deshalb nach § 1 Abs.2 Abschnitt V Nr. 14 Verfahrens-TV von dessen betrieblichen Geltungsbereich erfaßt werde. Auch führe er "Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit" im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 1 Verfahrens-TV aus. Da in dem Betrieb des Beklagten Teiltätigkeiten des Fliesenlegerhandwerks ausgeführt werden, könne nicht angenommen werden, daß der Betrieb als Betrieb des "Säurebaus" im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 Verfahrens-TV in der Fassung vom 19. Dezember 1983 vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen sei. Auch handele es sich nicht um einen Betrieb der "Säurebauindustrie" im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 Verfahrens-TV in der Fassung vom 12. Dezember 1984, da die Arbeiten trotz des Einsatzes von Maschinen handwerklich durchgeführt werden.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nur zum Teil gefolgt werden. Zwar nimmt das Landesarbeitsgericht mit Recht an, daß im Betrieb des Beklagten überwiegend Arbeiten ausgeführt werden, die in den betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV fallen, jedoch war der Betrieb des Beklagten als Betrieb des "Säurebaus" nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 Verfahrens-TV in der Fassung vom 19. Dezember 1983 bis zum 31. Dezember 1984 ausdrücklich vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen. Es handelt sich allerdings nicht um einen Betrieb der "Säurebauindustrie" im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 Verfahrens-TV in der Fassung vom 12. Dezember 1984, so daß der Betrieb seit dem 1. Januar 1985 vom betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV nicht mehr ausgenommen wird.

Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung davon aus, daß Betriebe, die überwiegend die in den Beispielen des Abschnitts V des § 1 Abs. 2 Verfahrens-TV genannten Tätigkeiten ausführen, unter den betrieblichen Geltungsbereich fallen, ohne daß die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen (BAGE 45, 11 = AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Insoweit kommt aus § 1 Abs. 2 Abschnitt V Verfahrens-TV in Betracht:

Nr. 1

Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit;

Nr. 14

Fliesen-, Platten- und Mosaik- Ansetz- und

Verlegearbeiten;

Die überwiegende Tätigkeit des Beklagten besteht nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts darin, daß er säurefeste Untergründe herstellt und Fliesen mit säurefesten Materialien verfugt. Das Landesarbeitsgericht hat diese Arbeiten § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 1 Verfahrens-TV zugeordnet. Dies ist unzutreffend. Unter Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit sind Maßnahmen zum Schutze des Bauwerkes gegen Erdfeuchtigkeit (Grundwasser) und Luftfeuchtigkeit (Regen) zu verstehen (vgl. Brocksiepe/Sperner, BRTV-Bau, S. 67). Durch die Arbeiten des Beklagten sollen Bauwerke vor Säuren geschützt werden. Diese können nicht als "Feuchtigkeit" im tariflichen Sinne angesehen werden.

Das Landesarbeitsgericht hat die vom Beklagten ausgeführten Arbeiten § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 Verfahrens-TV mit der Begründung zugeordnet, daß das Herstellen säurefester Untergründe und das Verfugen von Fliesen dem Fliesenlegerhandwerk zuzurechnen sei und damit zu den "Fliesen-Verlegearbeiten" im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 Verfahrens-TV rechne.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Im Betrieb des Beklagten werden keine "Fliesen-Verlegearbeiten" im tariflichen Sinne durchgeführt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stellt der Beklagte säurefeste Untergründe her, auf die von anderen Betrieben Fliesen verlegt werden. Danach nimmt der Beklagte säurefeste Verfugungen vor. Da vom Betrieb des Beklagten selbst keine Fliesen verlegt werden, kann die betriebliche Tätigkeit nicht als "Fliesen-Verlegearbeiten" im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 Verfahrens-TV angesehen werden. Zwar handelt es sich um Tätigkeiten, die als Teil- bzw. Zusammenhangstätigkeiten dem Fliesenlegerhandwerk zugerechnet werden können. Dieser Schluß ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn von einem Betrieb auch tatsächlich Fliesenverlegearbeiten als Haupttätigkeit durchgeführt werden. Ein Betrieb des Fliesenlegerhandwerks bleibt ein solcher, auch wenn er Fliesen auf säurefeste Untergründe verlegt und sie säurefest verfugt (BAG Urteil vom 27. August 1986 - 4 AZR 591/86 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Führt ein Betrieb, wie der des Beklagten, jedoch ausschließlich Vorbereitungs- und Abschlußarbeiten für Fliesenlegerbetriebe durch, so sind diese Tätigkeiten nicht den eigentlichen Fliesen-Verlegearbeiten zuzurechnen (BAG Urteil vom 22. April 1987 - 4 AZR 344/86 - nicht zur Veröffentlichung bestimmt). In gleicher Weise sind nach der Rechtsprechung des Senats auch Betriebe, deren spezifischer Betriebszweck auf die Einrichtung und Sicherung von Straßenbaustellen gerichtet ist, nicht den Straßenbaubetrieben im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 31 Verfahrens-TV zuzurechnen, obwohl es sich bei diesen Tätigkeiten um Nebenleistungen des Betriebes des Baugewerbes handeln kann, der mit der Durchführung von Straßenbauarbeiten befaßt ist (vgl. BAG Urteil vom 25. Februar 1987 - 4 AZR 230/86 - zur Veröffentlichung bestimmt). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen auch keine weiteren Gesichtspunkte die Annahme, daß im Betrieb des Beklagten Fliesen-Verlegearbeiten im tariflichen Sinne durchgeführt werden. Weder besteht eine entsprechende Eintragung in der Handwerksrolle noch ist der Beklagte Fliesenlegermeister oder beschäftigt in größerer Anzahl Fliesenleger.

