Entscheidungsstichwort (Thema)

Honoraranspruch eines arbeitnehmerähnlichen Redakteurs. Verdienstgarantie eines arbeitnehmerähnlichen Journalisten

 

Leitsatz (amtlich)

  • Kann die Tätigkeit eines Beschäftigten nach Ziff. 5.2 Abs. 2 des Tarifvertrages für die beim NDR beschäftigten arbeitnehmerähnlichen Personen nur aus wichtigem Grund beendet werden, so hat der Beschäftigte im Fall einer vom NDR auf Dauer vorgenommenen Verminderung seiner Tätigkeit um mindestens 50 % Anspruch auf die sich aus Ziff. 5.3 des Tarifvertrags ergebenden Ausgleichszahlungen.
  • Dieser Anspruch auf Ausgleichszahlungen besteht nicht für Zeiten, in denen der Mitarbeiter nach einer Verminderung seiner Tätigkeit um mindestens 50 % wieder in einem Umfang beschäftigt wird, der zwar geringer ist als im Jahr vor dieser Verminderung seiner Tätigkeit (Bezugszeitraum), aber mehr als 50 % der Tätigkeit im Bezugszeitraum ausmacht.
 

Normenkette

Tarifvertrag für die beim NDR beschäftigten arbeitnehmerähnlichen Personen vom 30. September 1977 Ziff. 5

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 10.10.1991; Aktenzeichen 14 Sa 1682/90)

ArbG Hannover (Urteil vom 10.05.1990; Aktenzeichen 5 Ca 504/89)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. Oktober 1991 – 14 Sa 1682/90 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch darüber, ob der Kläger über das seiner Tätigkeit entsprechende Honorar hinaus Anspruch auf monatliche Vergütung in Höhe seines in der Zeit vom 1. August 1987 bis zum 31. Juli 1988 durch Tätigkeit für den Beklagten erzielten Durchschnittsentgelts hat.

Der im Zeitpunkt der Klageerhebung am 30. Oktober 1989 55 Jahre alte Kläger ist seit 1958 als freier Mitarbeiter für den Beklagten tätig, und zwar als Redakteur/Reporter im Hörfunkbereich im Landesfunkhaus Niedersachsen in Hannover. Die Höhe der Honorare, die der Kläger für seine Tätigkeit vom Beklagten erhielt, bewegten sich in den Jahren 1978 bis 1987 zwischen 66.723,90 DM (für 1982) und 117.909,84 DM (für 1987).

Seit dem 1. August 1988 wurde der Kläger, nachdem beim Landesfunkhaus in Hannover der Hörfunk-Chef gewechselt hatte, nicht mehr wie vorher eingesetzt. In der Zeit vom 1. August 1988 bis zum 31. Juli 1989 wurde sein Arbeitseinsatz im Vergleich zum Durchschnitt der 12 vorangegangenen Kalendermonate um mehr als 50 % vermindert. Daraufhin zahlte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. August 1988 bis zum 31. Juli 1989 zusätzlich den Differenzbetrag zwischen dem durch seine tatsächliche Tätigkeit erzielten Honorar und dem monatlichen Durchschnittseinkommen in der Zeit vom 1. August 1987 bis zum 31. Juli 1988. Seit dem 1. August 1989 ist der Kläger zwar weiterhin nicht mehr im früheren Umfang, aber wieder mit mehr als 50 % seiner in der Zeit vom 1. August 1987 bis 31. Juli 1988 geleisteten Tätigkeit eingesetzt. Zahlungen zum Ausgleich der Differenz zwischen dem seit dem 1. August 1989 erzielten Honorar und dem monatlichen Durchschnittseinkommen in der Zeit vom 1. August 1987 bis zum 31. Juli 1988 hat der Beklagte abgelehnt.

