Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslandsbeschäftigungsvergütung im Bereich des BMVg

 

Normenkette

BAT §§ 42, 70; BRKG §§ 3, 17, 22

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 06.11.1987; Aktenzeichen 12 Sa 266/87)

ArbG Lingen (Urteil vom 27.01.1987; Aktenzeichen 2 Ca 684/86)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. November 1987 – 12 Sa 266/87 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 27. Januar 1987 – 2 Ca 684/86 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte die Auslandsverwendung des Klägers in der Zeit vom 18. November 1985 bis 5. Dezember 1985 nach Maßgabe des Erlasses des Bundesministers der Verteidigung vom 1. Juli 1975 – S II 4 – Az.: 06-00 (5) in der seinerzeit geltenden Fassung abzugelten hat.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Reisekosten.

Der Kläger ist als technischer Angestellter bei der Beklagten in deren Erprobungsdienststelle in M. seit 1968 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 sowie die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge Anwendung.

Der Kläger war zunächst Anfang des Jahres 1985 in die USA abgeordnet worden. Für diese Abordnung gewährte ihm die Beklagte Auslandstrennungsgeld in Form von Auslandsbeschäftigungsvergütung nach einem Erlaß des BMVg vom 1. Juli 1975 – S II 4 – Az.: 21-06-00 (5) –. Der Kläger wurde mit Verfügung vom 12. Oktober 1985 für die Zeit vom 18. November 1985 bis 5. Dezember 1985 zur Raketenschule der Luftwaffe nach Fort Bliss/Texas (USA) ein weiteres Mal abgeordnet. Dort fand im Rahmen des Projekts US Stockpile Reliability Nike Hercules unter US-Verantwortung in der Fort Bliss Military Reservation in der Zeit vom 2. Dezember 1985 bis 6. Dezember 1985 ein Übungsschießen mit Nike Hercules Flugkörpern statt. Die erste Raketenschule der Luftwaffe USA hatte gemäß dem Befehl des Kommandeurs der Lehrgruppe/Raketenschule der Luftwaffe USA vom 4. November 1985 den Auftrag, das Waffensystem 1038 nach McGregor Range zu verlegen, vorzubereiten und fünf Flugkörper zu verschießen. Die deutsche Luftwaffe sammelte bei dieser Gelegenheit Daten über Anzündversager und bediente sich zur Unterstützung dieser Maßnahme abgeordneten Personals der Erprobungsstelle 91 der Beklagten, so auch des Klägers. Dessen Aufgabe bestand in der Vorbereitung und Durchführung von Flugbahnvermessungen der verschossenen Flugkörper. In die Flugkörper wurden Telemetrieeinheiten eingebaut, mit denen nachvollziehbare Erkenntnisse über Erfolg oder Mißerfolg der abgefeuerten Schüsse sowie Grundlagenwissen über mögliche Schwachstellen des eingesetzten Gerätes gewonnen werden sollten. Der Kläger wohnte während der Dauer der Abordnung unentgeltlich in einer Gemeinschaftsunterkunft.

Die Beklagte wertete die Maßnahmen bereits in der Abordnungsverfügung vom 12. Oktober 1985 als „Besonderes Dienstgeschäft” im Sinne des Erlasses des Bundesministers der Verteidigung (BMVg) vom 1. Februar 1974 – Fü S I 1 – Az.: 21-01-11 – und gewährte dem Kläger reisekostenrechtliche Abfindung gemäß § 42 BAT in Verb. mit den §§ 3, 17 BRKG und weiterer Erlasse des BMVg vom 1. Februar 1974 – S II 4 – Az.: 21-03-11 – und vom 19. Dezember 1974 – S II 4 – Az.: 21-01-11 –.

Der Kläger beantragte am 6. Februar 1986 unter Verwendung eines Vordrucks der Beklagten Reisekostenerstattung. Die Beklagte errechnete im März 1986 einen Betrag in Höhe von 404,80 DM. Dagegen wandte sich der Kläger erfolglos mit Schreiben vom 1. April 1986 und 15. Mai 1986. Mit der der Beklagten am 2. September 1986 zugestellten Klage begehrt der Kläger Auslandsbeschäftigungsvergütung, wie er sie anläßlich seiner ersten Abordnung erhalten hat.

