Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung ausländischer Rente auf Betriebsrente

 

Leitsatz (amtlich)

  • Eine betriebliche Versorgungsordnung, die eine Gesamtversorgung vorsieht, kann bestimmen, daß ausländische Sozialversicherungsrenten auf betriebliche Versorungsleistungen anzurechnen sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn die ausländische Rente ebenso wie die deutsche Sozialversicherungsrente auf einer Pflichtversicherung beruht, dienstzeit- und beitragsabhängig ist und je zur Hälfte vom Arbeitgeber und Versicherten finanziert wird (hier österreichische Rente).
  • Der Anrechnung steht nicht entgegen, daß der Arbeitnehmer (Versicherte) erst durch freiwillige Beiträge (Nachversicherung) die Voraussetzungen für den Bezug der Rente schafft (Bestätigung des Urteils vom 19. Februar 1976 – 3 AZR 215/75 – AP Nr 171 zu § 242 BGB Ruhegehalt).
  • Anrechnungsfrei muß nur der Teil der Sozialversicherungsrente bleiben, der allein auf den Nachversicherungsbeiträgen des Arbeitnehmers beruht.
 

Normenkette

BetrAVG § 5; BGB §§ 133, 157, 276, 278

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20.04.1988; Aktenzeichen 10 Sa 940/87)

ArbG Mainz (Urteil vom 13.07.1987; Aktenzeichen 1 Ca 589/87)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. April 1986 – 10 Sa 940/87 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich dagegen, daß die Beklagte ihm einen Teil seiner österreichischen Sozialversicherungsrente auf die betriebliche Altersversorgung anrechnet.

Der Kläger, geboren am 3. März 1922, ist österreichischer Staatsangehöriger. Er war in der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter pflichtversichert. Später war er Mitarbeiter des ZDF. Er schied am 31. Dezember 1982 aus dem Arbeitsverhältnis aus.

Die beklagte Pensionskasse gewährt den Arbeitnehmern des ZDF Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aufgrund eines Versorgungstarifvertrags vom 1. Dezember 1972. Die Satzung der Beklagten (v. Olenhusen, Handbuch des Medienrechts – Versorgungsrecht Band 1 – S. 333 ff.) sieht nach Erfüllung einer Wartezeit von fünf Jahren (§ 14 Abs. 2) eine Alters- und Invalidenrente von 30 % der letzten Grundvergütung vor, die je nach Dienstzeit bis auf 50 % des letzten rentenfähigen Einkommens ansteigen kann (§ 17). § 30 der Satzung sieht die Anrechnung anderer Versorgungsleistungen vor sowie eine Gesamtversorgungsobergrenze von 125 %, bei Hinterbliebenen von 100 % des rentenfähigen Einkommens (§ 30 Abs. 2). Die Anrechnung anderer Leistungen ist in § 30 Abs. 1 auszugsweise wie folgt geregelt:

  • Erhält die/der Leistungsberechtigte neben den Leistungen nach dieser Satzung Rentenzahlungen oder sonstige Zahlungen aus der Sozialversicherung, so werden diese auf die Leistungen angerechnet.

    Erhält die/der Leistungsberechtigte neben Leistungen nach dieser Satzung

    • Rentenzahlungen oder Kapitalzahlungen aus sonstigen Versicherungen,
    • laufende Zahlungen oder Kapitalzahlungen aus sonstigen Einrichtungen,

    die auf Beiträgen oder Versicherungsprämien beruhen, die ganz oder teilweise vom ZDF oder einer Einrichtung getragen worden sind, an der das ZDF beteiligt ist, so werden diese auf die Leistungen angerechnet.

    Von der Anrechung sind die Leistungen ausgenommen, die aufgrund freiwilliger Zahlungen der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers ohne Beteiligung des Arbeitgebers finanziert worden sind.

    …”

Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 1983 von der Beklagten eine Invalidenrente in Höhe von anfänglich 2.452,60 DM monatlich. Daneben bezog er unmittelbar vom ZDF monatlich 201,19 DM, eine deutsche Sozialversicherungsrente von monatlich 948,10 DM sowie eine österreichische Sozialversicherungsrente von monatlich 630,77 DM. Bei der Festsetzung der Betriebsrente rechnete die Beklagte die österreichische Rente teilweise an, und zwar im Betrag von 576,90 DM; der Rest von 53,87 DM blieb anrechnungsfrei. Damit hat es folgende Bewandtnis: Bevor der Kläger in den Ruhestand trat, erkundigte er sich bei einem Angestellten des ZDF, ob eine Rente aus der österreichischen Sozialversicherung auf das Ruhegeld des ZDF angerechnet werde. Seiner Darstellung zufolge erhielt er die Auskunft, daß dies nicht der Fall sei. Daraufhin ließ sich der Kläger bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Wien für die Zeit vom 1. November 1980 bis zum 31. Oktober 1981 freiwillig nachversichern. Dafür entrichtete er eigene Beiträge in Höhe von insgesamt 52.695,20 öS oder umgerechnet 7.600,-- DM. Soweit die österreichische Rente auf dieser freiwilligen Nachversicherung beruht, hat die Beklagte sie bei der Berechnung der Betriebsrente nicht berücksichtigt.

