Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflohnerhöhung wegen Arbeitszeitverkürzung

 

Orientierungssatz

1. Tariflohnerhöhung wegen Arbeitszeitverkürzung und übertariflicher Lohn aufgrund Sozialplan (vgl BAG vom 3. Juni 1987, 4 AZR 44/87 und vom 16. September 1987, 4 AZR 265/87).

2. Auslegung des Manteltarifvertrages für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende vom 3. Januar 1985.

 

Normenkette

TVG § 4

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 11.05.1987; Aktenzeichen 11 Sa 72/87)

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 17.11.1986; Aktenzeichen 3 Ca 3266/86)

 

Tatbestand

Die Kläger sind bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Auf das zwischen den Parteien jeweils bestehende Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie im nordwestdeutschen Raum Anwendung.

Im ersten Halbjahr 1985 wurden die Kläger aufgrund einer Betriebsänderung vom Werk B in O in das Werk Oc versetzt. Vor ihrer Versetzung zahlte die Beklagte allen Klägern neben dem Tariflohn Zulagen in Form von tariflichen Zulagen, Leistungszulagen und einzelvertraglichen Zulagen. Für die Kläger zu 1), zu 2), zu 3) und zu 6) waren im Werk Oc keine vergleichbaren Arbeitsplätze vorhanden. Sie wurden deshalb auf niedriger bewerteten Arbeitsplätzen eingesetzt und dementsprechend in ihren Lohngruppen herabgruppiert. Aus Anlaß dieser Betriebsänderung schlossen die Beklagte und der in ihrem Betrieb bestehende Betriebsrat am 19. März 1985 einen Sozialplan ab. Darin ist unter der Ziff. II. 4. u.a. folgendes vereinbart:

"....Ist der neue Effektivlohn oder das Gehalt

niedriger als der bisherige Lohn oder das bisherige

Gehalt, wird für ein Jahr der Differenzbetrag als

Ausgleichszulage gezahlt."

Nach der Versetzung zahlte die Beklagte den Klägern den ihrer Eingruppierung entsprechenden Tariflohn und als Ausgleichszulage nach dem Sozialplan die Differenz zwischen dem "neuen" Tariflohn und dem "alten" Effektivlohn.

Durch den Lohntarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie in Niedersachsen vom 11. Januar 1985, gültig ab 1. Januar 1985, erhöhten sich als Ausgleich für die im Manteltarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland (MTN) vom 3. Januar 1985, gültig ab 1. Januar 1985, vereinbarte Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden ab 1. Oktober 1985 ab diesem Zeitpunkt die Tariflöhne um 3,9 %. Die Beklagte erhöhte dementsprechend die Tariflöhne der Kläger. Die Ausgleichszulage nach dem Sozialplan zahlte sie in unveränderter Höhe fort.

Der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat machte mit Schreiben vom 6. Februar 1986 die Ansprüche der Kläger zu 4) und zu 6), vom 10. Februar 1986 die des Klägers zu 5), vom 12. Februar 1986 die des Klägers zu 2), vom 18. Februar 1986 die des Klägers zu 1) und vom 4. März 1986 die des Klägers zu 3) gegenüber der Beklagten geltend.