Er hat gemeint, bei der Dienstreise habe es sich für ihn nicht um ein besonderes Dienstgeschäft im Sinne des Erlasses des BMVg vom 1. Februar 1974 – Fü S I 1 – Az.: 21-01-11 – gehandelt. Denn als Angehöriger einer Erprobungsstelle habe er nicht unmittelbar an einer Übung teilgenommen. Darüber hinaus sei ihm aus dienstlichen Gründen die Annahme von Gemeinschaftsverpflegung wegen der großen Entfernung zwischen Speiseraum und Einsatzort nicht möglich gewesen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm für die Zeit vom 18. November bis 5. Dezember 1985 Auslandsbeschäftigungsvergütung zu bezahlen,

hilfsweise

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm Auslandstrennungsgeld gemäß der Verordnung über das Auslandstrennungsgeld vom 18. Dezember 1984, BGBl I, S. 1645, zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, bei der Abordnung des Klägers habe es sich um ein besonderes Dienstgeschäft gehandelt, weil eine Übung einer Luftwaffeneinheit stattgefunden habe und der Kläger sich auf einem Übungsplatz zur Durchführung einer Erprobung aufgehalten habe. Für die Annahme eines besonderen Dienstgeschäftes komme es nicht darauf an, ob der Kläger an der Gemeinschaftsverpflegung tatsächlich teilgenommen habe. Entscheidend sei allein deren Bereitstellung. Außerdem habe der Kläger bei der Geltendmachung des Anspruchs die Ausschlußfrist des § 70 BAT versäumt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage wegen Versäumung der Ausschlußfrist des § 70 Abs. 1 BAT abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil der Kläger an einem besonderen Dienstgeschäft teilgenommen habe, das keine Auslandsbeschäftigungsvergütung rechtfertige. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zu der vom Kläger beantragten Feststellung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, der Kläger habe weder einen Anspruch auf Auslandsbeschäftigungsvergütung noch auf Auslandstrennungsgeld. Denn bei der Dienstreise habe es sich um ein besonderes Dienstgeschäft in der Bundeswehr gehandelt. Gemäß § 42 Abs. 1 BAT seien für den Kläger als Angestellten die für Beamte des Arbeitgebers jeweils geltenden reisekostenrechtlichen Bestimmungen entsprechend anwendbar. Daher gelte zwischen den Parteien das Bundesreisekostengesetz sowie die aufgrund des § 17 BRKG rechtmäßig ergangenen Erlasse des BMVg vom 1. Februar 1974 – Fü S I 1 – Az.: 21-01-11 – und – S II 4 – Az.: 21-03-11 –. Der Kläger habe sich in einem Übungslager im Sinne des Erlasses aufgehalten. Dieses habe der Durchführung von Versuchen und Erprobungen im Sinne der Nr. 3 (2) des Erlasses gedient. Die Maßnahme sei zudem zeitlich und örtlich gemeinsam mit Soldaten im Sinne des Erlasses des BMVg vom 19. Dezember 1974 – S II 4 – Az.: 21-01-11 – durchgeführt worden, auch wenn das eigentliche Übungsschießen nur in der Zeit vom 2. Dezember 1985 bis 6. Dezember 1985 stattgefunden habe. Die Beklagte habe die reisekostenrechtliche Abfindung entsprechend dem Erlaß des BMVg vom 1. Februar 1974 – S II 4 – Az.: 21-03-11 – richtig vorgenommen. Zwar gelte der Erlaß gemäß Nr. 12 Buchst. a) und b) für Beamte und Angestellte u.a. nur, wenn diese Gemeinschaftsverpflegung gegen Bezahlung erhielten. Diese Voraussetzung sei vorliegend erfüllt, auch wenn der Kläger die Gemeinschaftsverpflegung nicht bekommen habe. Er könne sich nicht darauf berufen, daß die Entfernung vom Einsatzort zum Speiseraum unzumutbar groß gewesen sei. Denn er habe sich nicht von der Verpflichtung zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung entbinden lassen. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Auslandstrennungsgeld sei nicht begründet, weil die Auslandstrennungsgeldverordnung erst am 1. Januar 1986 in Kraft getreten sei.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

II. Der Kläger hat nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) BAT in Verb. mit dem Erlaß des BMVg vom 1. Juli 1975 – S II 4 – Az.: 21-06-00 (5) – Anspruch auf Auslandsbeschäftigungsvergütung.