Der Kläger ist mit der Berechnung seiner Betriebsrente nicht einverstanden. Er hat geltend gemacht, erst durch seine freiwillige Nachversicherung habe er die Möglichkeit erhalten, die Mindestrente der österreichischen Sozialversicherung zu beziehen. Die Versorgungsordnung der Beklagten sehe auch die Anrechnung solcher Bezüge nicht vor. “Sozialversicherung” im Sinne des §30 der Satzung der Beklagten sei nur die deutsche Sozialversicherung; andere Leistungen seien nur anrechenbar, wenn das ZDF sich an den Beiträgen oder Versicherungsprämien beteilige. Das sei hier nicht der Fall. Jedenfalls sei die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes verpflichtet, die österreichische Rente insgesamt anrechnungsfrei zu stellen, weil er auf die Zusage vertraut habe, daß diese Rente nicht angerechnet werde.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, Pensionszahlungen der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter an ihn gemäß § 30 der Satzung der Beklagten bzw. § 19 des Versorgungstarifvertrages auf die Ruhegeldzahlungen der Beklagten bzw. des ZDF anzurechnen.

Die beklagte Pensionskasse hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, maßgebliche Anrechnungsklausel sei § 30 Abs. 1 Satz 1 ihrer Satzung. Unter “Sozialversicherung” im Sinne dieser Bestimmung sei auch eine ausländische Sozialversicherung zu verstehen. Sie schulde dem Beklagten auch keinen Schadenersatz. Zusagen eines Angestellten des ZDF könnten sie nicht binden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden. Die Beklagte darf die österreichische Sozialversicherungsrente des Klägers, soweit dies geschieht, auf die betriebliche Versorgung anrechnen.

I. Maßgebliche Anrechnungsvorschrift ist § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten. Die Rente, die der Kläger von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Österreich bezieht, ist eine “Zahlung aus der Sozialversicherung” im Sinne dieser Vorschrift.

1. Für die Anrechnung dieser Rente spricht der Wortlaut der Vorschrift. Unter “Sozialversicherung” sind die Leistungen der Arbeiter-, Angestellten- und knappschaftlichen Rentenversicherung zu verstehen, die bei Erreichen der Altersgrenze oder bei Berufsunfähigkeit aufgrund entsprechender Regelungen in den Sozialversicherungsgesetzen zu zahlen sind. Diese Renten sollen dazu dienen, dem Versicherten und seinen Hinterbliebenen als beitragsabhängige Vollversorgung einen am früheren Arbeitseinkommen orientierten Lebensunterhalt sicherzustellen (BAGE 43, 173, 177 = AP Nr. 8 zu § 5 BetrAVG, zu II 1 der Gründe; Urteil des Senats vom 5. September 1989 – 3 AZR 654/87 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu 2b der Gründe).

Die Rente, die der Kläger von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Österreich bezieht, entspricht diesen Merkmalen: Sie ist, wie die Rente der deutschen Sozialversicherung, eine Pflichtversicherung, sie ist dienstzeit- und beitragsabhängig und stellt bestimmte Prozentsätze der Rentenbemessungsgrundlage als Versicherungsleistungen im Alter und bei Invalidität sicher. Die Beiträge sind vom Arbeitgeber und versicherungspflichtigen Arbeitnehmer je zur Hälfte zu zahlen. Der österreichische Staat gewährt Zuschüsse. Gesetzliche Grundlage ist das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz von 1955 (vgl. hierzu im einzelnen Dorow, Alterssicherung international, Wiesbaden 1970, S. 108 ff.; Legat/Grabner, Sozialversicherungsrecht, Graz, Köln 1963, 31 ff.).

2. Der Auffassung des Klägers, eine Anrechnung habe deshalb zu unterbleiben, weil es sich um eine ausländische Rente handele, kann nicht gefolgt werden. § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten unterscheidet zwar nicht zwischen inländischen und ausländischen Renten. Damit ist aber die Anrechnung einer ausländischen Rente nicht ausgeschlossen. Die Auslegung muß sich an Sinn und Zweck der Regelung orientieren und insbesondere den Gesamtzusammenhang der Leistungsordnung der Beklagten sowie das mit ihr verfolgte Versorgungsziel beachten:

Die Satzung der Beklagten sieht für die Mitarbeiter des ZDF eine beamtenähnliche Versorgung vor, die beginnend mit einer Grundversorgung von 30 % des rentenfähigen Arbeitsentgelts, dienstzeit- und endgehaltsabhängig einen Versorgungsgrad von bis zu 125 % des ruhegeldfähigen Einkommens ermöglicht. Versorgungsziel ist eine aus unterschiedlichen Quellen gespeiste Gesamtversorgung der Arbeitnehmer. Um diese zu erreichen, sind alle Versorgungsbezüge auf die betriebliche Versorgung anzurechnen, die nicht ausschließlich auf eigenen Beiträgen des Arbeitnehmers beruhen, sondern Gegenstand privater Eigenvorsorge sind (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Satzung).

Das Ziel, alle Arbeitnehmer des ZDF entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit und nach Maßgabe des zuletzt erreichten Arbeitseinkommens gleich zu behandeln, kann nur erreicht werden, wenn auch Auslandsrenten berücksichtigt werden (Urteil des Senats vom 27. November 1984 – 3 AZR 436/81 – AP Nr. 19 zu § 5 BetrAVG, zu II 2 der Gründe).

II. Die Anrechnungsklausel in der Satzung der Beklagten ist wirksam.

1. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG dürfen Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruhen, auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung angerechnet werden. Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei der österreichischen Rente des Klägers um eine auf Pflichtbeiträgen beruhende Rente “aus der gesetzlichen Rentenversicherung”, die weitgehend mit den Leistungen nach dem deutschen Sozialversicherungssystem übereinstimmt.

2. Die teilweise Anrechnung der österreichischen Sozialversicherungsrente ist der Beklagten nicht deswegen versagt, weil der Kläger den gesamten Rentenanspruch erst durch seine Nachversicherung und freiwillige eigene Beiträge in Höhe von 7.600,-- DM begründet hat. Die Beklagte rechnet diese Rente nur an, soweit sie nicht auf der freiwilligen Nachversicherung des Klägers beruht. Es ist zu unterscheiden:

a) Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG dürfen solche Versorgungsbezüge nicht angerechnet werden, die vom Arbeitnehmer allein oder überwiegend finanziert worden sind. Das ist der nur auf Beiträgen des Klägers beruhende Teil der österreichischen Rente (53,87 DM), den die Beklagte nicht anrechnet.

b) Anders ist die Rechtslage bezüglich des angerechneten Teils der Rente (576,90 DM). Dieser Teil wurde vom früheren Arbeitgeber des Klägers und diesem je zur Hälfte finanziert, er fällt daher nicht unter das Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG.

Auch § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG verbietet die Anrechnung nicht. Diese Vorschrift läßt die Anrechnung von Leistungen aus einer gesetzlichen Sozialversicherung zu, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruht. Schon in seinem Urteil vom 19. Februar 1976 (– 3 AZR 212/75 – AP Nr. 171 zu § 242 BGB Ruhegehalt) hat der Senat entschieden und näher begründet, daß die auf Pflichtbeiträgen beruhende Rente auch dann angerechnet werden darf, wenn erst durch freiwillige Beiträge die Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt wird (aaO, zu I 3c der Gründe, m.w.N.). Es besteht kein Anlaß, diese Rechtsprechung aufzugeben.

3. Schließlich kann der Kläger auch aus der von ihm behaupteten Erklärung eines Angestellten des ZDF, die Rente bleibe anrechnungsfrei, nichts Gegenteiliges herleiten. Eine vertragliche Zusage der Nichtanrechnung kann eine solche Erklärung nicht enthalten. Der vom Kläger als Zeuge benannte Angestellte war nicht Bediensteter der beklagten Pensionskasse und unstreitig auch nicht befugt, Erklärungen mit Wirkung für die rechtlich selbständige Pensionskasse abzugeben.

III. Ein Schadenersatzanspruch des Klägers, gerichtet auf Nichtanrechnung, scheidet aus. Es erscheint schon fraglich, ob die falsche Auskunft eines Mitarbeiters des ZDF einen Schadenersatzanspruch gegen die rechtlich selbständige Pensionskasse begründen könnte. Dem Kläger ist jedenfalls im Zusammenhang mit der Anrechnung des auf Pflichtbeiträgen beruhenden Teils der österreichischen Sozialversicherungsrente kein Schaden entstanden. Der Teil der Rente, der auf der Zahlung der 7.600,-- DM beruht, fließt ihm zu. Der Vorteil, den die Beklagte hat, weil sie den überwiegenden Teil der Rente anrechnet, beruht auf der Anrechnung des auf Pflichtbeiträgen beruhenden Teils der Rente. Auch insoweit ist dem Kläger kein Schaden entstanden.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Schaub, Griebeling, Dr. Hoppe, Zilius

 

Fundstellen

Haufe-Index 841012

RdA 1990, 315

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