Der Kläger ist Mitglied der IG Medien. Er hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit beim Beklagten sei als diejenige einer arbeitnehmerähnlichen Person anzusehen. Er falle daher unter den Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen von 1977, den der Beklagte u.a. mit der RFFU, die inzwischen in der IG Medien aufgegangen ist, abgeschlossen hat. Aufgrund des Tarifvertrages habe er, nachdem seine Tätigkeit beim Beklagten nach dem 31. Juli 1988 um über 50 % vermindert worden sei, seither Anspruch auf Entgelt in der Höhe, die dem monatlichen Durchschnittsentgelt in der Zeit vom 1. August 1987 bis zum 31. Juli 1988 entspreche.

Hilfsweise hat der Kläger vorgetragen, er stehe in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten. Aus diesem stehe ihm die Vergütung eines Ersten Redakteurs nach der Vergütungsgruppe 1 der Vergütungsordnung zu dem zwischen dem Beklagten und u.a. der RFFU geschlossen Manteltarifvertrag zu.

Der Kläger hat beantragt

  • festzustellen, daß zwischen den Parteien ein ungekündigtes Vertragsverhältnis i.S. des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen besteht,
  • festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger monatliche Vergütung entsprechend dem Durchschnittsentgelt, das der Kläger im Zeitraum 1. August 1987 bis 31. Juli 1988 bezogen hat, unter Anrechnung dessen, was der Kläger durch Verwertung des vom NDR nicht in Anspruch genommenen Teils seiner Arbeitskraft aus einer gleichartigen Tätigkeit für Rundfunkzwecke zusätzlich verdient hat, zu zahlen, wobei der Kläger verpflichtet ist, entsprechende, ihm zeitlich und fachlich zumutbare Tätigkeiten auszuüben,
  • hilfsweise festzustellen, daß zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis i.S. des geltenden Manteltarifvertrages besteht, sowie weiterhin festzustellen, daß dem Kläger die Tätigkeit und die Vergütung eines Ersten Redakteurs i.S. der Vergütungsgruppe 1 mit Wirkung ab 1. August 1989 zusteht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei keine arbeitnehmerähnliche Person. Im übrigen ergebe sich aus dem Tarifvertrag kein Anspruch auf Entgeltzahlung in der vom Kläger geltend gemachten Höhe. Nach dem Tarifvertrag sei die dort für den Fall, daß die Inanspruchnahme um mindestens 50 % vermindert wird, vorgesehene Sicherung des Entgelts auf ein Jahr begrenzt.

Zum Hilfsantrag hat der Beklagte vorgetragen, daß dem Kläger ein Arbeitsverhältnis als Redakteur angeboten worden sei, das er jedoch abgelehnt habe. Für die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit lasse sich im übrigen aus der Vergütungsordnung zum Manteltarifvertrag ein Anspruch auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 1 nicht ableiten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und den Feststellungsantrag zu 2 abgewiesen; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag zu 2 sowie den Hilfsantrag weiter. Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortzahlung des im Zeitraum vom 1. August 1987 bis zum 31. Juli 1988 bezogenen Durchschnittsentgelts. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Vergütung als ein in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten stehender Redakteur.

I. Der noch im Streit befindliche Hauptantrag des Klägers ist zulässig. Das nach § 46 Abs. 2 ArbGG, § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Feststellung, daß er Anspruch auf Vergütung entsprechend dem im Zeitraum vom 1. August 1987 bis zum 31. Juli 1988 bezogenen Durchschnittsentgelt unter Anrechnung anderweit erzielten Arbeitseinkommens habe, liegt vor.

Eine Leistungsklage auf Zahlung des fälligen Entgelts würde den Streit nicht erschöpfen. Der Antrag ist nämlich auch in die Zukunft gerichtet, ohne daß die künftigen Entgeltansprüche bereits beziffert werden könnten, weil sie in ihrer Höhe jeweils von der Erzielung anderweitigen Arbeitseinkommens abhängig sein sollen. Hinzu kommt, daß davon auszugehen ist, daß der Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts auch ein Feststellungsurteil als für sich verbindlich ansehen wird, auch wenn kein vollstreckbarer Titel vorliegt. Daher ist nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles von einer Feststellungsklage eine prozeßwirtschaftlich sinnvolle Entscheidung zu erwarten (vgl. Senatsurteil vom 28. September 1977 – 4 AZR 743/76 – AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; BAG Urteil vom 27. November 1986 – 8 AZR 163/84 – AP Nr. 13 zu § 50 BAT).