1. § 42 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) BAT bestimmt, daß für die Erstattung von Auslagen aus Anlaß der Abordnung eines Angestellten (Trennungsgeld, Trennungsentschädigung) die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden sind. Bei den für die Beamten der Bundesrepublik Deutschland jeweils geltenden Bestimmungen handelt es sich im Streitfall entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht um die Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes. Dieses Gesetz regelt nach seinem § 1 Abs. 1 zunächst die Erstattung von Auslagen für Dienstreisen und Dienstgänge (Reisekostenvergütung) der Bundesbeamten, Richter im Bundesdienst, Soldaten und der in den Bundesdienst abgeordneten anderen Beamten und Richter. Darüber verhält sich der Abschn. 2 des Gesetzes (§§ 2 bis 21). Der Kläger befand sich bei seiner Entsendung in die USA im November/Dezember 1985 jedoch nicht auf einer Dienstreise. Er war vielmehr abgeordnet, wovon auch die Beklagte in ihrer Abordnungsverfügung zutreffend ausgegangen ist.

a) Der Begriff der Abordnung ist weder im Erlaß noch im Bundesreisekostengesetz noch im BAT (§ 12 Abs. 1) definiert. Darunter wird regelmäßig die Zuweisung einer vorübergehenden Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle des Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses verstanden (BAG Urteil vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 616/74 – AP Nr. 1 zu Saarland UniversitätsG; BAG Urteil vom 12. April 1972 – 4 AZR 224/71 – AP Nr. 1 zu § 22 BRKG; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Mai 1990, § 12 Anm. 3; Crisolli/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand Mai 1990, § 12 BAT Erl. 2; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand April 1990, § 12 Erl. 1 b; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand 1. April 1990, § 12 Erl. 1; Plog/Wiedow/Beck, BBeamtG, Stand April 1990, § 27 Rz 5 und 6; Schwegmann/Summer, BBesG, Stand 1. April 1990, § 58 a Erl. 2). Die Abordnung setzt den Wechsel der Dienststelle, nicht aber des Arbeitgebers voraus. Der abgeordnete Angestellte bleibt Arbeitnehmer der entsendenden Dienststelle. So verhält es sich im Streitfall. Der Kläger ist während seiner Tätigkeit in Fort Bliss Arbeitnehmer der Erprobungsdienststelle der Beklagten in M. geblieben. Die bei der Raketenschule der Luftwaffe ausgeübte Tätigkeit hat jedoch einen Wechsel der Dienststelle bedingt. Dienststelle im Sinne der beamtenrechtlichen Vorschrift, auf die der BAT Bezug nimmt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 27, 41, 44; 34, 42, 44) die den Dienstposten des Beamten einschließende regelmäßig eingerichtete, kleinste organisatorisch abgrenzbare Verwaltungseinheit, der ein örtlich und sachlich bestimmtes Aufgabengebiet zugewiesen ist, wobei eine, wenn auch nur geringfügige, organisatorische Abgrenzbarkeit genügt. Sowohl die Erprobungsdienststelle in M. wie auch die Raketenschule der Luftwaffe in Fort Bliss sind eigenständige, organisatorisch abgrenzbare Verwaltungseinheiten der Beklagten mit eigenen Verwaltungsaufgaben.

