Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuschuß zum Kurzarbeitergeld

 

Leitsatz (amtlich)

  • In § 5 Ziff. 3 des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie vom 7. März 1991 (MTV-Angestellte) ist vorgesehen, daß Angestellte einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Einführung der Kurzarbeit gekündigt wurde. Nach der Protokollnotiz zu § 5 Ziff. 3 findet diese Regelung “zumindest für die Geltungsdauer des § 63 Abs. 5 AFG (DDR)” keine Anwendung.
  • Die Protokollnotiz ist dahin auszulegen, daß § 5 Ziff. 3 MTV nur dann in Kraft tritt, wenn hierüber die Tarifvertragsparteien eine besondere Regelung treffen. Bis dahin besteht kein Anspruch auf Zuschuß zum Kurzarbeitergeld.
 

Normenkette

TVG Tarifverträge: Metallindustrie § 1; Manteltarifvertrag für die Angestellten der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie vom 7. März 1991 (MTV-Angestellte) § 5 Ziff. 3

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 08.01.1993; Aktenzeichen 3 Sa 49/92 L.)

ArbG Leipzig (Urteil vom 11.08.1992; Aktenzeichen 20 Ca 4102/92)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 8. Januar 1993 – 3 Sa 49/92 L. – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld nach dem Manteltarifvertrag für die Angestellten der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie vom 7. März 1991 (MTV-Angestellte) zu zahlen.

Der Kläger war seit 1959 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Arbeitnehmer beschäftigt. Er leitete bis zu seinem Ausscheiden die Abteilung Umwelttechnik. Sein letztes Bruttomonatsgehalt betrug 4.093,43 DM. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der MTV-Angestellte Anwendung.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 1991 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum Ablauf des 30. Juni 1992. In der Zeit vom 2. April 1992 bis zum 30. Juni 1992 befand sich der Kläger in Kurzarbeit. Die Forderung des Klägers, ihm einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld gemäß § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte zu zahlen, lehnte die Beklagte ab. Die Differenz zwischen dem tatsächlich bezogenen Kurzarbeitergeld und dem rechnerischen Nettoarbeitsentgelt des Klägers im genannten Kurzarbeitszeitraum beträgt 1.611,86 DM.

Mit Schreiben vom 30. April 1992 hat der Kläger die bei der Beklagten gebildete Schiedsstelle für Arbeitsrecht angerufen. Durch Beschluß vom 22. Mai 1992 hat diese beschlossen, das Verfahren zu unterbrechen und das Ergebnis der Verhandlungen der Tarifvertragsparteien zu der genannten tariflichen Vorschrift abzuwarten. Gegen diesen ihm entweder am 12. oder 13. Juni 1992 zugegangenen Beschluß hat der Kläger mit seiner am 26. Juni 1992 beim Kreisgericht Leipzig-Stadt – Kammern für Arbeitsrecht – eingegangenen Klage Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte sei automatisch mit dem Wegfall des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) in Kraft getreten, was sich aus seiner Entstehungsgeschichte, insbesondere aber aus der als “Verhandlungsergebnis” bezeichneten Niederschrift der Tarifpartner vom 7. März 1991 ergebe. Nach dessen Ziff. 14.1. sollten die manteltariflichen Vorschriften für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten zum 1. April 1991 in Kraft treten. Ausnahmen hiervon seien in Ziff. 17.1. bzw. 17.3. ausdrücklich bestimmt worden. Die Protokollnotiz zu § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte sei jedoch an anderer Stelle in das Verhandlungsergebnis, nämlich in Ziff. 17.2. des Verhandlungsergebnisses vom 7. März 1991 aufgenommen worden. Zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses habe überdies der Tarifvertrag über Kündigungsschutz und Qualifizierung bei Umstrukturierungsmaßnahmen vom 13. Juli 1990 (TVKQ) gegolten, der gleichfalls einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld vorgesehen habe. Entsprechend dem zeitlichen Ablauf dieses Tarifvertrages habe auch § 63 Abs. 5 AFG (DDR) zunächst mit Ablauf des 30. Juni 1991 außer Kraft treten sollen. Um bei einer eventuellen Verlängerung des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) die Arbeitgeberseite nicht übermäßig zu belasten, sei das “Aussetzen” des § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte an die Laufdauer des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) gekoppelt.

