Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Übergangsregelung nach Tarifvertragsänderung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Arbeitsverhältnis rechtlich unterbrochen, so ist die vor der Unterbrechung zurückgelegte Zeit im Rahmen des § 5 der Übergangsvorschrifen zum Tarifvertrag für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst nicht zu berücksichtigen. Eine Zusammenrechnung der Beschäftigungszeiten kommt nicht in Betracht, da die tarifliche Regelung dem Zweck der Kosteneingrenzung dient.

 

Normenkette

Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1a zum BAT/BL vom 24. April 1991 § 5 Einleitungssatz

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Urteil vom 22.02.1995; Aktenzeichen 2 Sa 114/94)

ArbG Bremen (Urteil vom 09.03.1994; Aktenzeichen 5 Ca 5464/93)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Vergütung der Klägerin. Dabei geht es um die Frage, ob für die Eingruppierung der Klägerin auf der Grundlage von neugestalteten tariflichen Eingruppierungsmerkmalen Zeiten einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis der Parteien nach der einschlägigen Übergangsregelung zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin ist seit dem 31. Juli 1978 staatlich anerkannte Erzieherin. Nachdem sie zunächst bei der Stadt A… und als ABM-Kraft bei der Ev. St. M…-Gemeinde in B… beschäftigt worden war, wurde sie von der Beklagten ab 14. März 1989 auf der Grundlage von fünf aufeinander folgenden jeweils befristeten Arbeitsverträgen ohne zeitliche Unterbrechung bis zum 11. Juli 1990 als Erzieherin beschäftigt. Durch Vertrag vom 17. Juli 1990 wurde die Klägerin von der Beklagten wieder mit Wirkung vom 23. August 1990 befristet bis zum 31. Juli 1992 eingestellt. Am 20. März 1991 vereinbarten die Parteien die Weiterbeschäftigung der Klägerin ab 1. Januar 1991 auf unbestimmte Zeit und das Außerkrafttreten des Vertrages vom 17. Juli 1990 mit Wirkung vom 31. Dezember 1990.

Während dieser Beschäftigungszeiten wurde die Klägerin in der KTH P… in verschiedenen Funktionen eingesetzt, und zwar bis zum 11. Juli 1990 als “GL Teilzeit-Aufbaugr.”, ab 23. August 1990 als “Mitarbeiterin im Sonderdienst”.

Nach § 2 der jeweiligen Arbeitsverträge “bestimmte” sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für die Freie Hansestadt Bremen geltenden Fassung. Außerdem finden die für die Freie Hansestadt Bremen jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung. Nach § 4 der Arbeitsverträge war die Klägerin in der VergGr. VIb der Anlage 1a zum BAT eingruppiert.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, trotz der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten in der Zeit vom 12. Juli 1990 bis 22. August 1990 beginne die nach der VergGr. Vc Fallgruppe 7 der Anlage 1a zum BAT (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) geforderte dreijährige Bewährung in der VergGr. VIb Fallgruppe 5 bereits am 14. März 1989. Sie hat dementsprechend mit Schreiben vom 15. Februar 1992 die Zahlung einer Vergütung nach der VergGr. Vc BAT ab dem 14. März 1992 beantragt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin rückwirkend ab 14. März 1992 bis 22. August 1993 anteilige Vergütung nach der VergGr. Vc BAT zu zahlen und die Nettodifferenzbeträge zur gezahlten Vergütung nach VergGr. VIb BAT mit jeweils 4 % zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, mit Rücksicht auf die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses zähle die Bewährungszeit erst ab Beginn des Arbeitsverhältnisses vom 23. August 1990. Das Arbeitsgericht hat die Klage der Klägerin abgewiesen. Auf ihre Berufung hat das Landesarbeitsgericht der Klage entsprochen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

A. Die Revision der Beklagten ist begründet, die Klägerin hat vor dem 23. August 1993 keinen Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. Vc BAT/BL.

1. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine der im Bereich des öffentlichen Dienstes üblichen und zulässigen Eingruppierungsfeststellungsklagen (BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 20. März 1996 – 4 AZR 906/94 – AP Nr. 36 zu § 23a BAT). Der Feststellungsantrag ist auch zulässig, soweit er Zinsforderungen beinhaltet (BAGE 22, 247, 249 = AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT; BAG Urteil vom 20. März 1996 – 4 AZR 906/94 – AP, aaO).

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die Klägerin hat in der Zeit vom 14. März 1992 bis 22. August 1993 nicht die von dem Eingruppierungsmerkmal der VergGr. Vc Fallgruppe 7 der Anlage 1a zum BAT/BL (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) aufgestellte Voraussetzung der dreijährigen Bewährung in der VergGr. VIb Fallgruppe 5 BAT/BL erfüllt. Ihre Beschäftigung bei der Beklagten in der Zeit vom 14. März 1989 bis 11. Juli 1990 kann bei der Berechnung der Bewährungszeit nicht berücksichtigt werden.

a) Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden nach dem Arbeitsvertrag der BAT vom 23. Februar 1961 und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in deren Bund/Länder-Fassung Anwendung. Danach kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die nachfolgenden Tarifbestimmungen der Anlage 1a zum BAT/BL-Fassung (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) an:

“Vergütungsgruppe VIb

  • Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

    (Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 6 und 7)

Vergütungsgruppe Vc

  • Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, nach dreijähriger Bewährung in VergGr. VIb Fallgruppe 5.

Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 24. April 1991

§ 5

Übergangsvorschriften…

Für die Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbesteht, gilt für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses folgendes:

  • Hängt die Eingruppierung oder der Anspruch auf eine Vergütungsgruppenzulage nach diesem Tarifvertrag von der Zeit einer Tätigkeit oder von der Zeit einer Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe oder von der Zeit einer Berufstätigkeit ab, wird die vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegte Zeit vorbehaltlich der nachstehenden Nr. 3 so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn dieser Tarifvertrag bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte.

Die Nr. 1, 3 und 4 dieser Übergangsvorschrift sind für den vorliegenden Fall ebenso ohne Bedeutung wie die in den Fallgruppen genannten Protokollerklärungen.

b) Die Klägerin hat mithin nur dann Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. Vc Fallgruppe 7 BAT/BL, wenn sie Erzieherin mit staatlicher Anerkennung ist, sie eine entsprechende Tätigkeit ausübt, die volle Bewährungszeit von drei Jahren bei Beginn des streitigen Zeitraums abgelaufen ist und sie sich tatsächlich bewährt hat.

Unstreitig ist die Klägerin seit dem 31. Juli 1978 staatlich anerkannte Erzieherin und zumindest während der Beschäftigungsverhältnisse bei der Beklagten stets mit entsprechenden Tätigkeiten tätig gewesen. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob sich die Klägerin in dieser Zeit auch bewährt hat, die Beklagte hat es jedenfalls nicht in Abrede gestellt. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es mithin, worin die Parteien übereinstimmen und wovon auch die Vorinstanzen ausgegangen sind, allein darauf an, ob die im Eingruppierungsmerkmal der VergGr. Vc Fallgruppe 7 BAT/BL vorausgesetzte dreijährige Dauer der Bewährungszeit bereits am 14. März 1992 abgelaufen war. Dies ist nicht der Fall.

c) Die Tarifvertragsparteien haben das Eingruppierungsmerkmal der VergGr. Vc Fallgruppe 7 BAT/BL durch den Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) vom 24. April 1991 mit Wirkung vom 1. Januar 1991 eingeführt. Darüber hinaus haben sie in der Übergangsregelung unter bestimmten Voraussetzungen die Berücksichtigung von Bewährungszeiten in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe vor dem Inkrafttreten der Tarifänderung vereinbart. Bei den Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, wird für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses nach § 5 Nr. 2 der Übergangsvorschriften fingiert, daß die vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegte Zeit einer Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe für die Eingruppierung des Angestellten, soweit sie für diese bedeutsam ist, so berücksichtigt wird, wie zu berücksichtigen wäre, wenn der Tarifvertrag bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses in Kraft gewesen wäre. Damit können nur solche vor dem 1. Januar 1991 liegenden Bewährungszeiten berücksichtigt werden, die gerade in diesem an diesem Tag zu demselben Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnis zurückgelegt worden sind. Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertrages.

