Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellungsanspruch zum Besuch der DRUPA

 

Orientierungssatz

1. Der Feststellungsantrag, den Klägern künftig für den Besuch der internationalen Messe Druck und Papier (DRUPA) gemäß § 13 Ziffer 3 Buchstabe b des Tarifvertrages für die Arbeiter der Bundesdruckerei in der Fassung vom 1.4.1980 Arbeitsbefreiung ohne Anrechnung auf den Jahresurlaub zu gewähren, ist wegen Fehlens des alsbaldigen Feststellungsinteresses gemäß § 256 ZPO unzulässig.

2. Ein Rechtsverhältnis, dessen entscheidungsrechtliche Tatsachen zur Zeit noch nicht festgestellt werden können, kann nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vergleiche BGH Urteil vom 12.1.1960 I ZR 30/58 = LM Nr 49 zu § 1004 BGB).

 

Normenkette

TVG § 1; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 30.09.1983; Aktenzeichen 6 Sa 661/83)

ArbG Bonn (Entscheidung vom 11.05.1983; Aktenzeichen 3 Ca 197/83)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen tariflichen Freistellungsanspruch.

Die Kläger sind seit mehreren Jahren als Schriftsetzer an einer Fotosetzmaschine bei der Beklagten in der Bundesdruckerei, beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse findet der Tarifvertrag für die Arbeiter der Bundesdruckerei in der Fassung vom 1. April 1980 (TV Arb BDr) kraft Tarifbindung Anwendung, dessen § 13 Ziff. 3 Buchst. l folgende Regelung enthält:

Der Arbeiter wird ... aus folgenden Anlässen in nachstehendem

Ausmaß unter Fortzahlung des Lohnes von der

Arbeit freigestellt:

...

...

l) bei Teilnahme an den Tagungen der Gewerkschaften oder

bei Teilnahme an wissenschaftlichen, sonstigen fachlichen

oder staatsbürgerlichen Veranstaltungen oder Tagungen

unter Beschränkung auf das notwendige Maß

bis zu 6 Arbeitstagen

im Jahr.

Die Kläger beantragten auch im Jahre 1982 je einen Tag Arbeitsbefreiung zum Besuch der 8. internationalen Messe Druck und Papier (DRUPA), die in der Zeit vom 4. bis 17. Juni 1982 stattfand. Dies lehnte die Beklagte ab.

Die Kläger zu 1 und 2 nahmen daraufhin Sonderurlaub und besuchten am 11. Juni 1982 die DRUPA. Der Kläger zu 3 nahm für den zugleich durchgeführten Besuch Jahresurlaub in Anspruch.

Die Kläger haben gemeint, die Beklagte sei zur Freistellung von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung verpflichtet. Die DRUPA sei eine fachliche Veranstaltung im Sinne des § 13 Ziff. 3 l TV Arb BDr.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die DRUPA sei eine reine Verkaufsveranstaltung. Es würden zeitgemäße Maschinen, Geräte und Materialien von einer Vielzahl von Anbietern zum Zwecke der Verkaufsförderung ausgestellt. Einen Anspruch auf einen Tag Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Lohnes zum Besuch der Messe könnten die Kläger aus dem Tarifvertrag nicht herleiten. Der dort verwendete Begriff "fachliche Veranstaltung" bedürfe der Auslegung dahin, daß nur solche Veranstaltungen erfaßt würden, durch die die berufliche Qualifikation im erlernten und ausgeübten Beruf unmittelbar erhöht werde, um ein erträgliches Maß an Sachbezogenheit zu gewährleisten.

Die Kläger haben zunächst beantragt festzustellen, daß ihnen für den Besuch der DRUPA am 11. Juni 1982 Arbeitsbefreiung gemäß § 13 Ziff. 3 Buchst. l des TV Arb BDr ohne Anrechnung auf den Jahresurlaub zu gewähren sei. Das Arbeitsgericht hat diesem Antrag stattgegeben. Im Berufungsverfahren haben die Kläger hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Klägern je einen Tag Resturlaub aus dem Jahre 1982 zu gewähren.

Ferner haben sie hilfsweise beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet

ist, den Klägern künftig für den Besuch der

DRUPA Arbeitsbefreiung gemäß § 13 Ziff. 3

des TV Arb BDr ohne Anrechnung auf den Jahresurlaub

zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts

die Klage abzuweisen und auch die

Hilfsanträge zurückzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat auf den zweiten Hilfsantrag festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern künftig für den Besuch der DRUPA gemäß § 13 Ziff. 3 Buchst. l des TV Arb BDr Arbeitsbefreiung ohne Anrechnung auf den Jahresurlaub zu gewähren. Im übrigen hat es die Anträge abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte insoweit ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger bitten um Zurückweisung der Revision. Der Kläger zu 3 hat die zunächst eingelegte Anschlußrevision zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Landesarbeitsgericht hat den in der Revisionsinstanz allein noch zu beurteilenden weiteren Hilfsantrag der Kläger für zulässig und begründet angesehen. Es hat dazu ausgeführt, die Beklagte habe nicht nur die Freistellung der Kläger für den 11. Juni 1982 abgelehnt, sondern zum Ausdruck gebracht, daß sie den Besuch dieser Messeveranstaltung nicht als Teilnahme an einer fachlichen Veranstaltung ansehe und den Klägern auch für die nächste DRUPA keine Freistellung zu gewähren beabsichtige. Die entsprechende Pflicht sei Gegenstand eines zulässigen Feststellungsantrages. Die Kläger brauchten mit ihrer Klage nicht zu warten, bis die DRUPA in größere zeitliche Nähe gerückt sei, zumal nichts dafür spreche, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien zu diesem Zeitpunkt beendet oder die DRUPA, die bereits seit geraumer Zeit mit einem feststehenden Programm stattfände, zukünftig eine andere Zielsetzung haben werde.

Die DRUPA sei eine fachliche Veranstaltung im tarifvertraglichen Sinne. Zwar habe sie den Charakter einer Verkaufsmesse. Sie biete aber zugleich eine umfassende Information über den technischen Stand innerhalb der Druck- und Papierverarbeitungsindustrie. Sie bringe entsprechend ihrer Ankündigung "Informationen in höchster Dichte" und zeige "Hilfen und Trends" auf. Sie verschaffe den Klägern als Facharbeitern einen umfassenden Überblick über die technische Entwicklung in ihrem Arbeitsbereich. Das rechtfertige ihre Einordnung als fachliche Veranstaltung im Sinne des § 13 Ziff. 3 Buchst. l des TV. Auf eine unmittelbare Erhöhung der beruflichen Qualifikation der Kläger in ihrem erlernten oder ausgeübten Beruf komme es nicht an. Eine solche Auslegung finde weder im Wortlaut noch im systematischen Zusammenhang der Vorschrift eine Stütze. Es liege auch im betrieblichen und unternehmerischen Interesse, wenn die Arbeitnehmer sich abzeichnenden neuen technischen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen seien und dafür Verständnis zeigten. Die wohlverstandenen Belange der Beklagten ließen eine einengende, unmittelbar die Qualifikation des Arbeitnehmers steigernde Auslegung der fachlichen Veranstaltung nicht als geboten oder gar notwendig erscheinen.

II. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten ist begründet. Der Feststellungsantrag, den Klägern künftig für den Besuch der DRUPA gemäß § 13 Ziff. 3 Buchst. l des TV Arb BDr Arbeitsbefreiung ohne Anrechnung auf den Jahresurlaub zu gewähren, ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wegen Fehlens des alsbaldigen Feststellungsinteresses gemäß § 256 ZPO unzulässig. Die Klage war daher abzuweisen.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden; bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses werden nicht als zulässiger Streitgegenstand eines Feststellungsbegehrens angesehen (BGHZ 22, 43, 48; 68, 331, 332). Eine Feststellungsklage muß sich aber nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis im ganzen erstrecken, sie kann vielmehr auch - wie vorliegend - einzelne Teilrechtsverhältnisse oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis betreffen, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder den Umfang einer Leistungspflicht (vgl. BAG Urteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT, m.w.N.; BGHZ 22, 43, 47, 48; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 94 II 1, S. 551 f.; Thomas/Putzo, ZPO, 14. Aufl., § 256 Anm. I 3 a; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 44. Aufl., § 256 Anm. 2 A). Erforderlich ist aber stets, daß es um ein streitiges Recht oder Rechtsverhältnis als in der Gegenwart bestehend oder nicht bestehend geht (vgl. Thomas/Putzo, aaO, § 256 Anm. I 3 a). Dazu genügt zwar schon ein bedingtes oder betagtes Recht oder Rechtsverhältnis, sofern die es begründenden Tatsachen bereits vorliegen und nur das bedingte Ereignis noch aussteht. Ein Rechtsverhältnis, dessen entscheidungserhebliche Tatsachen zur Zeit noch nicht festgestellt werden können, kann nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. BGH Urteil vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58 - LM Nr. 49 zu § 1004 BGB; Rosenberg/Schwab, aaO, § 94 II 3; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 256 Anm. D I b; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 256 Anm. 2 D).

Zwar besteht zwischen den Klägern und der Beklagten ein Teilrechtsverhältnis, das durch die tarifvertragliche Freistellungsregelung des § 13 Ziff. 3 Buchst. l TV Arb BDr bestimmt wird. Gleichwohl fehlt den Klägern zur Zeit ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, für alle zukünftig stattfindenden DRUPA-Messen Arbeitsbefreiung zu gewähren. Dazu wäre erforderlich, daß jetzt bereits für die künftig stattfindenden Messen feststeht, es handele sich um eine fachliche Veranstaltung oder Tagung i. S. von § 13 Ziff. 3 Buchst. l TV Arb BDr. Hinreichende zuverlässige Aussagen über die Inhalte künftiger entsprechender Veranstaltungen, deren weitere Durchführung zur Zeit terminlich nicht einmal zwingend feststeht, sind aber nicht feststellbar. So kann dieses Teilrechtsverhältnis mangels entscheidungserheblicher Tatsachen zur Zeit nicht Gegenstand einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO sein.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 1, 566, 515 Abs. 3 ZPO.

Dr. Jobs Dörner Schneider

Möller-Lücking Fischer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440862

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