Entscheidungsstichwort (Thema)

Baugewerbliche Tätigkeit. vorbeugender Brandschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweise des Senats:

Schlüssigkeit der Behauptungen zur Ausführung baugewerblicher Tätigkeiten

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 21.02.1992; Aktenzeichen 15 Sa 1074/91)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 07.06.1991; Aktenzeichen 6 Ca 795/91)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 1992 – 15 Sa 1074/91 – aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin (im folgenden: ZVK) ist nach näherer tariflicher Maßgabe als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen für die Zeit von November 1985 bis Dezember 1987 sowie Juni bis August 1989 sowie auf Auskunft für die Zeit von September bis November 1989 in Anspruch.

Die beklagte GmbH ist im Handelsregister als „Dienstleistungsunternehmen für vorbeugenden Brandschutz und Brandsanierung” eingetragen. Bei der Handwerkskammer lautet die Eintragung auf einen „handwerksähnlichen Betrieb für den Holz- und Bautenschutz”. Bei der Gemeinde hat sie als gewerbliche Tätigkeit „Sanierungsarbeiten nach Brandschäden, Abschotten von Kabeldurchbrüchen gegen Übertragung von Feuer, Schutzbeschichtungen von Elektrokabeln, Imprägnierung von Textilien gegen Feuer, Absicherung von Rechenanlagen gegen die Übertragung von elektromagnetischen Wellen, Asbestsanierung und Asbestentfernung” angegeben. Die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer sind bei der zuständigen Krankenkasse als Isolierer gemeldet. Das Landesarbeitsamt hat 1988 anläßlich einer Betriebsprüfung entschieden, daß der Betrieb der Beklagten nicht von der Baubetriebsverordnung erfaßt werde.

Die Klägerin hat hinsichtlich der betrieblichen Tätigkeit der Beklagten und des jeweiligen Anteils an der Gesamtarbeitszeit in der Berufungsinstanz zuletzt behauptet, daß die Beklagte folgende Tätigkeiten erbringe:

  1. Brandschadensanierung, 6,17 % Dabei würden durch einen Brand beschädigte Teile des Baus abgestemmt, herausgebrochen oder ausgebaut und im Anschluß daran durch bauliche Maßnahmen wie neue Wand- und Deckenverkleidungsteile ersetzt und beschädigte Mauern neu verputzt.
  2. Asbestsanierung, 9,87 % Dabei würden vorhandene Asbestplatten aus Gebäuden herausgebrochen oder ausgebaut und anschließend durch asbestfreie Platten ersetzt.
  3. Kabelbeschichtung, 4,32 % Dabei würden im Bau vorhandene Kabel mit Brandschutzmitteln beschichtet.
  4. Montage von vorgefertigten Gummiteilen zur Abdichtung, 12,34 % Dabei würden in Gebäuden und Bauwerken vorhandene Feuerschutzklappen und Feuerschutztüren zum Mauerwerk hin und zwischen Klappe bzw. Tür und Rahmen mit vorgefertigten Gummiteilen abgedichtet.
  5. Montage von Feuerschutzklappen, 12,34 % Dabei würden Feuerschutzklappen aus nicht brennbarem Material oder Metall in vorhandene Gebäude und Bauwerke eingebaut.
  6. Montage von vorgefertigten Kabelkanälen, 8,64 % Dabei würden vorgefertigte Kabelkanäle in Gebäuden und Bauwerken in Kabelschächten oder auf Wänden, Böden und Decken verlegt und montiert. Dabei handele es sich um von der Beklagten selbst gefertigte Kabelkanäle.
  7. Fertigung von Kabelkanälen und deren Vertrieb, 14,81 % Dabei stelle die Beklagte selbst Kabelkanäle her, von denen mehr als 50 % von ihr selbst auch eingebaut würden, lediglich der Rest werde an andere Bezieher verkauft.
  8. Montage von fertigen Feuerschutztüren und -blechen, 12,34 % Dabei würden fertig bezogene Feuerschutztüren und Feuerschutzbleche in Gebäude und Bauwerke eingebaut und die dafür erforderlichen Öffnungen aus dem Mauerwerk herausgestemmt.
  9. Vorbeugender baulicher Brandschutz, 19,13 % Dabei würden in Gebäude und Bauwerken vorhandene Öffnungen, durch die Kabel oder Rohre geführt seien, mit Brandschutzmörtel oder anderen geeigneten Materialien verschlossen.