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne dabei am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, allerdings nur, soweit er in den tariflichen Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner ist abzustellen auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, denn dieser gibt Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, auch kann nur auf diese Weise der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 60, 219, 223 f. = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 20. März 1996, aaO, jeweils m.w.N.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl., § 198 III 3, S. 1653 ff.).

Der Wortlaut des Einleitungssatzes der Übergangsvorschriften des § 5 führt zu dem eindeutigen Ergebnis, daß die Zeit einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien, deren Arbeitsverhältnis am 31. Dezember 1990 bestanden und zwischen ihnen am 1. Januar 1991 fortbestanden hat, für die Berechnung der Bewährungszeit in einem durch den Tarifvertrag vom 24. April 1991 neu eingeführten Eingruppierungsmerkmal nach dem Willen der Tarifvertragsparteien unberücksichtigt bleibt.

Die Klägerin fällt zwar unter den persönlichen Geltungsbereich der Übergangsvorschriften, denn sie stand am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, das am 1. Januar 1991 zu dieser fortbestanden hat. Daher ist die vor dem 1. Januar 1990 zurückgelegte Zeit einer Bewährung nach § 5 Nr. 2 der Übergangsvorschriften für das mit Wirkung vom 1. Januar 1991 eingeführte Eingruppierungsmerkmal der VergGr. Vc Fallgruppe 7 BAT/BL grundsätzlich zu berücksichtigen. In zeitlicher Hinsicht bestimmt aber der Einleitungssatz des § 5, daß dies nur “für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses” gilt, nämlich desjenigen, welches über den Jahreswechsel 1990/1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, hingegen – wie kraft Umkehrschlusses zu folgern ist – nicht für frühere oder spätere Arbeitsverhältnisse derselben Arbeitsvertragsparteien.

Aus der Beschränkung der Übergangsregelung auf die “Dauer” des (“dieses”) über den Jahreswechsel 1990/1991 mit demselben Arbeitgeber fortbestehenden Arbeitsverhältnisses folgt zunächst einmal unabweisbar, daß die Übergangsvorschrift nicht eingreift bei Angestellten, die ihr Arbeitsverhältnis nach dem 1. Januar 1991 beendet haben oder beenden und – gegebenenfalls nach einer Unterbrechung – ein neues Arbeitsverhältnis bei demselben oder bei einem anderen vom BAT erfaßten Arbeitgeber neu begründet haben oder begründen. Dieses Tatbestandsmerkmal besagt aber auch, daß die Zeit einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien für die Eingruppierung unberücksichtigt bleibt. Dauer ist eine Zeitspanne von bestimmter Länge (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl., S. 321, Stichwort: “Dauer”). Die Länge dieser Zeitspanne wird von ihrem Beginn und ihrem Ende bestimmt. Mit der Beschränkung der Anrechenbarkeit der Zeit einer Bewährung auf die Dauer dieses – über den Jahreswechsel 1990/1991 fortbestehenden – Arbeitsverhältnisses zu demselben Arbeitgeber haben die Tarifvertragsparteien die Berücksichtigung der Zeit einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien eindeutig ausgeschlossen.