II. Der Kläger stützt seinen noch im Streit befindlichen Hauptantrag auf den vom Beklagten abgeschlossenen Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen. Das Landesarbeitsgericht hat in seinem – insoweit rechtskräftigen – Urteil festgestellt, daß zwischen den Parteien ein ungekündigtes Vertragsverhältnis i.S. dieses Tarifvertrags besteht. Dieses Vertragsverhältnis unterliegt dem genannten Tarifvertrag aufgrund der Organisationszugehörigkeit des Klägers, und weil der Beklagte Partei des Tarifvertrags ist.

1. Die Bestimmungen des Tarifvertrages, die für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch maßgeblich sind, lauten:

  • Beabsichtigt der NDR die Tätigkeit des Mitarbeiters zu beenden oder auf Dauer um mindestens 50 % zu vermindern, so muß der NDR ihm dieses vorher schriftlich mitteilen, wenn der Mitarbeiter mindestens 1 Jahr für den NDR wiederkehrend tätig war und im laufenden oder vorangegangenen Kalenderjahr einen vollen Jahresurlaubsanspruch gegen den NDR berechtigt geltend gemacht hatte. Die Frist beträgt einen Monat; sie verlängert sich auf 2 Monate nach einem weiteren Jahr, in dem der Mitarbeiter für den NDR wiederkehrend tätig war (Beschäftigungsjahr), 3 Monate nach 5 Beschäftigungsjahren, 12 Monate nach mehr als 10 Beschäftigungsjahren.

    Ist ein Beschäftigter wiederkehrend mindestens 25 Jahre für den NDR tätig gewesen oder hat er das 55. Lebensjahr vollendet und ist er seit mindestens 15 Jahren wiederkehrend für den NDR beschäftigt gewesen, so kann seine Tätigkeit beim NDR nur aus einem wichtigen Grund i.S.von § 626 BGB beendet werden.

  • Innerhalb der Fristen nach Ziff. 5.2 hat der Mitarbeiter bis zur Beendigung des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses Anspruch auf die tariflichen Leistungen, hinsichtlich des Entgeltes auf das monatliche Durchschnittsentgelt des Vorjahres, mit der Verpflichtung zur Ausübung entsprechender, ihm zeitlich und fachlich zumutbarer Tätigkeiten. Auf dieses Entgelt muß sich der Mitarbeiter anrechnen lassen, was er in dieser Zeit durch Verwertung des vom NDR nicht in Anspruch genommenen Teiles seiner Arbeitskraft aus einer gleichartigen Tätigkeit für Rundfunkzwecke zusätzlich verdient …
  • Wenn eine Mitteilung nach Ziff. 5.2 nicht erfolgt, beginnt der Zeitraum für die Fortzahlung mit Beendigung/Einschränkung der letzten Tätigkeit.

    …”

2. Das Landesarbeitsgericht hat aus diesen Bestimmungen hergeleitet, daß der Kläger gegen eine Verminderung seiner Tätigkeit um mindestens 50 % in gleicher Weise geschützt sei wie gegen eine völlige Beendigung. Wenn auch der Tarifvertrag insoweit keine ausdrücklichen Vorschriften enthalte, so ergebe sich dies doch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Somit sei, da der Kläger wiederkehrend über 25 Jahre für den NDR tätig gewesen sei, die Verminderung seiner Tätigkeit um mehr als 50 % unzulässig gewesen mit der Folge, daß der Kläger Anspruch auf Beschäftigung und Vergütung wie zur Zeit vor dieser Verminderung gehabt habe.

Dennoch stehe dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zu, denn seit dem 1. August 1989 mache seine Tätigkeit für den Beklagten wieder mehr als 50 % des Umfangs seiner Inanspruchnahme in der Zeit vor dem 1. August 1988 aus. Eine Verminderung der Beschäftigung um weniger als 50 % sei nach dem Tarifvertrag aber möglich und führe nicht zu Ausgleichsansprüchen.

3. Dem ist im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung zuzustimmen.

a) Das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis unterliegt dem besonderen Bestandsschutz der Ziff. 5.2 Abs. 2 des Tarifvertrages, denn der Kläger ist seit mehr als 25 Jahren wiederkehrend für den NDR tätig gewesen.

b) Der Kläger ist aufgrund dieser langjährigen Tätigkeit auch gegen Verdiensteinbußen geschützt, die sich daraus ergeben, daß seine Tätigkeit um 50 oder mehr Prozent vermindert wird.

aa) Zwar enthält der Tarifvertrag nur für Vertragsverhältnisse, die nicht die Voraussetzungen für den besonderen Bestandsschutz nach Ziff. 5.2 Abs. 2 erfüllen, in Ziff. 5.2 Abs. 1 eine ausdrückliche Regelung sowohl der Beendigung als auch der dauerhaften Verminderung der Tätigkeit des Mitarbeiters um mindestens 50 %. Dagegen ist in 5.2 Abs. 2 für die dort genannten besonders geschützten Vertragsverhältnisse lediglich das Verbot der ordentlichen Beendigung ausdrücklich angesprochen. Für den Fall, daß die Tätigkeit eines nach Ziff. 5.2 Abs. 2 vor der ordentlichen Beendigung des Vertragsverhältnisses geschützten Mitarbeiters des Beklagten um mindestens 50 % vermindert wird, fehlt es im Tarifvertrag dagegen an einer ausdrücklichen Bestimmung. Er bedarf insoweit der Auslegung.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAGE 42, 86, 89 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 60, 219, 223 f. = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation).

bb) Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang und aus dem in den tariflichen Normen zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien ergibt sich, daß der Tarifvertrag Mitarbeiter, die in einem in Ziff. 5.2 Abs. 2 bezeichneten langjährigen Vertragsverhältnis stehen, nicht nur gegen eine Beendigung dieses Vertragsverhältnisses, sondern auch gegen eine Verminderung ihrer Tätigkeit um 50 oder mehr Prozent schützen will.

Dies ergibt sich zum einen aus der in Ziff. 5 enthaltenen ausdrücklichen Gleichstellung der dauerhaften Verminderung der Tätigkeit um mindestens 50 % mit einer völligen Beendigung dieser Tätigkeit: Für beide Fälle schreibt Ziff. 5.2 Abs. 1 die Rechtsfolge vor, daß der Beklagte bei einer solchen Maßnahme bestimmte, nach der Beschäftigungsdauer abgestufte Fristen einzuhalten hat. Weiter wird in Ziff. 5.4 für die Bestimmung des Beginns des Fortzahlungszeitraums die Einschränkung der Tätigkeit ausdrücklich der Beendigung gleichgestellt.

Der Grund für diese Gleichsetzung ist darin zu sehen, daß es bei einem derartigen Vertragsverhältnis, anders als beim Arbeitsverhältnis, in der Regel an einer vertraglichen oder tarifvertraglichen Festlegung des Umfangs der Tätigkeit fehlt. Der bloße Fortbestand des Vertragsverhältnisses kann daher zur Sicherung der Höhe der Entgeltansprüche des Mitarbeiters nicht ausreichen; hinzu kommen muß vielmehr, daß die Tätigkeit des Mitarbeiters im Rahmen des Vertragsverhältnisses auch in einem gewissen Umfang in Anspruch genommen wird.

Daher bedarf es auch der in Ziff. 5.3 enthaltenen Regelung, wonach der Mitarbeiter während der bei einer Maßnahme nach Ziff. 5.2 einzuhaltenden Fristen Anspruch auf Entgelt in Höhe des monatlichen Durchschnittsentgelts des Vorjahres hat. Ausdrücklich ist in diesem Zusammenhang zwar nur die Beendigung des Rechtsverhältnisses genannt. Ziff. 5.3 muß aber in gleicher Weise auch auf die Verminderung der Tätigkeit um mindestens 50 % anwendbar sein, wie sich schon aus der ausdrücklichen Nennung der Einschränkung der Tätigkeit in der auf Zahlungen nach Ziff. 5.3 bezogenen Vorschrift der Ziff. 5.4 ergibt. Hinzu kommt, daß anderenfalls eine fristlose Verminderung der Inanspruchnahme des Mitarbeiters ohne Entgeltausgleich möglich und damit die in Ziff. 5.2 Abs. 1 enthaltene und in Ziff. 5.3 in Bezug genommene Festlegung von Fristen insoweit praktisch bedeutungslos wäre. Da dies von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt sein kann, ist die in Ziff. 5.3 enthaltene Verweisung auf die “Fristen nach Ziff. 5.2” dahin zu verstehen, daß damit für die beiden in Ziff. 5.2 Abs. 1 geregelten Fallgruppen, also sowohl die Beendigung des Vertragsverhältnisses als auch die Verminderung der Tätigkeit des Mitarbeiters um mindestens 50 %, in Ziff. 5.3 ein Anspruch auf Ausgleichszahlung enthalten sein soll.

Diese sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang abzuleitenden Wertungen sind auch für die Auslegung der Schutzvorschrift der Ziff. 5.2 Abs. 2 des Tarifvertrages maßgeblich. Da der bloße rechtliche Fortbestand des Vertragsverhältnisses ohne die Beibehaltung eines Mindestmaßes der Beschäftigung des Mitarbeiters weitgehend wertlos wäre, kann die Bestimmung ihrem auf den dauerhaften Schutz des tatsächlichen Bestandes eines langjährigen Vertragsverhältnisses gerichteten Zweck nur gerecht werden, wenn sie durch eine entsprechende Schutznorm hinsichtlich des Umfangs der Beschäftigung – und damit auch der Entgeltansprüche – ergänzt wird. Die tarifvertraglichen Regelungen wären in sich widersprüchlich, wenn ein nach Ziff. 5.2 Abs. 2 gegen seine rechtliche Beendigung geschütztes Vertragsverhältnis dauerhaft auf einen unbedeutenden Restbestand vermindert und damit faktisch beendet werden könnte, ohne daß der betroffene Mitarbeiter für den Zeitraum dieser Verminderung einen entsprechenden Ausgleich fordern könnte. Der in Ziff. 5.2 Abs. 2 enthaltene und von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich gewollte Bestandsschutz würde damit faktisch leerlaufen.

cc) Der Beklagte wendet zwar gegen die Einbeziehung einer dauerhaften Verminderung der Tätigkeit um mindestens 50 % in den Schutzbereich der Ziff. 5.2 Abs. 2 des Tarifvertrages ein, nach einer solchen Verminderung fehle es an der für ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis kennzeichnenden wirtschaftlichen Abhängigkeit und sozialen Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters, weil er nunmehr seine Arbeitskraft anderweitig verwerten könne. Mit diesem Einwand wird aber übersehen, daß Schutzgegenstand der Ziff. 5.2 Abs. 2 des Tarifvertrags das Vertragsverhältnis in seinem vor der Maßnahme des NDR vorhandenen Bestand ist, nicht dagegen der nach der Maßnahme noch vorhandene Restbestand. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklich in Ziff. 5.2 Abs. 2 des Tarifvertrages enthaltenen Beendigungsverbot, das die Mitarbeiter gerade vor Maßnahmen des NDR schützen soll, die zur Beendigung ihrer Tätigkeit und damit zur freien anderweitigen Verfügbarkeit ihrer Arbeitskraft führen würden.

c) Es kann dahinstehen, ob, wie das Berufungsgericht meint, die dauerhafte Verminderung der Beschäftigung eines nach Ziff. 5.2 Abs. 2 des Tarifvertrages geschützten Mitarbeiters um 50 oder mehr Prozent unzulässig ist oder ob sie zwar zulässig, aber mit einem Ausgleichsanspruch nach Ziff. 5.3 verbunden ist. Im hier zu entscheidenden Fall kam es nur auf die Frage an, ob ein langjähriger Mitarbeiter des NDR vom Tarifvertrag gegen die mit einer solchen Verminderung der Inanspruchnahme verbundene Einbuße an Vergütung geschützt wird. Insoweit kann der oben [b) bb)] dargestellte Wertungswiderspruch jedenfalls dann vermieden werden, wenn der Beklagte zwar auch bei den in Ziff. 5.2 Abs. 2 bezeichneten Mitarbeitern die Möglichkeit behält, ihre Tätigkeit um mindestens 50 % zu vermindern, wenn er aber in Analogie zu Ziff. 5.3 für die Zeit einer solchen Verminderung dem Mitarbeiter das Entgelt schuldet, das dem monatlichen Durchschnitt des Entgelts im Jahr vor der Verminderung entspricht. Zur Sicherung der Vergütung ist eine darüber hinausgehende Analogie zu Ziff. 5.2 Abs. 2 des Tarifvertrages, wonach unter den dort genannten Voraussetzungen neben der Beendigung des Vertragsverhältnisses auch die Verminderung der Tätigkeit des Mitarbeiters um mindestens 50 % ausgeschlossen und damit dem Mitarbeiter ein entsprechendes Arbeitsentgelt gewährleistet wäre, nicht erforderlich.

d) Der Kläger kann aber unabhängig davon, ob die Verminderung seiner Tätigkeit um 50 oder mehr Prozent nach Ziff. 5.2 Abs. 2 unzulässig ist oder nur zu einem Ausgleichsanspruch nach Ziff. 5.3 führt, für die Zeit nach dem 1. August 1989 keine Vergütung entsprechend dem von ihm im Zeitraum vom 1. August 1987 bis zum 31. Juli 1988 bezogenen Durchschnittsentgelt verlangen, denn seit dem 1. August 1989 ist der Umfang seiner Tätigkeit wieder auf mehr als 50 % seiner Inanspruchnahme in der Zeit vom 1. August 1987 bis zum 31. Juli 1988 gestiegen.

aa) Die analoge Anwendung des in Ziff. 5.2 Abs. 2 enthaltenen Beendigungsverbots auf die Verminderung der Tätigkeit um mindestens 50 % führt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, lediglich dazu, daß das Rechtsverhältnis so wie vor der Maßnahme weiter besteht. Damit ist es aber dem Beklagten nicht verwehrt, den Kläger in einem um bis zu 49 % verminderten Umfang in Anspruch zu nehmen. Der Tarifvertrag enthält für diesen Fall weder ein Verbot noch Ansprüche auf Ausgleichszahlungen.

bb) Nichts anderes gilt für den Fall, daß die Verminderung der Tätigkeit eines langjährigen Mitarbeiters um mindestens 50 % zwar zulässig ist, aber zu einem Ausgleichsanspruch analog Ziff. 5.3 des Tarifvertrages führt. Der Kläger kann sich insoweit nicht auf den Wortlaut von Ziff. 5.3 (“… bis zur Beendigung des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses Anspruch … auf das monatliche Durchschnittsentgelt des Vorjahres …”) berufen und geltend machen, er habe bis zur Beendigung seiner Tätigkeit beim NDR Anspruch auf Vergütung in Höhe des vom 1. August 1987 bis zum 31. Juli 1988 bezogenen Durchschnittsentgelts, weil der Beklagte vom 1. August 1988 bis zum 31. Juli 1989 seine Beschäftigung um mehr als 50 % vermindert hat.

Wenn – auch ohne ausdrückliche Regelung – dem Zusammenhang und dem Zweck der in Ziff. 5.2 und 5.3 enthaltenen Tarifnormen ein Anspruch auf Sicherung des Entgelts für den Fall, daß die Tätigkeit um mindestens 50 % vermindert wird, zu entnehmen ist, so muß auch bezüglich des Umfangs dieses Anspruchs, soweit er nicht ausdrücklich in Ziff. 5.3 festgelegt ist, auf Zweck und Regelungszusammenhang der Ziff. 5.2 und 5.3 abgestellt werden. Dagegen kann der Umfang des aus einer entsprechenden Anwendung einer Tarifnorm gewonnenen Anspruchs nicht nach deren Wortlaut bestimmt werden, soweit der Wortlaut – hier: Anspruch auf Entgeltsicherung “bis zur Beendigung des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses” – nur durch den von der Norm ausdrücklich geregelten Fall geprägt ist und daher anderen Fallgestaltungen nicht gerecht werden kann, die aufgrund analoger Anwendung in den Regelungsbereich dieser Norm einbezogen werden.

Zwar soll der Mitarbeiter in einem von dem Tarifvertrag geregelten Vertragsverhältnis angesichts der für dieses typischen und auch im zu entscheidenden Fall vorliegenden erheblichen Schwankungen hinsichtlich des Umfangs der Tätigkeit nur gegen deren dauerhafte Verminderung um mindestens 50 % sowie gegen die völlige Beendigung durch Ankündigungsfristen (Ziff. 5.2 Abs. 1), ein Verbot der Maßnahme (Ziff. 5.2 Abs. 2) sowie durch die Weiterzahlung des unverminderten Entgelts (Ziff. 5.3) geschützt werden. Eine Verminderung der Tätigkeit um weniger als 50 % soll der Mitarbeiter dagegen hinnehmen müssen. Der Tarifvertrag enthält insoweit weder Bestimmungen zur Sicherung des Arbeitsentgelts noch sonstige Schutzvorschriften.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann für Zeiten einer um weniger als 50 % verminderten Tätigkeit auch dann nichts anderes gelten, wenn vor diesen Zeiten die Tätigkeit um mehr als 50 % vermindert worden und hierfür auch Entgeltausgleich nach Ziff. 5.3 gezahlt worden ist. Mit der Zahlung des Entgeltausgleichs für die Zeit der Verminderung um über 50 % ist dem Schutzzweck des Tarifvertrags Genüge getan. Der Tarifvertrag enthält keinen Gesichtspunkt dafür, daß in diesen Fällen auch die spätere Verminderung um weniger als 50 % in den Schutzbereich der Ziff. 5.3 einzubeziehen und der Betroffene damit besserzustellen wäre als andere Mitarbeiter, deren Tätigkeit um weniger als 50 % vermindert worden ist, ohne vorher um mindestens 50 % vermindert gewesen zu sein.

III.1. Der Hilfsantrag des Klägers ist unzulässig, soweit die Feststellung begehrt wird, daß ein Arbeitsverhältnis besteht. Der Kläger ist insoweit durch das angefochtene Urteil nicht beschwert, denn das Landesarbeitsgericht hat entsprechend seinem Antrag das Bestehen eines Vertragsverhältnisses i.S. des Tarifvertrags für die beim NDR beschäftigten arbeitnehmerähnlichen Personen festgestellt. Damit ist die Feststellung, daß ein Arbeitsverhältnis besteht, ausgeschlossen.

Die antragsgemäße Feststellung des Landesarbeitgerichts über das Bestehen des Vertragsverhältnisses als arbeitnehmerähnliche Person beschwert den Kläger auch nicht etwa deshalb, weil das Landesarbeitsgericht den mit dem Statusantrag des Klägers verbundenen Antrag auf Feststellung eines Entgeltanspruchs abgewiesen hat. Der Statusantrag des Klägers konnte nicht unter die Bedingung gestellt werden, daß der Kläger auch mit seinem Feststellungsantrag hinsichtlich des Entgelts durchdringen werde (vgl. BAG Urteil vom 14. Februar 1979 – 5 AZR 490/77 – AP Nr. 32 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

2. Soweit der Kläger hilfsweise Arbeitsentgelt als Redakteur nach Vergütungsgruppe 1 des Manteltarifvertrags fordert, fehlt es schon an der schlüssigen Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen, da der Kläger nach der seinem eigenen Vorbringen entsprechenden Feststellung des Landesarbeitsgerichts kein Arbeitnehmer ist, sondern in einem Vertragsverhältnis als arbeitnehmerähnliche Person steht.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Dr. Wißmann, Fieberg, Kamm

 

Fundstellen

Haufe-Index 846751

NZA 1993, 1008

AfP 1993, 597

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