b) Das BRKG regelt zwar nach seinem § 1 Abs. 2 Nr. 1 und nach dem § 22 im Grundsatz auch die Erstattung von Auslagen aus Anlaß der Abordnung (Trennungsgeld). Der Gesetzgeber hat aber von einer detaillierten Regelung abgesehen und in § 22 den Bundesminister des Innern (BMI) und die Bundesregierung ermächtigt, für Trennungsgeldansprüche Rechtsverordnungen zu erlassen, die die Abordnungen im Inland und die Abordnungen zwischen dem Inland und dem Ausland und im Ausland betreffen. Davon hatte zunächst nur der BMI für Abordnungen im Inland mit der später mehrfach geänderten Trennungsgeldverordnung vom 12. August 1965 (BGBl I S. 808) Gebrauch gemacht. Für Abordnungen ins Ausland wie im Streitfall fehlte bis zum Jahre 1986 und damit auch für die Entsendung des Klägers im November/Dezember 1985 eine entsprechende Verordnung. Die Bundesregierung erließ diese Auslandstrennungsgeldverordnung erst am 18. Dezember 1984 (BGBl I S. 1645), die jedoch nach ihrem § 20 Abs. 1 Satz 1 erst am 1. Januar 1986 in Kraft trat.

c) Zum Zeitpunkt der Entsendung des Klägers in die USA im November/Dezember 1985 waren die Bestimmungen über Vergütung bei Abordnung zu einer auswärtigen Beschäftigungsstelle, zu Lehrkursen und dergleichen von Inlandsbeamten in das Ausland sowie von Auslandsbeamten im Ausland und in das Inland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnr. 2032-2-4 veröffentlichten bereinigten Fassung in Kraft (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Auslandstagegeldverordnung). Diese vom Reichsminister der Finanzen erlassenen Vorschriften, die auf dem Gesetz über Reisekostenvergütung der Beamten vom 15. Dezember 1933 (RGBl I S. 1067) und den Sonderbestimmungen für Auslandsdienstreisen der Reichsbeamten vom 22. Dezember 1933 (RBB 1934, 1) beruhten, sahen Auslandsbeschäftigungsvergütung lediglich für Beamte des auswärtigen Dienstes vor. Die Abfindung der übrigen Reichsbeamten bei Abordnung zu einer auswärtigen Beschäftigungsstelle, zu Lehrkursen und dergleichen in das Ausland konnte von der Obersten Reichsbehörde im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen von Fall zu Fall geregelt werden (Abschn. II Nr. 13 der Bestimmungen vom 7. Februar 1934, RBB 1934, 20). Auf dieser Grundlage haben der BMI und für seinen Geschäftsbereich der BMVg in der Vergangenheit mehrfach geänderte Vorschriften über die Erstattung von Aufwendungen ihrer Beamten und Soldaten bei Abordnungen vom Inland ins Ausland geschaffen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. Januar 1974 – VI C 6.72 – Buchholz, 238.90 Reise- und Umzugskosten Nr. 51; Urteil vom 22. März 1976 – VI C 5.72 – Buchholz, a.a.O., Nr. 65; Urteil vom 30. Juni 1978 – 6 C 27.75 – Buchholz, a.a.O., Nr. 73) trotz fehlender Ermächtigungsgrundlage als eine gefestigte, rechtlich bedenkenfreie Selbstbindung und damit als ausreichende Anspruchsgrundlage anerkannt worden sind. Deshalb stand dem Kläger grundsätzlich Erstattung nach dem Erlaß vom 1. Juli 1975 – S II 4 – Az.: 21-06-00 (5) – in seiner zuletzt gültigen Fassung zu.

2. Der BMVg hat neben den Erlassen über das Auslandstrennungsgeld in Form der Auslandsbeschäftigungsvergütung Bestimmungen erlassen, die den Anspruch des Bediensteten auf reisekostenrechtliche Abfindung für den Fall der Teilnahme an einem sog. besonderen Dienstgeschäft erheblich mindern. Auf diese Vorschriften kann sich die Beklagte im Streitfall jedoch nicht berufen. Es liegt kein besonderes Dienstgeschäft vor.

a) Mit Erlaß – Fü S I 1 – Az.: 21-01-11 – vom 1. Februar 1974 hat der BMVg erschöpfend definiert, was unter einem besonderen Dienstgeschäft zu verstehen ist. Dazu gehören nach Abschn. a Nr. 3 Aufenthalte in Truppenlagern, worunter auch Aufenthalte auf Übungs-, Schieß- und Versuchsplätzen zu verstehen sind, soweit sie der Durchführung oder Teilnahme an Übungen oder Schießen bzw. Versuchen oder Erprobungen aller Art sowie der allgemeinen Ausbildung dienen. Nach Satz 2 dieser Bestimmung fallen Angehörige ständiger Dienststellen der Bundeswehr von Truppenlagern, Übungs-, Schieß- und Versuchsplätzen sowie Erprobungsstellen nicht unter diese Bestimmungen, soweit sie nicht unmittelbar an Übungen im vorstehenden Sinne teilnehmen.