Der Kläger hat beantragt,

  • den Beschluß der Schiedsstelle der Beklagten vom 22. Mai 1992 aufzuheben,
  • die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.611,86 DM als Zuschuß zum Kurzarbeitergeld gemäß § 5 Ziff. 3 MTV zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, aus dem Wortlaut der Protokollnotiz ergebe sich gerade keine stichtagsmäßige Regelung für das Inkrafttreten von § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte. Insbesondere würde ansonsten die in Satz 2 der Protokollnotiz festgelegte Verhandlungspflicht der Tarifvertragsparteien leerlaufen. Es habe auch beim Abschluß des Tarifvertrages im März 1991 bei den Tarifvertragsparteien Einigkeit darüber bestanden, die Struktur des Tarifgebietes Bayern grundsätzlich zu übernehmen. Die Angleichung an die materiellen Arbeitsbedingungen von Bayern sollte jedoch nur schrittweise im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung erfolgen. Eine sofortige Übernahme der für das Tarifgebiet Bayern geltenden Vorschriften sei nicht in Betracht gekommen, da die wirtschaftlichen Voraussetzungen in den Tarifgebieten zu unterschiedlich seien. Die Unternehmen im Tarifgebiet Sachsen sollten durch die Zuschußzahlung nicht noch mehr belastet werden, weshalb sich die Tarifvertragsparteien das Inkrafttreten von § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte durch eine Vereinbarung in späteren Verhandlungen vorbehalten hätten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den geltend gemachten Zuschuß zum Kurzarbeitergeld.

I. Das angefochtene Urteil läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe kein Anspruch auf die Zuschußzahlung zum Kurzarbeitergeld zu, weil § 5 Ziff. 3a MTV-Angestellte bis zum 30. Juni 1992 noch nicht in Kraft getreten sei.

1. § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte und die hierzu bestehende Protokollnotiz lauten wie folgt:

  • Angestellte in gekündigtem Arbeitsverhältnis, die Kurzarbeit verfahren müssen, erhalten,

    • wenn das Arbeitsverhältnis vor Einführung der Kurzarbeit gekündigt wurde, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses
    • einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld. Der Zuschuß ist so zu bemessen, daß einschließlich des Kurzarbeitergeldes ein Verdienst erreicht wird, der dem der regelmäßigen Arbeitszeit entspricht.

    Protokollnotiz zu § 5 Ziff. 3:

    Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, daß § 5 Ziff. 3 zumindest für die Geltungsdauer des § 63.5 AFG nicht zur Anwendung kommt. Dies ist Grundlage noch zu führender Verhandlungen.”

Die genannte Tarifnorm wurde aus dem bayerischen MTV für die Metall- und Elektroindustrie im Rahmen der Verhandlungen über den MTV (Sachsen) übernommen. Die als “Verhandlungsergebnis” bezeichnete Niederschrift der Tarifvertragsparteien vom 7. März 1991 lautet hierzu wie folgt (Auszug):

  • Kurzarbeit, Kündigungsschutz und Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer
  • Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, daß die Tarifbestimmungen über Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer (§ 8 Ziff. 2 V), gewerbliche Arbeitnehmer, (§ 2 Ziff. 5 (II) MTV-Angestellte) sowie über Verdienstsicherung (§ 24 MTV gewerbliche Arbeitnehmer; § 8 MTV-Angestellte) im Zusammenhang mit den Verhandlungen in Ziffer 16 stehen.
  • Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, daß § 3 Ziff. 2 des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer sowie § 5 Ziff. 3 des Manteltarifvertrages für die Angestellten der bayerischen Metallindustrie zumindest für die Geltungsdauer des § 63.5 AFG nicht zur Anwendung kommt. Dies ist Grundlage noch zu führender Verhandlungen.
  • Die § 3 Ziff. 1 MTV gewerbliche Arbeitnehmer und § 5 Ziff. 1 und 2 MTV für die Angestellten der bayerischen Metallindustrie treten am 01.07.1991 in Kraft.”

Für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch kommt lediglich § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte in Betracht. Zu Recht hat das Berufungsgericht insoweit erkannt, dem Kläger stehe bei isolierter Betrachtung allein des § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte der geltend gemachte Anspruch in rechnerisch unstreitiger Höhe zu. Im vorliegenden Fall sind nämlich die Voraussetzungen des Buchst. a gegeben, das Arbeitsverhältnis wurde vor Einführung der Kurzarbeit gekündigt. Zutreffend hat das Berufungsgericht dem Kläger jedoch den Anspruch versagt, weil die Tarifvertragsparteien § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte nach der zu dieser Vorschrift bestehenden Protokollnotiz abweichend von § 19 MTV-Angestellte bisher noch nicht in Kraft gesetzt haben.

2. Die Protokollnotiz zu § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte ist Bestandteil des normativen Teils des genannten Tarifvertrages geworden. Sie ist direkt in seinem Text enthalten und nicht lediglich in einer Anlage diesem beigefügt. Die Protokollnotiz enthält eine eigenständige Regelung und nicht lediglich Hinweise auf die Auslegung einzelner tariflicher Bestimmungen. Darüber hinaus ist sie zeitgleich mit den sonstigen Regelungen des MTV vereinbart worden, schriftlich niedergelegt und von den Vertragsschließenden eigenhändig unterzeichnet, womit dem Formerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG i.V.m. § 126 BGB ausreichend Rechnung getragen wurde.

3. Der § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte ist bisher noch nicht in Kraft getreten, weil dies weiteren Verhandlungen der Tarifvertragsparteien vorbehalten bleiben sollte, was sich aus der Auslegung der Protokollnotiz zu der genannten Vorschrift ergibt.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages, über die hier zwischen den Parteien Streit besteht, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut jedoch nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbaror Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z.B. Senatsurteil vom 23. September 1992 – 4 AZR 66/92 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I 2a der Gründe, m.w.N.).

b) Die fehlende Anwendbarkeit des § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte für den streitbefangenen Zeitraum vom 2. April bis 30. Juni 1992 ergibt sich bereits bei Auslegung des Wortlauts der hierzu ergangenen Protokollnotiz.

Dieses Ergebnis folgt im wesentlichen aus der Aufnahme des Ausdrucks “zumindest” im Wortlaut der Protokollnotiz. Läßt man dieses Wort im Text der genannten Protokollnotiz unberücksichtigt, so haben die Tarifvertragsparteien die Anwendbarkeit des § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte für den zeitlichen Geltungsbereich des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) ausdrücklich ausgeschlossen, wobei “nicht zur Anwendung kommt” rechtstechnisch als das zeitliche Hinausschieben des Inkrafttretens der tariflichen Norm anzusehen ist. Sie besaß jedenfalls bis zum Außerkrafttreten des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) keine Gültigkeit und konnte daher auch nicht Anspruchsgrundlage für tarifliche Ansprüche sein.

Die Tarifvertragsparteien haben sich aber gerade nicht darauf beschränkt, den § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte mit dem Wegfall des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) in Kraft zu setzen. Sie haben mit der zusätzlichen Aufnahme des Ausdrucks “zumindest” eine Regelung über das Inkrafttreten des § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte getroffen und dabei den frühestmöglichen Zeitpunkt bezeichnet, zu dem dieser Norm Geltung zukommen konnte, nämlich dem Tag nach dem Außerkrafttreten der genannten Vorschrift des Arbeitsförderungsgesetzes. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch setzt “zumindest” einen bestimmten Mindeststandard voraus, wie etwa “auf jeden Fall”, “wenigstens” bzw. “auf keinen Fall weniger” (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl., S. 1795). Dieser Ausdruck bezieht sich dabei als Adverb auf das “nicht zur Anwendung kommt” und damit auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte. Danach enthält der Wortlaut der Protokollnotiz zu der genannten Vorschrift deren Nichtanwendbarkeit wenigstens bis zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des § 63 Abs. 5 AFG (DDR). Damit fehlt es jedoch an einer ausdrücklichen Vereinbarung zum Inkrafttreten der Tarifnorm, wie sie etwa in der Protokollnotiz zu den ersten beiden Absätzen des § 5 MTV-Angestellte enthalten ist. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte sollte vielmehr nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Satz 2 der Protokollnotiz Grundlage weiterer Verhandlungen der Tarifpartner sein.