bb) Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die dafür sprechen, entgegen dem Wortlaut des Einleitungssatzes der Übergangsvorschriften sei es der Wille der Tarifvertragsparteien, alle früheren Zeiten einer Bewährung des Angestellten bei demjenigen Arbeitgeber zu berücksichtigen, zu dem er am 31. Dezember 1990 in einem am 1. Januar 1991 fortbestehenden Arbeitsverhältnis gestanden hat. Vielmehr ist das Gegenteil zutreffend: Angesichts des Regelungsgegenstandes der Übergangsregelung – Fortdauer des Anspruchs auf die höhere Vergütung nach dem alten Tarifrecht über den Zeitpunkt der Tarifänderung hinaus (Nr. 1), Berücksichtigung von Zeiten einer Berufstätigkeit oder einer Bewährung vor Inkrafttreten der neuen Eingruppierungsmerkmale für die Eingruppierung ab 1. Januar 1991 (Nr. 2) – mußten die Tarifvertragsparteien einen Zeitrahmen für beide Übergangsregelungen festlegen. Als ein solcher bietet sich die Dauer des über den Tag des Inkrafttretens der Neuregelung mit demselben Arbeitgeber fortbestehenden Arbeitsverhältnisses an, allerdings auch die zeitliche Beschränkung auf diese. Es ist häufiger Regelungsinhalt arbeitsgesetzlicher, tarifvertraglicher oder betrieblicher Normen, Rechtsfolgen auf der Tatbestandsseite auf die Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu beziehen, hingegen frühere Arbeitsverhältnisse derselben Arbeitsvertragsparteien nicht zu berücksichtigen. Dies gilt etwa für die Wartefrist nach § 1 Abs. 1 KSchG, die Länge der Kündigungsfrist (z. B. § 622 Abs. 2 BGB) sowie für tarifliche Regelungen über die Dauer des Jahresurlaubs bei langjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Höhe von Sonderzuwendungen u. a. m. Diesen Wertungsgrundsatz haben die Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung der Übergangsregelung übernommen.

Der Wille der Tarifvertragsparteien, die über viel Erfahrung in der Vereinbarung von Übergangsregelungen verfügen, den Zeitrahmen der Übergangsvorschriften des § 5 zeitlich nur auf das über den Jahreswechsel 1990/1991 zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis zu begrenzen, wird aus der Verwendung des dem Begriff “Arbeitsverhältnis” vorangestellten Demonstrativpronomens “dieses” anstelle des schwächeren bestimmten Artikels “des” deutlich. Das Demonstrativpronomen “dieser/dieses” ist das sprachliche Mittel, auf eine Person oder Sache besonders hinzuweisen (Duden, Stilwörterbuch, 6. Aufl., unter “dieser”), sie zu identifizieren (Duden, Grammatik, 4. Aufl., Rz 552). Das Arbeitsverhältnis, für das sie eine Übergangsregelung vorsehen, haben die Tarifvertragsparteien auch unter Verwendung zeitlicher Merkmale genau beschrieben. Für die Dauer “dieses” Arbeitsverhältnisses soll die Sonderregelung gelten. Diese sprachliche Fassung verbietet die Mitberücksichtigung der Zeit einer Bewährung in einem früheren Arbeitsverhältnis derselben Arbeitsvertragsparteien.

cc) Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang lassen sich keine Erkentnisse dafür herleiten, daß die Berücksichtigung einer vor dem 1. Januar 1991 liegenden Zeit einer Bewährung frühere Arbeitsverhältnisse mit demselben Arbeitgeber erfassen soll, denn die Übergangsregelung ist vom Regelungsgegenstand der typischerweise nicht in das Gefüge der Eingruppierungsmerkmale eingebettet. Die zwischen den Parteien streitige Auslegungsfrage wird jedoch bereits durch den Wortlaut der Übergangsvorschrift eindeutig beantwortet. Zudem spricht für das hier vertretene Auslegungsergebnis der Vergleich mit den oben beispielhaft genannten Regelungen, bei denen für ganz unterschiedliche Rechtsfolgen ebenfalls auf der Tatbestandsseite nur auf die Dauer des aktuellen Arbeitsverhältnisses abgestellt wird, hingegen frühere Arbeitsverhältnisse derselben Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich unberücksichtigt bleiben (vgl. zum Ganzen auch: BAG Urteil vom 20. März 1996 – 4 AZR 906/94 – AP Nr. 36 zu § 23a BAT).

d) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Übergangsregelung hat die Klägerin nicht vorgebracht. Solche sind auch nicht zu erkennen. Bei Tarifänderungen und auf diese bezogenen Übergangsregelungen müssen die Tarifvertragsparteien abschätzen, welche Belastungen durch die Tarifänderungen auf sie zukommen. Sie stehen vor der Aufgabe, die durch sie herbeigeführten finanziellen Belastungen in vertretbaren und vor allem überschaubaren Grenzen zu halten. Finanzielle und finanzpolitische Erwägungen rechtfertigen abgrenzende, differenzierende Regelungen (Urteil des Senats vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 165/93 – ZTR 1994, 462, 463). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien mit von ihnen vereinbarten Abgrenzungen und Differenzierungen die jeweils gerechteste und zweckmäßigste Lösung getroffen haben. Sie haben nur zu prüfen, ob die bestehende Regelung die Grenzen des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien und damit die Grenzen der Tarifautonomie einhält (Urteil des Senats vom 5. Dezember 1990 – 4 AZR 285/90 – AP Nr. 153 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zu II 2a der Gründe). Diesbezüglich hat die Klägerin nichts beanstandet.

e) Der Auffassung der Klägerin, die Zeiten ihrer Beschäftigung vom 14. März 1989 bis zum 11. Juli 1990 seien – ebenso wie die nachfolgende Unterbrechungszeit bis zum 22. August 1990 – als Bewährungszeiten mitzuberücksichtigen, weil es bis zum 11. Juli 1990 überhaupt keine zeitliche Unterbrechung zwischen den “Arbeitsverhältnissen/Arbeitsverträgen” gegeben und trotz der Unterbrechung ihrer Beschäftigung danach von “nicht annähernd zwei Monaten” bis zum 22. August 1990 ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Arbeitsverhältnissen bestanden habe, folgt der Senat nicht. Wie bereits ausgeführt, ist es nach dem eindeutigen Wortlaut des Eingangssatzes des § 5 des Änderungstarifvertrages der Wille der Tarifvertragsparteien, jedwede Unterbrechung des am 31. Dezember 1990 bestehenden und am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestehenden Arbeitsverhältnis bewährungsschädlich zu berücksichtigen.

Die Klägerin will für die Übergangsregelung des § 5 des Änderungstarifvertrages ersichtlich die Grundsätze angewandt wissen, die die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anrechnung von Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses derselben Arbeitsvertragsparteien auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG entwickelt hat. Die Intention dieser Rechtsprechung trifft jedoch auf den Normzweck des § 5 des Änderungstarifvertrages nicht zu. Die Rechtsprechung zu § 1 Abs. 1 KSchG, trotz rechtlicher Unterbrechung sei die Zeit eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber auf die sechsmonatige Wartezeit anzurechnen, wenn die Unterbrechung verhältnismäßig kurz war und zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (vgl. z. B. BAG Urteile vom 6. Dezember 1976 – 2 AZR 470/75 – BAGE 28, 252 = AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit; vom 18. Januar 1979 – 2 AZR 254/77 – AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit und vom 10. Mai 1989 – 7 AZR 450/88 – BAGE 62, 48 = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit), läuft in der Sache darauf hinaus, rechtsmißbräuchlichen Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber die Anerkennung zu verwehren (Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 609). Der Arbeitgeber soll nicht rechtsmißbräuchlich den – künftigen – Eintritt des Kündigungsschutzgesetzes des Arbeitnehmers verhindern können.

Die Ausgangslage des § 5 des Änderungstarifvertrages ist verglichen damit eine ganz andere: Die am 24. April 1991 vereinbarte Tarifnorm trifft eine Regelung für Beschäftigungszeiten vor dem 1. Januar 1991, also für bereits abgeschlossene, vom Arbeitgeber nicht mehr beeinflußbare Sachverhalte. Es besteht daher kein Anlaß, die als Korrektiv rechtsmißbräuchlichen Verhaltens des Arbeitgebers zu § 1 Abs. 1 KSchG entwickelten Grundsätze auf die Anwendung des § 5 des Änderungstarifvertrages zu übertragen.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Bott, Schneider, Müller-Tessmann, J. Ratayczak

 

Fundstellen

Haufe-Index 875300

NZA 1997, 547

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