Der Kläger als Angestellter der Erprobungsdienststelle in M. hat nicht unmittelbar an Übungen teilgenommen. Das ergibt sich bereits aus dem zeitlichen Ablauf. Das Übungsschießen der Raketenschule der Luftwaffe fand vom 2. Dezember 1985 bis 6. Dezember 1985 statt. Die Abordnung des Klägers erstreckte sich auf die Zeit vom 18. November 1985 bis 6. Dezember 1985. Tatsächlich beendete er das Dienstgeschäft am 3. Dezember 1985, wie sich aus der Reisekostenabrechnung der Beklagten ergibt. Am 4. Dezember 1985 trat er die Rückreise an. Das Übungsschießen hat sich somit nur an zwei Tagen mit der insgesamt 19 Tage dauernden Abordnung des Klägers überschnitten. Zudem hatte die unmittelbar an der Übung teilnehmende Lehrgruppe der Raketenschule der Luftwaffe einen völlig anders gearteten Auftrag als der Kläger, wie sich aus II des Befehls des dortigen Kommandeurs vom 4. November 1985 ergibt. Deren Aufgabe bestand nämlich darin, das Waffensystem 1038 nach McGregor Range zu verlegen, dort vorzubereiten und fünf LFK-Hercules gemäß Bezugsdokument Nr. 1 und 4 zu verschießen. An dieser Übung hat der Kläger nicht teilgenommen.

b) Aber selbst wenn der Kläger an einem besonderen Dienstgeschäft im Sinne des Erlasses teilgenommen haben sollte, so war die Beklagte dennoch nicht berechtigt, den Erlaß über die reisekostenrechtliche Abfindung bei besonderen Dienstgeschäften in der Bundeswehr im Ausland – S II 4 – Az.: 21-03-11 – vom 1. Februar 1974 anzuwenden. Abgesehen davon, daß sich der BMVg im Abschn. 1 zu Unrecht auf die Ermächtigungsgrundlage des § 22 BRKG beruft, der lediglich eine Verordnung des BMI und der Bundesregierung gestattet, nicht aber Grundlage für einen Erlaß des BMVg sein kann, durfte die Beklagte die Aufwendungen des Klägers nicht nach den Abschnitten 2 bis 11 dieses Erlasses abrechnen. Denn diese für Soldaten geschaffenen Regelungen gelten nach Abschn. 12 Buchst. a und b des Erlasses für Beamte, Angestellte und Arbeiter nur entsprechend, wenn sie zur Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben an den besonderen Dienstgeschäften in der Bundeswehr teilnehmen und Gemeinschaftsverpflegung gegen Bezahlung erhalten und ihnen ggf. unentgeltliche Unterkunft bereitgestellt wird. Unstreitig hat der Kläger aber keine Gemeinschaftsverpflegung erhalten, weil der Speiseraum 70 Kilometer von seinem Einsatzort entfernt und am Einsatzort für eine Verpflegung nicht, auch nicht in Form einer Marschverpflegung oder eines Lunchpaketes gesorgt war. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht gemeint, es sei ausreichend, daß Gemeinschaftsverpflegung bereitgestellt sei, wenn auch die Verpflegung tatsächlich wegen der Entfernung nicht hätte eingenommen werden können. Es übersieht, daß der Erlaß zwischen Verpflegung und Unterkunft unterscheidet. Während es für die Unterkunft genügt, daß sie bereitgestellt wird, müssen die Bediensteten die Verpflegung erhalten haben, um die Kürzung der Erstattungsansprüche zu rechtfertigen. Eine Bereitstellung genügt insoweit nicht.

c) Dem Landesarbeitsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, der Kläger könne sich nicht auf die weitere Ausnahme im Erlaß vom 19. Dezember 1974 – S II 4 – Az.: 21-01-11 – berufen. Danach sind technische Erprobungen nur dann als besonderes Dienstgeschäft im Sinne der Anlage 1 des Vorgangserlasses vom 1. Februar 1974 anzusehen, wenn sie zeitlich und örtlich gemeinsam mit Soldaten (z.B. Truppenversuche) durchgeführt werden. Alle übrigen technischen Erprobungen sind nach den allgemeinen reisekostenrechtlichen Grundsätzen abzufinden. Wie oben dargestellt, überschnitt sich die Tätigkeit des Klägers zeitlich nur an zwei Tagen mit dem Übungsschießen. Inhaltlich kann von einer gemeinsamen technischen Erprobung mit Soldaten nicht ausgegangen werden. Die Voraussetzung einer örtlich und zeitlich gemeinsamen Erprobung von Zivilbediensteten und Soldaten als Vorgabe für ein besonderes Dienstgeschäft mit geringerem Entschädigungsanspruch beruht auf der Erfahrung, daß geringere Aufwendungen entstehen, wenn zivile Angehörige der Beklagten direkt an einer Übung teilnehmen, weil Gemeinschaftsverpflegung und Unterkunft mit den eigentlichen Teilnehmern der Übung, den Soldaten, bereitgestellt wird. Wenn jedoch wie im Streitfall technisches Personal aus Anlaß einer Übung zur Gewinnung technischer Erkenntnisse herangezogen wird, ist nicht notwendigerweise davon auszugehen, daß auch diesem Personal Gemeinschaftsverpflegung und Unterkunft zusammen mit den Soldaten zur Verfügung gestellt wird. So ist im Erlaß folgerichtig klargestellt worden, daß bei den übrigen technischen Erprobungen die allgemeinen reisekostenrechtlichen Grundsätze Anwendung finden. Irgendein Zusammenhang mit der Übung reicht deshalb zur Annahme eines besonderen Dienstgeschäftes entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts nicht aus.

3. Da die Abordnung des Klägers somit kein besonderes Dienstgeschäft im Sinne des Erlasses – Fü S I 1 – Az.: 21-01-11 – vom 1. Februar 1974 war, bleibt es bei der allgemeinen reisekostenrechtlichen Abfindung, so daß dem Kläger für die Abordnung im November/Dezember 1985 der geltend gemachte Anspruch auf Auslandsbeschäftigungsvergütung nach dem Erlaß des BMVg vom 1. Juli 1975 – S II 4 – Az.: 21-06-00 (5) – zusteht. Dabei ist allerdings zu beachten, daß gemäß A. I dieses Erlasses die Auslandsbeschäftigungsvergütung vom Tage nach dem Eintreffen am ausländischen Dienstort bis zum Tage vor der Abreise aus diesem Ort gewährt wird. Dem Kläger steht daher die Auslandsbeschäftigungsvergütung nur vom 19. November 1985 bis 3. Dezember 1985 zu. Die übrigen Tage sind als Reisetage nach BRKG abzurechnen. Der Senat hat davon abgesehen, diese Differenzierung im Tenor ausdrücklich aufzunehmen. Sie wird vom jetzigen Ausspruch umfaßt.

4. Der Anspruch des Klägers ist nicht verfallen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für Ansprüche auf Auslandstrennungsgeld in Form der Auslandsbeschäftigungsvergütung über die Verweisung des § 42 Abs. 1 BAT nicht die sechsmonatige Ausschlußfrist des § 70 Abs. 1 1. Halbsatz BAT eingreift, sondern nach § 70 Abs. 1 2. Halbsatz BAT die einjährige Ausschlußfrist des § 3 Abs. 5 BRKG, der seinem Wortlaut nach nur für Reisekostenvergütung gilt. Denn der Kläger hat seine Ansprüche mit Schreiben vom 15. Mai 1986 auch innerhalb der Ausschlußfrist des § 70 Abs. 1 1. Halbsatz BAT geltend gemacht, weil mangels anderweitiger Bestimmung seine Ansprüche erst mit Erhalt der Reisekostenabrechnung der Beklagten vom 12. März 1986 fällig geworden sind.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Jobs, Dr. Freitag, Dörner, Mergenthaler, Stenzel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI988661

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