Zum Beweis für ihre Behauptung hat die Klägerin alle im Klagezeitraum bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer benannt und dazu behauptet, daß alle diese Arbeitnehmer während ihrer gesamten Arbeitszeit die behaupteten Arbeiten selbst ausgeführt hätten und aufgrund eigener Wahrnehmung und Zusammenarbeit auch die Tätigkeiten der anderen Arbeitnehmer kennen würden.

Die ZVK ist der Ansicht, die Beklagte unterfalle mit diesen Tätigkeiten dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 19. Dezember 1983 (für die Zeit bis zum 31. Dezember 1986) und des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 (für die Zeit ab dem 1. Januar 1987) und des Tarifvertrages vom 30. Oktober 1975 über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes (VTV und VTV-Angestellte), die in ihrer jeweiligen Fassung für allgemeinverbindlich erklärt waren.

Die maßgebenden Vorschriften der VTVe lauten – soweit hier von Interesse – zuletzt:

㤠1 Geltungsbereich

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschn. I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Abschnitt IV

Betriebe, in denen die nachstehend aufgeführten Arbeiten ausgeführt werden:

3. Technische Dämm- (Isolier-)Arbeiten, insbesondere solche an technischen Anlagen, …

Abschnitt V

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

3. Asbestsanierungsarbeiten an Bauwerken und Bauwerksteilen (z.B. entfernen, verfestigen, beschichten von Asbestprodukten)

…”

Soweit die Klägerin rückständige Beiträge zu den Sozialkassen einklagt, beruht deren Berechnung auf den von der Beklagten selbst für die einzelnen Monate angegebenen Bruttomonatsverdiensten.

Die Klägerin hat – soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung – zuletzt beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

1. wie viele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten September, Oktober, November 1989 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind,

2. wie viele Angestellte insgesamt und wieviele Angestellte, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mindestens 20 Stunden beträgt, in den Monaten September, Oktober, November 1989 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttogehaltssummen und in welcher Höhe Vorruhestands- sowie Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes in den genannten Monaten angefallen sind,

und

II. für den Fall, daß die Beklagte diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt, an sie folgende Entschädigung zu zahlen:

zu I.1.: 41.400,00 DM zu I.2.: 2.760,00 DM Gesamtbetrag: 44.160,00 DM

und

III. an sie 451.794,20 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält zunächst die Klageansprüche für verwirkt, zumindest für verjährt, und bestreitet die Höhe der Beitragsforderung.

Sie bestreitet im übrigen die von der Klägerin behaupteten Tätigkeiten und trägt dazu im einzelnen vor:

  1. Zur Brandschadensanierung Im Rahmen dieser Tätigkeit würden nur durch Feuer geschädigte Räume und Einrichtungsgegenstände aufgeräumt und gereinigt sowie Brandflächen konserviert bzw. passiviert.
  2. Zur Asbestsanierung Dabei werde nur asbesthaltiges Material entsorgt, wobei Abklebe- und Abdichtungsarbeiten anfielen. Irgendwelche asbestfreien Materialien würden nicht eingebaut.
  3. Zu Kabelbeschichtungen Vorhandene Kabel würden nicht nur mit Brandschutzmitteln gegen Feuer bestrichen, sondern auch zu anderen Zwecken.
  4. Zur Montage vorgefertigter Gummiteile Deren Montage diene nicht der Abdichtung gegen Feuer oder Hitze, was schon das Material – Gummi – belege, das bei Feuer schmelzen würde.
  5. Zur Montage von Feuerschutzklappen Dabei handele es sich um das Einsetzen von Feuerschutzklappen aus Metall mittels Schraubwerkzeugen u.ä.. Das aber seien reine Blech- und Schlosserarbeiten.
  6. Zur Fertigung vorgefertigter Kabelkanäle Die Montage von Kabelkanälen sei reine Blech- oder Schlosserarbeit. Die Kabelkanäle würden auch nicht grundsätzlich in Gebäuden eingebaut. Auch handele es sich dabei um Kabelkanäle, die sie nicht selbst gefertigt habe.
  7. Fertigung und Vertrieb von Kabelschächten Es würden ausschließlich Kabelkanäle nach Plänen aus Blech gefertigt, die an Dritte geliefert, nicht selbst eingebaut würden.
  8. Zur Montage von Feuerschutztüren und Blechen Dabei würden spezielle, nach ihren Plänen gebaute und fertiggestellte Feuerschutztüren und Bleche bezogen und montiert.
  9. Zum vorbeugenden Brandschutz Dabei handele es sich überwiegend um die Installation von Feuermeldeeinrichtungen, das Anbringen von Feuerlöschern sowie um Elektroarbeiten, Blech- und Schlosserarbeiten, Schreinerarbeiten, Maler- und Glaserarbeiten.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe nicht schlüssig dargetan, daß im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten verrichtet würden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Beiträgen und auf die Erteilung von Auskünften sei nicht begründet, weil die ZVK nicht schlüssig dargelegt habe, daß der Betrieb der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt worden sei. Die Darlegungslast, daß arbeitszeitlich überwiegend im Betrieb Tätigkeiten ausgeführt würden, die den Beispieltätigkeiten in § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV entsprächen oder die unter die sonstigen Abschnitte des § 1 Abs. 2 VTV fielen, liege bei der ZVK. Dabei genügten regelmäßig zunächst pauschale Angaben über die erbrachten Leistungen. Reiche der klägerische Vortrag aus, den Schluß darauf zuzulassen, daß der Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt werde, müsse der beklagte Arbeitgeber substantiiert erwidern. Werde durch seine Erwiderung der Vortrag der ZVK unklar und unplausibel, dann bedürfe es weiteren, näher ins Detail gehenden und sich mit dem Beklagtenvortrag auseinandersetzenden Vortrages. Daran fehle es vorliegend.

Auf die Behauptungen der ZVK zur Brandschadensanierung habe die Beklagte erwidert, daß nur Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten verrichtet worden seien. Zur Vermeidung eines Ausforschungsbeweises hätte die ZVK Beispiele für die von ihr behaupteten Tätigkeiten benennen müssen. Gleiches gelte hinsichtlich der Behauptungen der ZVK zur Asbestsanierung, da hier die Beklagte vorgetragen habe, es würden nur reine Entsorgungsarbeiten vorgenommen. Auch die Behauptung der ZVK zur Montage vorgefertigter Gummiteile sei durch die Behauptung der Beklagten, daß sie diese Arbeiten nicht durchführe, unzureichend und unplausibel geworden, so daß die ZVK auch insoweit Beispielsfälle hätte benennen müssen. Gleiches gelte für die Behauptung hinsichtlich der Tätigkeiten im Rahmen des vorbeugenden Brandschutzes.

Hinsichtlich der Behauptungen zur Fertigung von Kabelkanälen und deren Vertrieb fehle es an einem geeigneten Beweisantritt. Die pauschale Behauptung der Klägerin, alle Zeugen hätten einen Überblick über das vollständige Betriebsgeschehen, reiche nicht aus. Es sei nicht dargetan, warum alle benannten Arbeitnehmer einen solchen Überblick haben sollten, zumal die Tätigkeiten der Beklagten zum Teil vor Ort und zum Teil im Betrieb anfielen und nicht anzunehmen sei, daß dieselben Arbeitnehmer vor Ort und in der Fertigung eingesetzt würden.

II. Diese Würdigung des Vortrages der ZVK durch das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft. Mit dieser Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht allerdings von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes aus, wonach ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird, wenn von den Arbeitnehmern arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die in § 1 Abs. 2 VTV aufgeführt sind. Dabei hat die ZVK nach den allgemeinen Grundsätzen für die Darlegungs- und Beweislast darzulegen und ggf. zu beweisen, daß im Betrieb des beklagten Arbeitgebers arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 28. März 1990 – 4 AZR 615/89 – AP Nr. 130 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, m.w.N.; Urteil des Senats vom 3. November 1993 – 10 AZR 538/92 – und vom 6. Januar 1994 – 10 AZR 557/92 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruches dann schlüssig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Bei einer Klage, mit der die ZVK einen Arbeitgeber nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge in Anspruch nimmt, bedeutet dies, wie das Landesarbeitsgericht mit Recht ausführt, daß die ZVK Tatsachen vortragen muß, die den Schluß darauf zulassen, der Betrieb werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt. Ergibt sich aus dem Sachvortrag der ZVK, daß in einem Betrieb Arbeiten ausgeführt werden, die die Zuordnung zu unterschiedlichen in § 1 Abs. 2 VTV aufgeführten baugewerblichen Tätigkeiten zulassen, so bedarf es zur Schlüssigkeit der Klage der Darlegung, daß diese baugewerblichen Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen.

Dieser Darlegungslast hat die ZVK genügt.

2. Die Klage ist allerdings nicht schon deswegen begründet, weil die von der ZVK behaupteten neun Teiltätigkeiten – Brandschadensanierung, Asbestsanierung, Kabelbeschichtungen, usw. – und deren zeitlicher Anteil an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit dem Vorbringen der Beklagten in einem Vorprozeß entnommen sind. Aus dem näheren Vorbringen der Parteien ergibt sich nämlich, daß diese unter den einzelnen Begriffen wie „Brandschadensanierung” oder „Asbestsanierung” unterschiedliche Arbeiten verstehen. Damit decken sich die Behauptungen der Parteien hinsichtlich der betrieblichen Tätigkeit der Beklagten nicht. Die Klägerin hat jedoch zu den einzelnen Teiltätigkeiten im einzelnen vorgetragen, welche Arbeiten unter dem Begriff der jeweils von ihr angegebenen Teiltätigkeit zu verstehen sind.

a) Zur Brandschadensanierung – 6,17 % – hat die Klägerin behauptet, daß die Beklagte die durch Brand beschädigten Teile eines Baues abstemmt, herausbricht oder ausbaut und durch neue Wand- und Deckenverkleidungsteile ersetzt und beschädigte Mauern neu verputzt. Anfallende Reinigungsarbeiten seien nur Vorarbeiten zur Erkennung des jeweiligen Brandschadens. Wenn die Beklagte demgegenüber behauptet, im Rahmen der Brandschadensanierung würden lediglich Reinigungsarbeiten vorgenommen und beschädigte Brandflächen konserviert und passiviert, so liegt darin, – abgesehen davon, daß die Beklagte die Behauptungen der ZVK insgesamt bestritten hat – jedenfalls ein Bestreiten der Behauptungen der Klägerin zu diesen Tätigkeiten. Die Beklagte behauptet schlicht andere Tätigkeiten als die ZVK. Wieso durch das Bestreiten der Behauptungen der ZVK eine Beweisaufnahme über diese Behauptungen zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis führt, ist nicht ersichtlich. Es ist gerade der Sinn einer Beweisaufnahme, festzustellen, ob die Behauptung eines bestimmten tatsächlichen Geschehens, das durch den Beklagten negiert wird, zutrifft.

b) Gleiches gilt hinsichtlich der Erwägung des Landesarbeitsgerichts zu den Behauptungen der ZVK in Bezug auf die Asbestsanierung. Dadurch, daß die Beklagte bestreitet, asbesthaltiges Material ausgebaut zu haben, und ihrerseits nur behauptet, Asbestentsorgung vorgenommen zu haben, wird eine Beweisaufnahme über die von der Klägerin behaupteten Tätigkeiten nicht zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis.

c) Hinsichtlich der Montage vorgefertigter Gummiteile zur Abdichtung geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß diese Behauptungen durch den „dezidierten Gegenvortrag” – „keine Durchführung dieser Arbeiten” – unzureichend und unplausibel geworden ist. Ganz abgesehen davon, daß die Beklagte diese Arbeit als solche nicht bestritten, sondern lediglich vorgetragen hat, daß die Abdichtung mit vorgefertigten Gummiteilen nicht dazu bestimmt sei, gegen Feuer, Hitze u.ä. Einwirkungen zu schützen, wird durch eine Behauptung, diese Arbeiten seien nicht durchgeführt worden, das klägerische Vorbringen nicht unzureichend oder unplausibel.

d) Gleiches gilt für die Behauptungen der ZVK hinsichtlich des vorbeugenden Brandschutzes. Ihre Behauptung, im Rahmen dieser Teiltätigkeit würden Öffnungen für Kabel und Rohre mit Brandschutzmörtel gefüllt, wird nicht unplausibel und unzureichend dadurch, daß die Beklagte insoweit andere Tätigkeiten behauptet und die Behauptung der Klägerin bestreitet.