Mit ihrer am 18. Juli 1986 beim Arbeitsgericht Oldenburg eingegangenen Klage verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter. Sie begehren die Erhöhung der Ausgleichszulage (3,9 v.H.) als Ausgleich für die Arbeitszeitverkürzung und verlangen für die Monate Oktober bis Dezember 1985 als Lohnnachzahlung die Differenz zwischen dem sich daraus errechnenden Lohn und dem ihnen ausgezahlten Lohn. Die jeweilige Höhe der Differenzbeträge ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, nach dem eindeutigen Wortlaut der Ziff. 21 a MTN und der Protokollnotiz Nr. 2 zum MTN erfolge die Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei "vollem Lohnausgleich". Somit dürfe sich ihr Lohn infolge der Arbeitszeitverkürzung nicht verringern. Dieser Lohnausgleich gelte für alle Lohnbestandteile, so daß auch die Ausgleichszulage ab 1. Oktober 1985 um 3,9 % erhöht werden müsse. Zudem sei die Sicherung der Effektivlöhne das Bestreben der Tarifvertragsparteien gewesen. Aber selbst wenn die tarifliche Bestimmung als Effektivklausel anzusehen sei, sei sie entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als wirksam anzusehen. Ihre Ansprüche seien auch nicht nach Ziff. 116 MTN verfallen. Bei ihnen handele es sich nämlich nicht um Zulagen, sondern um tarifliche Lohnausgleichsansprüche. Diese unterlägen nach der tariflichen Regelung einer sechsmonatigen Ausschlußfrist. Im übrigen habe der Betriebsrat durch seinen Vorsitzenden namens aller Kläger die zu niedrigen Lohnzahlungen bereits mündlich am 25. November 1985 sowie wiederholt im Dezember 1985 und im Januar 1986 beanstandet.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger zu 1) 221,40 DM brutto,

an den Kläger zu 2) 51,18 DM brutto,

an den Kläger zu 3) 67,70 DM brutto,

an den Kläger zu 4) 255,74 DM brutto,

an den Kläger zu 5) 35,93 DM brutto und

an den Kläger zu 6) 120,88 DM brutto,

jeweils nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung

zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, der im Tarifvertrag vereinbarte "volle Lohnausgleich" für die Verkürzung der Wochenarbeitszeit beziehe sich nur auf den tariflichen Teil der Vergütung, da die Tarifvertragsparteien nur insoweit Verfügungen treffen könnten. Selbst wenn die von den Klägern vorgenommene Auslegung der Ziff. 21 a MTN zutreffe, wäre die tarifliche Bestimmung nach der Rechtsprechung als unzulässige Effektivklausel unwirksam. Zudem unterlägen die Ansprüche der Kläger einer zweimonatigen tariflichen Ausschlußfrist. Diese sei hinsichtlich eines Großteils der Ansprüche nicht gewahrt.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 7. August 1986 die ursprünglich getrennten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und den Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen - 3 Ca 3266/86 - fortgeführt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision war zurückzuweisen. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.

Nach den Feststellungen sind die Parteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit tarifgebunden an den Manteltarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende vom 3. Januar 1985 (MTN). Dieser Tarifvertrag ist am 1. Januar 1985 in Kraft getreten und enthält in Ziffer 21 a folgende Bestimmung:

"Die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der

Pausen darf bis zum 30. September 1985 40 Stunden

wöchentlich nicht überschreiten. Ab 1. Oktober

1985 wird die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

auf 38,5 Stunden bei vollem Lohnausgleich verkürzt.

Durch Betriebsvereinbarung kann für Betriebsabteilungen

oder den ganzen Betrieb davon abgewichen

werden."

Dazu haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 2 vereinbart:

"Die Verkürzung der Arbeitszeit um 1,5 Stunden

pro Woche erfolgt ohne Minderung des Arbeitsentgelts

auf der Basis der bisher geltenden

40-Stunden-Woche."

Mit den Vorinstanzen und entgegen der Auffassung der Kläger ist mit dieser Vorschrift lediglich der Tariflohn, nicht aber der Effektivlohn erhöht worden, so daß die zum Ausgleich der Arbeitszeitverkürzung erfolgte Erhöhung der Löhne sich nur auf die tariflichen Löhne und nicht auch auf die von der Beklagten gewährte außertarifliche Ausgleichszulage bezieht. Wie der Senat bereits in seinen denselben Tarifvertrag betreffenden Entscheidungen vom 16. September 1987 (- 4 AZR 268/87 -, - 4 AZR 329/87 -, - 4 AZR 330/87 - und - 4 AZR 331/87 -, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen) entschieden hat, bezieht sich Ziffer 21 a MTN und die im Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer vereinbarte Lohnerhöhung von 3,9 v.H. nur auf die Tariflöhne. In der zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung des Senats vom 16. September 1987 - 4 AZR 265/87 - ist weiter ausgeführt, daß eine unzulässige und damit unwirksame Effektivklausel vorliegen würde, wenn die Tarifvertragsparteien mit der in Ziffer 21 a MTN getroffenen Regelung die Effektivlöhne hätten sichern und nicht nur den Tariflohn, sondern auch die übertariflichen Lohnanteile um 3,9 % pro Stunde hätten erhöhen wollen.