c) Diese Wortlautinterpretation wird bei Betrachtung des tariflichen Gesamtzusammenhanges der Normen des MTV bestätigt.

Die Tarifvertragsparteien haben dessen Regelungen gemäß § 19 MTV-Angestellte grundsätzlich zum 1. April 1991 in Kraft gesetzt. Eine ausdrücklich geregelte Ausnahme hiervon ist in der Protokollnotiz zu den ersten beiden Ziffern des § 5 MTV-Angestellte enthalten, die erst am 1. Juli 1991 wirksam werden. Soweit danach Ausnahmen von dem Inkrafttreten von Tarifnormen von den Tarifvertragsparteien vereinbart wurden, sind diese in Form von Protokollnotizen im Text des Tarifvertrages enthalten. Während jedoch in der Protokollnotiz zu den Ziffern. 1 und 2 des § 5 ausdrücklich ein Inkrafttreten zu einem datumsmäßig bestimmten Termin enthalten ist, fehlt es an einen ausdrücklichen Ausspruch des “Inkrafttretens” bei der Protokollnotiz zu Ziff. 3 der gleichen Vorschrift. Dies läßt den Rückschluß auf den Willen der Tarifvertragsparteien zu, die Ziffer 3 vorerst nicht wirksam werden zu lassen.

Überdies wären bei einem unbedingten Inkrafttreten des § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte die in Satz 2 der Protokollnotiz angesprochenen Verhandlungen der Tarifvertragsparteien weitgehend ohne Sinn. Würde die tarifliche Norm nach dem Außerkrafttreten von § 63 Abs. 5 AFG (DDR) erst einmal Rechtswirkungen zwischen den Tarifunterworfenen entfalten, so ist fraglich, was dann überhaupt als Verhandlungsgegenstand in Betracht kommen soll. Vielmehr ist Satz 2 nachvollziehbar nur dahingehend zu verstehen, daß über die zusätzlich von den Arbeitgebern zu erbringenden Zuschußzahlungen zum Kurzarbeitergeld erst dann verhandelt werden sollte, wenn die wirtschaftliche Belastung der Unternehmen dies zuläßt. Eine sichere Prognose über das finanzielle Volumen konnte aber von den Tarifvertragsparteien erst nach dem Wegfall des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) und in Kenntnis der Nachfolgeregelung getroffen werden.

d) Dem steht nicht der Inhalt der Niederschrift über das “Verhandlungsergebnis” der Tarifvertragsparteien vom 7. März 1991 entgegen, welches seinem Wortlaut nach erstmals in der Revisionsinstanz vom Kläger vorgelegt worden ist.

Diese Vereinbarung stellt nach der Senatsrechtsprechung einen sogenannten Vorvertrag dar, durch den sich die Tarifvertragsparteien unter einem Vorbehalt zur Normsetzung bestimmter tariflicher Regelungen verpflichten (BAGE 41, 307 = AP Nr. 20 zu § 1 TVG). Das Verhandlungsergebnis enthält neben konkreten Festlegungen von materiellen Arbeitsbedingungen auch solche zur Lohnhöhe (Ziff. 4), die jedoch ohne konkrete Bezifferung nicht Inhalt eines Tarifvertrages sein können. Daneben sind auch bloße Absichtserklärungen der Tarifvertragsparteien ohne Regelungscharakter (Ziff. 16) in die Urkunde aufgenommen.

Die Berücksichtigung des Wortlauts dieser Niederschrift ist auch in der Revisionsinstanz zulässig, da der Inhalt der Urkunde insoweit unstreitig ist und auch der Auslegung revisiblen Rechts dient.

Jedoch ergeben sich schon aus dem Wortlaut der Ziff. 17 keine Anhaltspunkte für einen Willen der Tarifvertragsparteien, abweichend vom Wortlaut der Protokollnotiz zu § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte diese Vorschrift mit dem Außerkrafttreten des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) in Kraft zu setzen. Die Unterpunkte 2 und 3 sind wortgleich als Protokollnotizen zu dem § 5 MTV-Angestellte im Tarifvertrag aufgenommen, aus ihnen ergeben sich gerade keine Hinweise auf einen entsprechenden Willen der Tarifvertragsparteien. Ziff. 17.1. ist im Rahmen der Wortlautauslegung unergiebig, da sie lediglich eine Klarstellung der noch zu verhandelnden Bereiche (Kündigungsschutz für ältere und gewerbliche Arbeitnehmer sowie Verdienstsicherung) betreffen. Auch für die vorgenommene Gliederung in Unterpunkte sprechen einleuchtende Gründe. In Punkt 3 ist zunächst das (unbedingte) Inkrafttreten von Tarifnormen geregelt, die zeitlich abweichend von § 19 MTV-Angestellte wirksam werden sollten. In Punkt 2 wird eine Regelung über das Inkrafttreten einer Tarifnorm (§ 5 Ziff. 3 MTV Bay. Metallindustrie) unter dem Vorbehalt weiterer Verhandlungen getroffen, die nach ihrem Wortlaut bzw. Regelungsumfang bereits feststeht und überdies schon im Text des MTV enthalten ist. Unter Punkt 1 hingegen werden lediglich Tarifbereiche angesprochen, bei denen zum Zeitpunkt des Abschlusses des MTV noch nicht feststeht, ob und in welcher Form sie überhaupt Bestandteil des Sächsischen MTV werden.

e) Unergiebig für die Auslegung der Protokollnotiz zu § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte ist schließlich der Regelungsumfang des TVKQ, der mit Ablauf des 30. Juni 1991 außer Kraft trat und eine Regelung zur Zahlung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld enthielt. Mit der weitgehenden Übernahme des bayerischen MTV haben die Tarifvertragsparteien aber eine neue und umfassende Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse der Normunterworfenen getroffen. Diese enthält eigenständige Regelungen zur Kurzarbeit und zur Zahlung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld und gerade keinen Hinweis auf die Zuschußzahlung nach dem außer Kraft getretenen Tarifvertrag. Aufgrund eines ausdrücklichen Anknüpfungspunktes im Wortlaut des MTV sowie des unterschiedlichen Regelungsumfanges des TVKQ kommt diesem bei der Auslegung von § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte keine Bedeutung zu.

f) Darüber hinaus sollten die Arbeitgeber nach dem eigenen Vortrag der Revision für die Geltungsdauer des § 63 Abs. 5 AFG (DDR) wegen der wirtschaftlichen Belastungen gerade von Zuschußzahlungen befreit sein. Nach dessen Nachfolgeregelung, dem § 63 Abs. 4 AFG (DDR), war jedoch die Einführung von Kurzarbeit gleichfalls unter erleichterten Voraussetzungen möglich, weshalb die für die Arbeitgeberseite entstehenden Leistungsverpflichtungen bei der Zahlung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld nicht erheblich geringer gewesen sind.

3. Die Protokollnotiz zu § 5 Ziff. 3 MTV-Angestellte enthält auch keine unzulässige Bedingung, weil sie etwa das Inkrafttreten der tariflichen Norm von einem zeitlich ungewissen Ereignis abhängig macht. Die Tarifvertragsparteien haben gerade nicht das Wirksamwerden der Zuschußzahlung zum Kurzarbeitergeld an einzukünftiges Ereignis geknüpft, sondern lediglich ihre Absicht erklärt, diesen Zeitpunkt erst in weiteren Verhandlungen zu bestimmen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Wißmann, Schneider, Kiefer, Schwarz

 

Fundstellen

Haufe-Index 845958

BB 1994, 364

NZA 1994, 468

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