Der Betrieb des Beklagten wird jedoch nach § 1 Abs. 2 Abschnitt II Verfahrens-TV vom betrieblichen Geltungsbereich erfaßt. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt

I erfaßt, nach ihrer durch die Art der

betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung

und nach ihrer betrieblichen Einrichtung

gewerbliche bauliche Leistungen erbringen,

die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder

Bauteilen - der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung,

Änderung oder Beseitigung von

Bauwerken dienen.

Diese tariflichen Voraussetzungen sind gegeben. Im Betrieb des Beklagten werden mit dem säurefesten Verfugen gefliester Flächen und der Erstellung der Untergründe bauliche Leistungen erbracht, die der Erstellung von Bauwerken dienen. Unter Bauwerken versteht der Senat irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen (BAG Urteile vom 8. Mai 1985 - 4 AZR 516/83 -, vom 12. Dezember 1979 - 4 AZR 80/78 - und vom 21. Januar 1976 - 4 AZR 71/75 - AP Nr. 66, 31 und 27 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Der Beklagte wirkt durch die Verfugung von Wand-, Boden- und Deckenbelägen und der Herstellung der säurefesten Untergründe für diese Beläge bei der Erstellung von Bauwerken in diesem Sinne mit. Sein Betrieb ist auch von seiner Einrichtung und Zweckbestimmung baulich geprägt, da Werkstoffe des Baugewerbes, entsprechende Arbeitsmittel und Arbeitsmethoden eingesetzt werden (vgl. BAG Urteil vom 25. Februar 1987 - 4 AZR 230/86 -, zur Veröffentlichung bestimmt).

Damit werden im Betrieb des Beklagten zwar bauliche Leistungen erbracht, die in § 1 Abs. 2 Abschnitt II Verfahrens-TV genannt sind, der Betrieb war jedoch als Betrieb des Säurebaus nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 Verfahrens-TV in der Fassung vom 19. Dezember 1983 bis zum 31. Dezember 1984 vom fachlichen Geltungsbereich ausgenommen. Der Senat hat in den Urteilen vom 27. August 1986 - 4 AZR 591/85 - (zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) und vom 22. April 1987 - 4 AZR 344/86 - (nicht zur Veröffentlichung bestimmt) ausgeführt, daß unter Säurebau jedenfalls die Erstellung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von baulichen Anlagen, die der Produktion, Aufbewahrung oder Beseitigung chemischer Stoffe dienen, unter Verwendung von Werkstoffen, die gegen die chemischen Einflüsse resistent sind, zu verstehen ist. Der Senat hat ferner ausgeführt, daß vom tariflichen Begriff des Säurebaus allerdings auch diejenigen Tätigkeiten umfaßt werden, die als "Säureschutzbau" bezeichnet werden. Dies sind Tätigkeiten, die dazu dienen, konstruktive Bauteile, die aus üblichen statisch tragenden Konstruktionen hergestellt sind, durch Oberflächenbekleidungen mit chemisch widerstandsfähigen Schutzschichten zu schützen.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden im Betrieb des Beklagten überwiegend dem "Säureschutzbau" in diesem Sinne zuzurechnende Arbeiten ausgeführt. Arbeitszeitlich überwiegend werden durch den Betrieb des Beklagten säurefeste Untergründe und Verfugungen von Wand-, Boden- oder Deckenbelägen aus Fliesen vorgenommen. Die betriebliche Tätigkeit dient damit dazu, Wände, Böden oder Decken als konstruktive Bauteile, die aus üblichen Konstruktionen, wie Mauerwerk oder Beton, bestehen, durch Herstellung eines chemikalienbeständigen Untergrundes und durch Verfugungen als Teil der Oberflächenbekleidung unter Verwendung chemisch widerstandsfähiger Materialien vor Säuren, Laugen oder ätzenden Stoffen zu schützen. Damit sind alle Anforderungen des Säureschutzbaus als Element des Säurebaus im tariflichen Sinne gegeben, so daß die Klage für die Zeit von August 1984 bis Dezember 1984 in Höhe des in der Revisionsinstanz unstreitig gewordenen Betrages von 10.358,09 DM abzuweisen war.

Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht der Klage für den Zeitraum von Januar 1985 bis Januar 1986 stattgegeben. Seit dem 1. Januar 1985 sind nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 Verfahrens-TV in der Fassung vom 12. Dezember 1984 vom betrieblichen Geltungsbereich nur noch ausgenommen: Betriebe der Säurebauindustrie. Nach dem eindeutigen Tarifwortlaut haben die Tarifvertragsparteien damit nur noch Betriebe vom betrieblichen Geltungsbereich ausnehmen wollen, die Säurebau industriell betreiben. Hingegen werden Handwerksbetriebe des Säurebaus seit der vom 1. Januar 1985 an geltenden Fassung des Verfahrens-TV von dessen betrieblichen Geltungsbereich erfaßt. Die Auffassung des Beklagten, daß zur Säurebauindustrie im tariflichen Sinne alle Betriebe und somit auch Handwerksbetriebe gehören, die Arbeiten des Säurebaus für Industriebetriebe erbringen, läßt sich den tariflichen Bestimmungen nicht entnehmen. Für die Beurteilung, ob ein Handwerksbetrieb oder ein Industriebetrieb im Sinne der tariflichen Bestimmungen des betrieblichen Geltungsbereichs des Verfahrens-TV vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des Senats entscheidend zu berücksichtigen, ob die Arbeiten überwiegend mit der Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks ausgeführt werden, ob die Arbeiten für einen bestimmten Kundenkreis (Einzelfertigung) und nicht auf Vorrat angefertigt werden und ob es sich um einen kleineren, weniger technisierten Betrieb handelt (BAG Urteil vom 18. Januar 1984 - 4 AZR 13/82 - AP Nr. 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau unter Bezugnahme auf das Urteil vom 21. Januar 1981 - 4 AZR 856/78 - AP Nr. 33 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß es sich beim Betrieb des Beklagten um einen Handwerksbetrieb handelt, da der Beklagte als Subunternehmer von Betrieben des Fliesenlegerhandwerks mit typischen Arbeitsmethoden dieses Handwerks tätig wird und selbst bei einem zeitlich überwiegenden Einsatz von Maschinen die Arbeit nicht wesentlich mechanisiert sei. Außerdem führe der Beklagte die Arbeiten im Auftrag einzelner Bauherren bzw. im Auftrag von Fliesenlegerbetrieben in den betreffenden Räumen nach den individuellen Wünschen der Auftraggeber durch, wobei die Arbeitnehmer auch im wesentlichen mit der Hand, wenn auch unter Zuhilfenahme entsprechender Geräte und Werkzeuge, tätig werden.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Beim Betrieb des Beklagten handelt es sich um einen Handwerksbetrieb. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden die Arbeiten für einen bestimmten Kundenkreis durch Einzelfertigung je nach den Bedürfnissen des Kunden erbracht. Dies hat der Beklagte auch selbst so vorgetragen. Eine sich wiederholende Fertigung bestimmter Produkte erfolgt nicht. Es handelt sich um einen Kleinbetrieb mit drei bis fünf Arbeitnehmern. Dieser ist wenig technisiert. Der Beklagte verwendet als Maschinen neben Kompressoren sogenannte Flügelglätter. Außerdem wird mit Spritzpistolen gearbeitet. Die Arbeiten werden überwiegend mit der Hand ausgeführt, auch wenn dabei die genannten Geräte eingesetzt werden. Sie werden nach den Methoden des einschlägigen Handwerks durchgeführt. Nach dem Vortrag des Beklagten werden für die Ausführung der Arbeiten Kenntnisse und Fähigkeiten eines "Fachmonteurs im Säureschutzbau" benötigt. Dies sind wiederum handwerkliche Fähigkeiten und Kenntnisse, die auf denen für das Maurer- oder Fliesenlegerhandwerk erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnissen beruhen und auf die speziellen Belange des Säureschutzes ausgerichtet sind. Diese werden den Arbeitnehmern im Betrieb selbst vermittelt. Der handwerkliche Zuschnitt des Betriebes des Beklagten wird auch dadurch deutlich, daß sich die Mehrzahl der genannten Aufträge auf Flächen unter 100 qm bezieht und damit einen relativ geringen Umfang aufweist.

Entgegen der Auffassung des Beklagten rechtfertigt demgegenüber allein der Einsatz von Maschinen, wozu der Beklagte auch Spritzpistolen rechnet, nicht die Annahme, daß es sich um einen Industriebetrieb handelt. Jeder Handwerker bedient sich des für sein Handwerk spezifischen Werkzeugs. Dabei kann es sich durchaus um hochtechnisiertes Gerät handeln. Durch dessen Einsatz wird die Tätigkeit jedoch nicht zu einer industriellen, sondern bleibt handwerklich. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage damit für den Zeitraum seit dem 1. Januar 1985 zu Recht stattgegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Dr. Etzel Dr. Freitag

zugleich für Dr. Feller, der in

Urlaub ist.

Dr. Etzel

E. Wehner Dr. Reinfeld

 

Fundstellen

Dokument-Index HI438997

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge