Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Feinmechanikers im Gesundheitswesen

 

Leitsatz (amtlich)

Zentrale Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen im Sinne der Lohngruppe 9 Fallgruppe 18.1 für Arbeiter im Gesundheitswesen des TV Lohngruppen-TdL sind nur solche Einrichtungen oder Anlagen, die die einzelnen Abteilungen – Kliniken – eines Krankenhauses mit dem Gesundheitswesen dienenden technischen Leistungen zentral versorgen, nicht aber solche Anlagen oder Einrichtungen einer einzelnen Abteilung, die der zentralen Behandlung der Patienten aus mehreren Abteilungen dienen.

 

Normenkette

MTL II §§ 21-22; Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis zum Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder vom 11. Juli 1966 (TV Lohngruppen-TdL) Lohngruppe 9 Fallgruppe 18.1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 03.03.1995; Aktenzeichen 13 Sa 691/94)

ArbG Marburg (Urteil vom 05.11.1993; Aktenzeichen 2 Ca 219/93)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die richtige Eingruppierung des Klägers.

Dieser steht seit dem 1. Januar 1966 in einem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land. Er ist in der Universitätsklinik der P… -Universität M… beschäftigt. Dort betreut er seit spätestens 1987 arbeitszeitlich überwiegend die zentralen Anlagen in der Abteilung Strahlentherapie der sog. Strahlenklinik. Diese Abteilung wird zentral geführt und von den einzelnen Kliniken der P… -Universität M… in Anspruch genommen.

Der Kläger wartet die in der Abteilung Strahlentherapie befindlichen Anlagen, setzt diese instand, ändert deren steuer- und meßtechnischen Regelungen und gewährleistet insgesamt die Betriebsbereitschaft dieser Anlagen, zu denen im einzelnen die Beschleunigeranlagen, die Cobaltquelle und die Simulationsanlage für Bestrahlungen zählt.

Der Kläger besitzt eine abgeschlossene Berufsausbildung als Feinmechaniker und hat im Jahre 1974 die Meisterprüfung abgeschlossen. Zuletzt erhielt er eine Vergütung nach der Lohngruppe 8a des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis zum Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder (MTL II) vom 11. Juli 1966 (im folgenden: TV Lohngruppen-TdL). Der MTL II ist mit Wirkung ab 1. März 1996 durch den MTV für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) vom 6. Dezember 1995 abgelöst worden; die Einreihungsmerkmale der Lohngruppen haben sich dadurch jedoch nicht geändert.

Die Anwendung des MTL II auf das Arbeitsverhältnis haben die Parteien einzelvertraglich vereinbart.

Im Juni 1991 beantragte der Kläger beim beklagten Land Vergütung nach Lohngruppe 9, welche durch den Änderungstarifvertrag Nr. 11 vom 22. März 1991 zum TV-Lohngruppen-TdL seit dem 1. Oktober 1990 neu geschaffen worden war. Dieser Tarifvertrag lautet, soweit vorliegend von Interesse:

“Lohngruppe 9

18. Im Gesundheitswesen

18.1 Arbeiter der Lohngruppe 4 Nr. 1 mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägig anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens 3 Jahren (z.B. Elektromechaniker, Energieelektroniker, Kälteanlagenbauer, Zentralheizungs- und Lüftungsbauer, Meß- und Regelmechaniker) mit Meisterbrief oder mit einer zusätzlichen fachlichen Fortbildung, die verschiedene Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen (z.B. zentrale Sauerstoffanlagen, zentrale Vakuumanlagen, zentrale Lachgasanlagen, zentrale Druckluftanlagen, zentrale Sterilisationsanlagen, zentrale Destillierungsanlagen, zentrale Meß-, Steuer- und Regelanlagen für Klima- und Kälteanlagen in Krankenhäusern der Maximalversorgung) warten, instand setzen, die Betriebsbereitschaft gewährleisten und in der Lage sind, die Regelung und Steuerung der Anlagen technischen Änderungen anzupassen.

…”

Das beklagte Land lehnte diese Höhergruppierung des Klägers mit Schreiben vom 22. Oktober 1992 endgültig ab.

Daraufhin hat der Kläger beim Arbeitsgericht Marburg Feststellungsklage gegen das beklagte Land erhoben.

Er hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ab dem 1. Dezember 1990 an ihn Vergütung nach der Lohngruppe 9 MTL II zu zahlen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

Es vertritt die Meinung, der Kläger erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen für die begehrte Eingruppierung nach Lohngruppe 9 Fallgruppe 18.1 TV Lohngruppen-TdL nicht, weil der von ihm erlernte Beruf des Feinmechanikers zum einen bei den in der einschlägigen Tarifnorm beispielhaft aufgeführten Ausbildungsberufen nicht erwähnt sei und zum anderen auch nicht als “einschlägig” im Sinne der tariflichen Regelung zu betrachten sei.

Außerdem handele es sich bei den vom Kläger betreuten Anlagen in der Abteilung Strahlentherapie nicht um Spezialanlagen oder Spezialeinrichtungen im Sinne der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 des TV Lohngruppen-TdL.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage des Klägers stattgegeben. Die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist begründet.

Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Entlohnung nach Lohngruppe 9 TV Lohngruppen-TdL.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die Ausbildung des Klägers als Feinmechaniker als eine solche in einem einschlägig anerkannten Ausbildungsberuf im Sinne der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 TV Lohngruppen-TdL angesehen werden könne. Der Beruf des Feinmechanikers sei zwar in dieser Lohngruppe nicht aufgeführt, er sei aber als “einschlägig” im Sinne dieser Tarifnorm anzusehen. Auch habe der Kläger die vom Tarifvertrag geforderte Meisterprüfung abgelegt.

Die von ihm mit mehr als der Hälfte seiner Arbeitszeit betreuten Anlagen erfüllten auch den tariflichen Begriff der “Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen”.

Dem Landesarbeitsgericht kann weder in der Begründung noch im Ergebnis gefolgt werden.

II.1. Die Klage ist zulässig.

Es handelt sich bei dieser um eine sog. Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. z.B. BAG Urteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

2. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet.

Die Tätigkeit des Klägers erfüllt nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 TV Lohngruppen-TdL.

a) Es kann für die Entscheidung des Rechtsstreits dahinstehen, ob der Kläger die persönlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entlohnung nach dieser Lohngruppe, nämlich eine abgeschlossene Ausbildung in einem einschlägigen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren mit Meisterbrief oder mit einer zusätzlichen fachlichen Fortbildung, erfüllt.

Die begehrte Eingruppierung scheitert bereits daran, daß der Kläger nicht “verschiedene Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen” im Sinne der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 TV Lohngruppen-TdL betreut.

b) Die vom Kläger in der Abteilung Strahlentherapie der Strahlenklinik des Universitätsklinikums betreuten Anlagen, nämlich die Beschleunigeranlagen, die Cobaltquelle und die Simulationsanlage für Bestrahlungen, erfüllen nicht die Tatbestandsvoraussetzungen für den tariflichen Begriff der “Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen”.

Die Tarifvertragsparteien haben durch einen Klammerzusatz beispielhaft aufgezählt, welche Einrichtungen bzw. Anlagen unter diesen Begriff fallen. Die vom Kläger betreuten Anlagen sind dabei nicht erwähnt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dann, wenn eines dieser Beispiele erfüllt wird, auch das Tatbestandsmerkmal des Oberbegriffes erfüllt (BAG Urteil vom 5. Juli 1978 – 4 AZR 795/76 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 29. April 1981 – 4 AZR 1007/78 – AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; BAG Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – AP Nr. 1 zu § 12 AVR Diakonisches Werk).

Wird keines der in der Tarifnorm genannten Beispiele erfüllt, ist auf den allgemeinen Oberbegriff zurückzugreifen. Dabei ist für dessen Bestimmung von den Maßstäben der Beispielstatbestände auszugehen, weil die Tarifvertragsparteien mit den tariflichen Beispielsfällen das Maß und die Richtung für die Auslegung des allgemeinen Oberbegriffes vorgegeben haben (BAGE 45, 121 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 51, 59 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Eine sachgerechte Auslegung der Begriffe “Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen” ergibt, daß die vom Kläger betreuten Anlagen in der Abteilung Strahlentherapie nicht unter diesen allgemeinen Oberbegriff fallen.

Die Auslegung des normativen Teiles eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, muß der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien berücksichtigt werden, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (seit BAGE 42, 86 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung – ständige Rechtsprechung des BAG).

Der Wortbestandteil “spezial” in dem Begriffspaar “Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen” hat dieselbe Bedeutung wie das Adjektiv “speziell”. Dies bedeutet: einzeln, von besonderer Art, nicht allgemein (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 5. Bd., Stichwort: speziell), von besonderer, eigener Art: in besonderem Maße auf einen bestimmten, konkreten Zusammenhang oder ähnliches ausgerichtet, bezogen (Duden, Deutsches Universialwörterbuch, 2. Aufl., Stichwort: speziell). Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen sind demnach Einrichtungen und Anlagen besonderer Art, weil sie besonderen Zwecken dienen. Welche Zwecke dies sind, folgt aus der systematischen Stellung des Einreihungsmerkmales. Da dieses von den Tarifvertragsparteien für das Fachgebiet mit der Kennziffer 18.1 “Im Gesundheitswesen” vereinbart ist, folgt daraus, daß Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen nur solche sind, die speziell Zwecken des Gesundheitswesens in einem Krankenhaus dienen (BAG Urteile vom 18. Dezember 1996 – 4 AZR 247/95 – und vom 16. April 1997 – 10 AZR 343/95 – beide Urteile sind zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Diese Voraussetzung ist im zu entscheidenden Falle gegeben, weil die vom Kläger betreuten Anlagen medizinischen Bestrahlungen und somit der medizinischen Behandlung von Patienten dienen.

Aus den Klammerbeispielen der Tarifnorm ist aber zu folgern, daß es sich bei diesen Spezialeinrichtungen und Spezialanlagen auch um “zentrale” Einrichtungen oder Anlagen handeln muß. Dies folgt daraus, weil in allen Klammerbeispielen den einzelnen Anlagen das Wort “zentral” vorangestellt ist. “Zentral” bedeutet: in der Mitte; im Mittelpunkt befindlich, von ihm ausgehend (Duden, Die Rechtschreibung, 20. Aufl., Stichwort: zentral).

Es ist mit dem Kläger davon auszugehen, daß die von ihm betreuten, der Bestrahlung von Patienten dienenden Anlagen dem gesamten Klinikum dienen, da Patienten aus den übrigen Einzelkliniken des Universitätsklinikums in der sog. Strahlenklinik mit Hilfe dieser Geräte bestrahlt werden.

Dennoch ergibt sich aus den von den Tarifvertragsparteien zur Erläuterung des Begriffes der Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen genannten Klammerbeispielen, daß dies alleine für die Annahme einer “zentralen” Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlage im Tarifsinne nicht genügt.

Allen in den Klammerbeispielen erwähnten Anlagen ist gemein, daß durch sie andere Abteilungen eines Krankenhauses mit bestimmten Stoffen versorgt werden (Sauerstoffanlagen, Lachgasanlagen, Druckluftanlagen) oder daß durch sie bestimmte, dem medizinischen Krankenhausbetrieb dienende Zustände hergestellt werden (Druckluftanlagen, Sterilisationsanlagen, Destillationsanlagen, Meß-, Steuer- und Regelanlagen für Klima- und Kälteanlagen).

Keines der Klammerbeispiele erfaßt aber Einrichtungen oder Anlagen, mit denen in einer bestimmten Krankenhausabteilung “Dienstleistungen” dadurch erbracht werden, daß mit ihnen an den in den einzelnen Abteilungen oder Kliniken eines Krankenhauses untergebrachten Patienten medizinische Maßnahmen, wie Untersuchungen oder Behandlungen, vorgenommen werden.

Da solche Einrichtungen aber in einer Vielzahl von Krankenhäusern vorhanden sind – z.B. zentrale Strahlenabteilung, Röntgenabteilung – hätten die mit den tatsächlichen Gegebenheiten im Gesundheitswesen vertrauten Tarifvertragsparteien Anlagen und Einrichtungen solcher “Zentralabteilungen” bei den Klammerbeispielen erwähnt, wenn sie auch solche unter den allgemeinen Begriff der zentralen “Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen” im Sinne der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 TV Lohngruppen-TdL hätten subsumieren wollen.

Aus der Nichterwähnung dieser Einrichtungen bzw. Anlagen, mit denen “zentral” Patienten aus allen Abteilungen eines Krankenhauses untersucht bzw. behandelt werden, in den Klammerbeispielen der Tarifnorm ist demnach zwingend darauf zu schließen, daß jene nicht unter den Tarifbegriff der “Zentralen Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen” fallen.

Damit sind Spezialeinrichtungen und Spezialanlagen im Sinne der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 TV Lohngruppen-TdL nicht solche, mit denen die Patienten eines Krankenhauses zentral untersucht oder behandelt werden, sondern nur solche, durch die die einzelnen Krankenhausabteilungen mit dem Gesundheitswesen dienenden technischen Leistungen versorgt werden.

Da der Kläger Anlagen einer Abteilung bedient, mit denen nur “Dienstleistungen” an Patienten aus allen Abteilungen des Universitätsklinikums erbracht werden, erfüllt er nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 TV Lohngruppen-TdL. Demnach waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben bzw. abzuändern und die Klage abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Hauck, Böck, Trümner, Schaeff

 

Fundstellen

Haufe-Index 884886

AP, 0

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