e) Hinsichtlich der Fertigung von Kabelschächten und deren Vertrieb hat die ZVK behauptet, daß die Beklagte solche Kabelschächte fertigt und mehr als 50 % dieser selbstgefertigten Kabelschächte selbst einbaut und montiert. Die Fertigung von Kabelschächten als solche hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat lediglich behauptet, daß alle von ihr gefertigten Kabelschächte an Dritte vertrieben, nicht aber von ihr selbst eingebaut werden. Damit ist lediglich streitig, ob von der Beklagten selbstgefertigte Kabelschächte auch montiert und in Gebäuden eingebaut werden. Wenn die ZVK für diese Behauptung die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer als Zeugen benennt und dazu vorträgt, daß alle Arbeitnehmer alle im Betrieb anfallenden Arbeiten jeweils verrichtet haben und über die Arbeiten ihrer Arbeitskollegen Bescheid wissen, dann ist nicht zu erkennen, warum dieses Beweismittel ungeeignet sein soll. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Arbeitnehmer, die Kabelschächte einbauen und montieren – was unter den Parteien nicht streitig ist – aus eigener Kenntnis bekunden können, ob es sich um Kabelschächte aus der Produktion der Beklagten oder um von Fremdfirmen bezogene Kabelschächte handelt.

Die aufgezeigten Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Würdigung des tatsächlichen Vorbringens der ZVK machen die Aufhebung des angefochtenen Urteils erforderlich, sofern sich die Abweisung der Klage nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist.

III. Das kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

1. Die Abweisung der Klage könnte der Senat nur dann bestätigen, wenn schon die von der ZVK behaupteten einzelnen Tätigkeiten nicht im erforderlichen Umfang bauliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 VTV wären.

Das ist jedoch nicht der Fall. Die im Rahmen der Brandschadensanierung behaupteten Tätigkeiten – 6,17 % – sind bauliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV, da sie der Instandsetzung von Gebäuden dienen. Die Asbestsanierung – 9,87 % – ist zumindest im behaupteten Umfang eine bauliche Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 3 VTV. Das hat der Senat am 3. November 1993 in dem Verfahren – 10 AZR 319/91 – entschieden. Auch die Beschichtung von Kabeln – 4,32 % –, die Montage von vorgefertigten Gummiteilen – 12,34 % –, der vorbeugende Brandschutz – insoweit 15 % – und die Montage vorgefertigter Kabelschächte – 8,64 % – dient der Fertigstellung von Gebäuden im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Das gilt zumindest dann, wenn – wie es die Beklagte selbst behauptet – die Kabelschächte gerade nicht von ihr selbst produziert werden. Damit werden im Betrieb der Beklagten nach den Behauptungen der ZVK zumindest in einem Umfang von 56,34 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit bauliche Leistungen erbracht, so daß die Beklagte – wenn sich diese Behauptungen als wahr erweisen – unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt.

2. Der Senat kann der Klage aber auch nicht stattgeben. Es läßt sich aufgrund des unstreitigen Vorbringens der Klägerin und der Behauptungen der Beklagten über ihre Tätigkeit nicht feststellen, daß der Betrieb der Beklagten unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt.

Die Asbestsanierung – 9,87 % – dürfte nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 3 eine bauliche Leistung auch dann sein, wenn die Beklagte entferntes Asbestmaterial nicht durch andere Materialien ersetzt. Das Beschichten von Kabeln – 4,32 % – wird von der Beklagten nicht bestritten. Darauf, ob diese Kabel mit Brandschutzmitteln oder anderen Materialien bestrichen werden, und zu welchem Zweck dies erfolgt, ist unerheblich. Unstreitig ist auch die Montage vorgefertigter Gummiteile zur Abdichtung – 12,34 % –. Darauf, zu welchem Zweck diese Abdichtung erfolgt, kommt es nicht an. Trifft es zu, daß die Beklagte nur von Drittfirmen bezogene Kabelkanäle montiert – 8,64 % –, ist auch das eine bauliche Leistung. Das sind zusammen 35,17 %. Ob die als solche unstreitige Montage von Feuerschutzklappen und Feuerschutztüren – zusammen 24,68 % – eine bauliche Tätigkeit ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Trifft es zu, daß der Beklagte diese Teile wenigstens zum Teil selbst erstellt, kann es sich bei diesen Arbeiten auch um solche des Lüftungsbauergewerbes oder des Klimaanlagenbaues handeln, die nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen sind.

Damit steht zur Zeit allenfalls fest, daß 35,17 % der betrieblichen Tätigkeit der Beklagten auf bauliche Leistungen entfallen.

Der Rechtsstreit war daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen hinsichtlich der Tätigkeit der Beklagten treffen kann. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

 

Unterschriften

Matthes, Hauck, Böck, Kähler, Harnack

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916141

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