Dazu ist auch bereits vom Senat im Urteil vom 3. Juni 1987 (- 4 AZR 44/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt) ausgeführt, daß es nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, wenn sich aus Anlaß der Arbeitszeitverkürzung das effektive Gesamteinkommen bei Stundenlöhnern verringert, während es für Arbeitnehmer mit Wochen- oder Monatslohn in unveränderter Höhe weitergezahlt wird (vgl. auch BAG Urteil vom 16. September 1987 - 4 AZR 265/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Mit dieser Senatsrechtsprechung stimmen die Urteile der Vorinstanzen überein, so daß die Kläger die verlangte Erhöhung der außertariflich gewährten Ausgleichszulage um 3,9 % nicht verlangen können. Neue Argumente werden demgegenüber auch von der Revision nicht vorgebracht, so daß auf die angegebenen Entscheidungen verwiesen werden kann.

Auch aus dem Sozialplan ergibt sich keine andere Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat die Vorschrift der Ziffer II. 4. des Sozialplanes zutreffend dahin ausgelegt, daß die Betriebspartner damit eine auf ein Jahr begrenzte Ausgleichszulage in fester Höhe vereinbart haben. Schon der Wortlaut der dort getroffenen Regelung ergibt klar, daß die Parteien des Sozialplanes eine Ausgleichszulage in fester Höhe vereinbaren wollten. Die Höhe der Ausgleichszulage wurde nach zwei feststehenden Größen bestimmt, nämlich nach dem bisherigen Lohn und nach dem neuen Effektivlohn. Dazu wurde auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplanes abgestellt, der in diesem Zeitpunkt bezahlte Effektivlohn sollte als bisheriger Lohn für ein Jahr fortgezahlt werden. Damit wurde eine bestimmte feststehende Größe festgelegt, die ohne ausdrückliche Regelung nicht zu verändern ist. Es hätte vielmehr einer ausdrücklichen Vereinbarung bedurft, wenn die Betriebspartner beabsichtigt hätten, innerhalb dieses Zeitraumes von einem Jahr als bisherigen Lohn für die Berechnung der Ausgleichszulage den Lohn zugrunde zu legen, den der Arbeitnehmer erhalten haben würde, wenn er auf dem alten Arbeitsplatz verblieben wäre. Eine solche Vereinbarung ist jedoch nicht getroffen worden. Es hätte außerdem einer ausdrücklichen Vereinbarung bedurft, wenn die zu zahlende Ausgleichszulage an künftigen Tariflohnerhöhungen hätte teilnehmen sollen. Da auch eine solche Regelung nicht getroffen worden ist, muß daraus entnommen werden, daß die Regelung im Sozialplan eine Ausgleichszulage in fester Höhe vorsieht.

Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht dazu auch aus, daß nicht nur nach dem Wortlaut des Sozialplanes, sondern auch nach seinem Sinn und Zweck nur der vor der Versetzung erreichte Lebensstandard auf ein Jahr abgesichert werden soll, ohne daß Tariflohnveränderungen auch zu einer Veränderung der Ausgleichszulage führen. Der Sozialplan sichert nur die Differenz zwischen dem bisherigen und dem neuen Effektivlohn ab. Der bisherige Lohn ist der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans erreichte Effektivlohn, nicht aber ein zukünftiger erhöhter Tariflohn.

Haben aber damit zutreffend die Vorinstanzen die Klage abgewiesen, war die Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Freitag

Dr. Konow Schmalz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439473

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge